Wie stellen wir unsere Energieversorgung im Westen klimaneutral um? Neben Windkraft und Photovoltaik kommt dabei ein Aspekt in der öffentlichen Wahrnehmung oft etwas zu kurz, wie Oliver Junginger findet. Es geht um Biogas.
Junginger ist stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Freien Aktiven Bürger im Stadtrat des oberbergischen Hückeswagen. Gemeinsam mit den Fraktionen der Unabhängigen Wählergemeinschaft aus Wipperfürth und den Freien Wählern aus Wermelskirchen hat seine Fraktion deshalb einen Plan.
Eigene Gasversorgung geplant
"Unser Ziel ist es, dass die Bewohner unserer drei Städte langfristig und versorgungssicher Gas bereitgestellt bekommen durch eine gemeinsame Biogasanlage", erklärt Junginger. Die Technik ist eigentlich ganz einfach:
Gülle aus Landwirtschaftsbetrieben wird fermentiert, dabei entsteht Gas, und dieses kann genutzt werden – entweder, um Strom zu produzieren oder per Direkteinspeisung ins Erdgasnetz. Anschließend kann die Gülle als Dünger weiterverwendet werden. Damit sich das rechnet, braucht es zunächst einmal aber sehr viel Gülle.
Möglichkeit vor allem für kleinere Betriebe
Auf dem Wegerhof von Heinz Raffelsieper in Wipperfürth leben etwa 700 Kühe. Die produzieren Milch, aber nicht nur das: Sie hinterlassen auch sehr viel Mist. Und den kann man nutzen. "Bei uns fallen hier im Jahr so round about 18.000 Kubikmeter Gülle an", sagt Raffelsieper.
"Und dieser Rohstoff ist ja einfach vorhanden, den muss man nicht kaufen, der ist einfach da. Dann macht es einfach Sinn, ihn zu nutzen." Auf dem Wegerhof steht deshalb eine eigene Biogasanlage, die die Gülle der Kühe zu Strom macht. Doch das geht so nicht überall.
"Einen gewissen Durchsatz muss man schon haben, damit sich das lohnt. Also so 300 Kühe sollte man dafür schon haben, damit die Wirtschaftlichkeit auch gegeben ist", erklärt Raffelsieper. Aber die meisten Landwirtschaftsbetriebe im Oberbergischen sind nicht so groß wie der Wegerhof. Deshalb soll jetzt eine gemeinsame Biogasanlage her.
Im Münsterland fließt bald schon Biogas aus Gülle
Politiker Junginger schaut sich eine Anlage in Heek an, die bald in Betrieb gehen wird und die ihm so ähnlich auch im Oberbergischen vorschwebt. Hier im Münsterland haben sich 47 Bauern zusammengetan, um ihre Gülle gemeinsam zu Biogas zu machen.
"Wir versorgen damit etwa 4.000 Haushalte mit Gas zum Heizen", erklärt Christoph Wischemann. Er ist Geschäftsführer der Betreiberfirma Bioenergie Heek-Ahle, die sie hier extra dafür gegründet haben. Die gesamte Anlage kostet etwa 27 Millionen Euro.
Nur Abfallprodukte, kein extra Anbau
In den riesigen Türmen, die bis zu 27 Meter in die Höhe ragen, sollen jährlich bis zu 135.000 Tonnen Gülle zu Biogas werden. Doch auch andere Stoffe, wie etwa Grünschnitt können hier problemlos mit verwertet werden.
Wichtig ist Wischemann, zu betonen: "Die Anlage soll ausschließlich mit Reststoffen betrieben werden. Somit gibt es hier keine Teller oder Tank-Diskussion."
Landwirte, Gaskunden und Kommunen sollen profitieren
Selbst die evangelische Kirche hat sich schon erkundigt, ob sie für ihre Gebäude Biogas aus Heek beziehen kann. Daneben produziert die Anlage dann auch noch flüssiges CO2, das für Lebensmittel, Trockeneis oder E-Fuels genutzt werden kann.
Für kleinere Bauernhöfe, die sich keine eigene Anlage leisten können, bietet das gleich mehrere Möglichkeiten: Sie können ihre Gülle gewinnbringend verwerten, bekommen aufbereiteten Dünger von höherer Qualität wieder, "und man muss auch beachten, dass wir im Winter die Gülle ja gar nicht auf die Felder ausbringen dürfen", sagt Wischemann.
"Eine solche Anlage hat eigentlich nur Vorteile", findet deshalb der Hückeswagener Politiker Junginger bei seinem Besuch in Heek. "Die Bürger haben Versorgungssicherheit, die Landwirte werden ihren Müll los, und die Gasversorger, die dahinter stehen, haben noch eine zusätzliche Einnahmequelle. Also, es ist eine Win-Win-Win-Situation, alle haben eigentlich nur einen Vorteil, und die Umwelt auch."
Der Plan: Biogas im Oberbergischen bis 2028
Vor einer Umsetzung muss allerdings noch viel analysiert und geprüft werden. Der örtliche Energieversorger BEW teilt auf Anfrage mit:
"Wir halten die Realisierung einer kommunalübergreifenden Biogasanlage für grundsätzlich machbar. Entscheidend ist eine gründliche Vorab-Analyse der dauerhaft verfügbaren Substrate, wie zum Beispiel Gülle und die Ausarbeitung eines maßgeschneiderten Anlagenkonzeptes."
Wenn die Pläne im Oberbergischen alle Hürden nehmen, soll eine Anlage dort pünktlich zur kommunalen Wärmeplanung bis 2028 in Betrieb gehen. Die Stadträte in Hückeswagen und Wipperfürth haben bereits einstimmig beschlossen, eine Umsetzung zu prüfen. Damit auch dort bald klimaneutrales Gas vom Landwirt in die Wohnhäuser fließt.
Unsere Quellen:
- BEW
- Interview mit Oliver Junginger, FaB Hückeswagen
- Bioenergie Heek-Ahle GmbH & Co. KG
- Interview mit Christoph Wischemann, Geschäftsführer Bioenergie Heek-Ahle
- Interview mit Landwirt Heinz Raffelsieper, Wegerhof Wipperfürth
Über dieses Thema berichtet der WDR am 21.01. auch im Radio auf WDR 2.