Fast vier von zehn Deutschen nehmen Medikamente oder andere Hilfsmittel, um besser ein- oder durchzuschlafen. Mit 57 Prozent ist der Anteil unter den 18- bis 29-Jährigen besonders hoch, wie aus einer am Montag in Leverkusen veröffentlichten Umfrage im Auftrag der Betriebskrankenkasse Pronova BKK hervorgeht.
Deutlich niedriger ist der Wert in der Altersgruppe der über 60-Jährigen. Hier nehmen nur 28 Prozent Medikamente oder andere Mittel. Für die Studie wurden im September und Oktober 2024 rund 2.000 Menschen online befragt.
Wie sieht es bei verschreibungspflichtigen Schlafmitteln aus?
22 Prozent der Deutschen nehmen verschreibungspflichtige Schlafmittel. Hier ist der Anteil der 18- bis 29-Jährigen besonders hoch: Vier von zehn Deutschen dieser Altersgruppe greifen zu solchen Medikamenten, um besser schlafen zu können.
Eine Sprecherin von Pronova BKK sagte auf WDR-Anfrage, den Versichertendaten der Krankenkasse zufolge nehmen eher ältere, vorwiegend weibliche Personen verschreibungspflichtige Schlafmittel ein. "Insofern spiegeln unsere Versichertendaten im Vergleich zur Studie eher ein anderes Bild wider", so die Sprecherin. Bei der Pronova BKK sind nach eigenen Angaben rund 620.000 Menschen versichert.
Welche Mittel sind bei den Deutschen der Studie zufolge besonders beliebt?
Besonders beliebt sind bei den Deutschen der Studie zufolge pflanzliche Schlafmittel wie Baldrian, Passionsblume, Melisse oder Hopfen. Diese Präparate, die nicht verschreibungspflichtig sind, werden von 29 Prozent der Befragten eingenommen. Fast genauso viele greifen zu melatoninhaltigen Produkten - ein körpereigenes Hormon, das den Schlaf-Wach-Rhythmus reguliert.
Was bringen Melatonin-Sprays oder -Bonbons?
Melatonin-Präparate gehören zu den Verkaufsschlagern in Apotheken und Drogerien. Sie versprechen, dass man dadurch schneller einschläft. Bei den einen hilft es besser, bei anderen gar nicht. Die Studienlage zu Langzeitwirkungen und gesundheitlichen Risiken von Melatonin ist noch zu dünn, um exakte Aussagen zu Wirksamkeiten treffen zu können.
Das Bundesinstitut für Risikobewertung rät aber insbesondere Schwangeren, Stillenden, Kindern, Jugendlichen oder Personen mit bestimmten Vorerkrankungen davon ab, diese Präparate zu nehmen. Denn noch sei wissenschaftlich nicht geklärt, inwiefern Melatonin langfristigen Einfluss auf das Hormonsystem und dessen Entwicklung habe.
Zudem können - auch bei gesunden Erwachsenen - Nebenwirkungen wie Kopfschmerzen, Blutdruckabfall, Reduktion der Körpertemperatur, Albträume, Kraftlosigkeit und Gangunsicherheit auftreten.
"Melatoninhaltige Nahrungsergänzungsmittel sollten deswegen nicht unkritisch - insbesondere über einen längeren Zeitraum - eingenommen werden", sagt BfR-Präsident Andreas Hensel. Im Zweifel gilt: Sprecht immer erstmal mit eurer Ärztin oder eurem Arzt.
Woran liegt es, dass Schlafstörungen offenbar so weit verbreitet sind?
"Schlafstörungen werden offensichtlich immer mehr zum Volksleiden", hatte Ursula Marschall, Medizinerin bei der Barmer Ersatzkasse, im Oktober vergangenen Jahres festgestellt. Sie hatte Daten ihrer Versicherten auf die Gesamtbevölkerung hochgerechnet: Demnach sind 2023 bei mehr als sechs Millionen Menschen Schlafstörungen ambulant festgestellt worden.
Einer der Hauptgründe ist demnach Stress, der uns wach hält. Grundsätzlich kann es aber viele Gründe geben, warum Menschen nachts nicht schlafen können. Zum Beispiel Schichtdienst, also ein unregelmäßiger Schlafrhythmus, gesundheitliche Probleme und die Nutzung von Elektrogeräten, also zum Beispiel das Rumscrollen abends am Handy.
Wie hoch ist die Dunkelziffer in Sachen Schlafstörungen?
Die Dunkelziffer dürfte hoch sein, da nicht jeder direkt zum Arzt geht, wenn er oder sie mal nicht einschlafen kann. Die Krankenkasse DAK hat 2017 hochgerechnet, dass sogar vier von fünf Erwerbstätigen schlecht schlafen oder einschlafen, also etwa 34 Millionen Menschen.
Wie wirkt sich das aus?
Wenn man Probleme mit dem Schlafen hat, kann sich das stark auf die Gesundheit auswirken. Das kann bei Konzentrationsschwierigkeiten und Reizbarkeit losgehen und auch das Immunsystem schwächen.
Wie schlafe ich besser und schneller ein?
Es gibt nicht DIE eine Lösung. Das ist bei jedem individuell. Aber es gibt diverse Tipps von Ärzten, Wissenschaftlern und Krankenkassen, die das schnellere Einschlafen und einen besseren Schlaf fördern sollen.
1. Handys raus aus dem Schlafzimmer: Studien zeigen, dass die Handynutzung vor dem Schlafen zu verzögertem Einschlafen und schlechter Schlafqualität führt. Eine halbe Stunde vor dem Schlafen das Handy wegzulegen kann schon enorm helfen.
2. Das Schlafzimmer abdunkeln: Licht ist der Taktgeber, wenn es um den Schlaf geht. Heißt: Je dunkler der Raum ist, desto besser ist das für unseren Schlaf. Auch Schlafmasken können helfen.
3. Entspannte Musik oder ein Buch: Eintönige Sounds wie Meeresrauschen oder Hörspiele oder Podcasts mit seichten Themen helfen beim Entspannten. Auch ein Buch kann unterstützen, um auf andere Gedanken zu kommen.
4. Warm duschen: Wer gut eine Stunde vor dem Schlafengehen zehn Minuten bei 40 bis 43 Grad duscht, der schläft nachweislich besser. Der Mechanismus dahinter: Wie erhöhen kurzzeitig unsere Temperatur, die Gefäße weiten sich und geben die Wärme wieder ab. Unsere Temperatur fällt - und das ist das Einschlafsignal.
5. Kühles Zimmer: Schlafen wir ein, sinkt unsere Körpertemperatur um ein Grad. Steigt unsere Körpertemperatur, wachen wir auf. Vor allem im Sommer solltet ihr deswegen alles daransetzen, dass es im Schlafzimmer angenehm kühl ist. Optimal sind 16 bis 19 Grad.
6. Sport und Bewegung: Je mehr wir uns vorher bewegen, desto mehr bauen wir das Stresshormon Cortisol ab, das uns am Einschlafen hindert. Aber: Man sollte nicht zu spät sporteln. Zwei, drei Stunden vor dem Schlafengehen solltet ihr euch spätestens entspannen. Auch kurze Spaziergänge können Wunder wirken.
7. Kein Alkohol: Alkohol kann das Einschlafen zwar erleichtern, doch die Schlafqualität verschlechtert sich dadurch. "Der Schlaf unter Alkohol ist sehr oberflächlich und nicht effektiv. Das sollte man sein lassen", sagt Heinz-Wilhelm "Doc" Esser. Auch zu viel und zu fettiges Essen lässt uns schlechter einschlafen.
8. Gewichtsdecken: Das sind schwerere Decken als die normalen. Sie wiegen gut sechs Kilo, weil kleine Gewichte eingenäht sind. Eine kleine Studie der Universität Uppsala zeigt, dass die Nutzung der Decken die Konzentration des Schlafhormons Melatonin bei gesunden jungen Erwachsenen beim Schlafengehen erhöht.
9. Apps nutzen: Ärzte verschreiben in letzter Zeit spezielle Apps, um Schlafstörungen zu bekämpfen. Die werden auch von den Krankenkassen bezahlt und versprechen, dass sie den Schlaf analysieren und Schlafprobleme lösen helfen.
10. Kein Nickerchen machen: Den berüchtigten Sessel- oder Sofa-Schlaf am frühen Abend solltet ihr vermeiden. Er bringt den Tagesrhythmus durcheinander und verhindert häufig das anschließende Einschlafen im Bett.
11. Nur ins Bett gehen, wenn man müde ist: Viele Menschen versuchen, Schlaf zu erzwingen. Das geht aber nicht. Deswegen: Nur ins Bett gehen, wenn ihr man müde ist. Wichtig auch: "Du schläfst im Bett oder hast Sex im Bett, alles andere ist Quatsch", sagt Doc Esser. Heißt: Fernseher oder Smartphones haben da nichts zu suchen.
Und wenn das nicht hilft?
Dann ist das Beste: Aufstehen und irgendwas machen. "Am besten was langweiliges wie Bügeln. Aber bitte nicht liegenbleiben", sagt "Doc" Esser. Das ist besser, als sich die ganze Zeit herumzuwälzen. Irgendwann kommt die Müdigkeit von allein.
Wichtig: Das alles sind Tipps bei eher leichten und kurzfristigen Schlafproblemen. Wer mehrere Wochen und Monate schlecht schläft, sollte sich ärztlichen Rat holen.
Unsere Quellen:
- Nachrichtenagentur AFP
- Sprecherin von Pronova BKK auf WDR-Anfrage
- Pressemitteilung der Barmer Krankenkasse
- Interview mit Doc Esser bei WDR 2
- DAK-Gesundheitsreport 2017
- Bundesinstitut für Risikobewertung
Über dieses Thema berichten wir am 25.10.2024 auch im WDR Fernsehen und Radio.