Laut Anklage hatte er aus eigenen Antrieb Informationen zur Weiterleitung an russische Geheimdienste übermittelt. Das Gericht sprach den 54-Jährigen wegen einer geheimdienstlichen Agententätigkeit und der Verletzung des Dienstgeheimnisses schuldig. Hätte der Offizier nicht nur Dienst-, sondern Staatsgeheimnisse verraten, hätte ihm sogar lebenslange Haft gedroht.
Sein Verteidiger hatte vor Gericht gesagt, sein Mandant habe in vier Tagen alles in Schutt und Asche gelegt, was er zuvor in Jahren als pflichtbewusster Berufssoldat aufgebaut habe: "Vier Tage des Verrats, an denen er rote Linien überschritten hat. Vier Tage des völligen Versagens."
Der 54-jährige Bundeswehrsoldat wurde im August 2023 festgenommem und saß seitdem in Untersuchungshaft. Der Hauptmann hatte zuletzt beim Beschaffungsamt der Bundeswehr in Koblenz gearbeitet. Ende April hatte er ein Geständnis am Oberlandesgericht in Düsseldorf abgelegt.
Offenbar Dienstgeheimnisse verraten
Ein Vertreter der Bundesanwaltschaft sagte bei der Verlesung der Anklage, dass der 54-Jährige als Hauptmann der Bundeswehr für Systeme der elektronischen Kampfführung zuständig gewesen sei. 2022 soll er sich mehrfach an die Russische Botschaft in Berlin und das Generalkonsulat in Bonn gewandt haben, um seine Mitarbeit anzubieten.
Dabei hätte er auch einmal Dienstgeheimnisse verraten, die an den russischen Nachrichtendienst gehen sollten. Die Informationen soll der Soldat von sich aus angeboten haben.
Angst vor nuklearer Eskalation
Sein Ziel sei gewesen, "den russischen Streitkräften vor dem Hintergrund der aktuellen politischen Lage einen Vorteil zu verschaffen". Vor Gericht sagte der Berufssoldat aus, dass ihn die Angst vor einer nuklearen Eskalation des Ukraine-Krieges angetrieben hat. Deshalb wollte er seine Familie noch rechtzeitig in Sicherheit bringen. Er sei vom baldigen Einsatz taktischer Atomwaffen ausgegangen. Für die rechtzeitige Information, "wann es knallt", habe er Kontakt zur russischen Seite gesucht. "Ich habe nur diesen Weg gesehen", so der Soldat vor Gericht.
Mittlerweile bedauere er dies sehr und sehe es rückblickend als Fehler. Er sei damals in einer sehr schlechten psychischen Verfassung gewesen. "Ich war am Allerwertesten" sagte der Angeklagte weiter. Er habe 18 Kilogramm abgenommen, kaum geschlafen und sei von Ängsten geplagt gewesen.
Der Vorsitzende Richter betonte, für ihn sei die genannte Motivation sehr schwer nachvollziehbar. Es sei für den Angeklagten offenbar leichter gewesen, sein Land zu verraten, als zum Arzt zu gehen. Rückblickend sei das für ihn auch nicht nachvollziehbar, sagte der 54 -Jährige.
Durch Video auf Tiktok an Russland gewendet
In der Zeit, in der es ihm nicht gut gegangen wäre, habe sich sein Medienkonsum nach und nach auf die Plattformen Telegram und Tiktok verlagert. Dort sei er Fake News und aus dem Zusammenhang gerissenen Zitaten aufgesessen. Der Realität sei er zeitweise deutlich entrückt gewesen.
Eine Nachricht "vermutlich auf Tiktok" habe bei ihm den Impuls ausgelöst, sich an das russische Konsulat zu wenden. Der Hauptmann räumte ein, damals bei Tiktok einem pro-russischen, AfD-nahen Influencer gefolgt zu sein. Welche Nachricht das genau gewesen war, daran erinnerte er sich nicht.
Angeklagter war Mitglied der AfD
Etwa zur gleichen Zeit habe er Kontakt zur AfD aufgenommen und seine Mitgliedschaft beantragt. Nach Angaben des Gerichts war sein Aufnahmeantrag im Juli 2023 genehmigt worden. Eigenen Angaben zufolge hatte der 54-Jährige auch Kontakt zur Partei Die Linke aufgenommen. Deren grundsätzliche Ablehnung der Bundeswehr habe ihn aber abgestoßen.
Zweifel an seinem Handeln seien dem Bundeswehrsoldaten erst Ende Juli 2023 gekommen, als es ihm psychisch wieder besser gegangen sei. Inzwischen sei er aus der AfD wieder ausgetreten.
Unsere Quellen:
- Nachrichtenagentur dpa
- WDR-Reporterin vor Ort