Campino hält erste Vorlesung als Gastprofessor in Düsseldorf
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Campino hält erste Vorlesung als Gastprofessor in Düsseldorf
Stand: 02.04.2024, 20:24 Uhr
Campino, Frontmann der Punkrock-Band "Die Toten Hosen", hat am Dienstag eine Vorlesung als Gastprofessor an der Düsseldorfer Heinrich-Heine-Universität gehalten. Das Thema: "Eine Liebeserklärung an die Gebrauchslyrik". Es gab viel Applaus, heitere und sehr ernste Momente.
Von Thomas Kalus
Es gab viel Applaus für Campino im Hörsaal 3A. Ein paar Zeilen aus "Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland" (Theodor Fontane) zitierte er. Gemeinsam mit Tote-Hosen-Gitarrist Kuddel präsentiert er eine Akustik-Version von "Opelgang", einem der bekanntesten Songs der Gruppe und gedacht als Lustigmachen über aufgemotzte Styler-Autos. Er schlug auch leise Töne an, erinnerte etwa an die "tollen jüdischen Künstler", die in der NS-Zeit verfemt und verfolgt wurden. Und als er das Lied "Nur zu Besuch" anstimmte, wurde es sehr still im Saal. Das Lied handelt von Campinos verstorbener Mutter.
Bei seiner Antrittsvorlesung als Gastprofessor der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf verriet er, dass er dort jahrelang als Student für Englisch und Geschichte eingeschrieben war. "Aus terminlichen Gründen habe ich es nicht geschafft, eine Vorlesung zu besuchen", sagte Campino.
Das hat es mit der "Gebrauchslyrik" auf sich
Den Titel der Vorlesung erklärte Campino so: Der Begriff der "Gebrauchslyrik" sei ihm erstmals im Zusammenhang mit Erich Kästner begegnet. "Mit dieser Beschreibung fühle ich mich auch am wohlsten für das, was wir machen", sagte er im Hinblick auf seine Band "Die Toten Hosen".
Das liegt Campino am Herzen
Wichtig sei ihm die Freiheit, sich mit Werken zu befassen, die einem etwas sagten - ob dies ein 200 Jahre altes Gedicht sei oder mit Sprüchen an der Wand. "Mich hat das Thema, auch weil ich es selber auswählen durfte, sehr angesprungen. Ich bin voller Freude in die Vorbereitung gegangen, ich habe sehr viele Gedichte gelesen, hunderte von Gedichten. Und ich habe eine ganze Menge wiederentdeckt."
Das sei bisher eine große Freude, ein großer Spaß gewesen, "und wenn ich davon etwas heute rüberbringen kann, dann ist mein Job schon getan, glaube ich", sagte er schon während einer Pressekonferenz am Nachmittag.
Campino bewundert viele Literaten
So etwas wie ein Lieblings-Literaturwerk hat Campino offenbar nicht. "Darauf habe ich keine Antwort, es gibt so viel großartige Schriftsteller, großartige Gedichte und Texte, wenn man noch die Welt der Lieder hinzunimmt, dann weiß ich gar nicht, wo ich anfangen soll." Allerdings: Wenn er ein Gesamtwerk mitnehmen müsste und keine weitere Bücher mehr lesen dürfte, "dann wäre es Erich Kästner für mich".
Diese Rolle spielte ein weiterer berühmter Düsseldorfer
In Düsseldorf habe damals Joseph Beuys mit seinem Satz: "Jeder Mensch ist ein Künstler" ein Prinzip ausgerufen, das auch im Punk gegolten habe: "Stell Dich auf eine Bühne und spiel!" Er selbst habe sich damals an reaktionären Texten wie denen von Freddy Quinn ("Wir") abgearbeitet.
Seine besondere Zeit als Punk
Auf seine besondere Zeit als Punk ging der Musiker auch ein: "Was den Punk angeht, das sind Fragen, die hätte man mir stellen müssen im Oktober 1985, als wir hier in der Uni-Mensa aufgetreten sind. Die war danach nicht wiederzuerkennen."
Deckenleuchten waren seiner Erinnerung zufolge runtergerissen, die Klos auseinandergenommen, "das war der Moment, wo ich hier mit einem Hausverbot rechnen konnte, aber ich war es ja nicht", meinte er verschmitzt lachend. "Ich bin 61, ein Mann, der nur noch durch die Gegend schleicht. Der hält nicht mehr her für eine Revolution. Jede Generation braucht ihre eigenen Helden."
Großes Interesse für den Musiker
30.000 Menschen hatten sich um einen Platz in Campinos Vorlesung beworben, 650 passten in den größten Hörsaal der Uni. Der komplette Titel lautete: "Kästner, Kraftwerk, Cock Sparrer. Eine Liebeserklärung an die Gebrauchslyrik". Der Sänger und Songschreiber wollte sich in seiner Vorlesung auf Werke von Erich Kästner, aber auch auf Texte von den Düsseldorfer Elektro-Pionieren Kraftwerk und von englischen Punk-Bands beziehen. Campino ist nach Wolf Biermann erst der zweite Gastprofessor an der Heinrich-Heine-Universität mit musikalischem Hintergrund.
Studierende finden Gastprofessor Campino cool
Die Studierenden an der Hochschule finden es toll, dass der Sänger auf ihren Campus kommt. Die 24-jährige Marie studiert politische Kommunikation. Sie sagt: "Das ist irgendwie mal was Neues und belebt das Uni-Leben." Ihre Kommilitonin fügt hinzu: "Warum nicht den Horizont erweitern mit Leuten, die in der Praxis erfolgreich sind? Ein bisschen weniger Theorie und mehr Lebenserfahrung."
Campino hält erste Vorlesung als Gastprofessor in Düsseldorf
Lokalzeit aus Düsseldorf. 02.04.2024. 03:41 Min.. Verfügbar bis 02.04.2026. WDR.
Begehrte Vorlesung wird verlost
Gerne wären die beiden Studentinnen bei Campinos Gastvorlesung dabei gewesen. Beworben haben sie sich zwar, aber sie sind bei der Online-Verlosung leer ausgegangen. Und das, obwohl der Hosen-Frontmann im größten Hörsaal der Universität spricht.
Uni-Rektorin: "Einer der engagiertesten Musiker"
Auch Uni-Rektorin Professorin Anja Steinbeck blickt gespannt auf Campinos Hochschul-Auftritt: "Wir kennen ihn nicht nur als einen der bekanntesten Sänger des Landes, sondern auch als einen der engagiertesten und politischsten Musiker überhaupt", sagte sie im Vorfeld, "wir sind glücklich darüber, dass er diesen Ruf an der Universität seiner Heimatstadt untermauern wird." Anlässlich der Vorlesung trug sie ein Tote-Hosen-Bandshirt unter ihrem Blazer.
Campino hat vor 40 Jahren am Düsseldorfer Humboldt-Gymnasium sein Abitur gemacht. Entschieden hat sich Andreas Frege, wie er mit bürgerlichem Namen heißt, dann für eine Musikkarriere. Er selbst kommentierte die Gastprofessur mit den Worten: "Schade, dass meine Eltern nicht mehr erleben können, dass ich es im fortgeschrittenen Alter doch noch an die Uni geschafft habe."
Gastprofessoren von Helmut Schmidt bis Siegfried Lenz
Die Heine-Gastprofessur ist ein Geschenk des Landes NRW an die Uni. Inzwischen schaut sie auf eine jahrzehntelange Tradition zurück. Erster Gastdozent war 1991 der Literatur-Kritiker Marcel Reich-Ranicki. Ihm folgten Gastdozenten wie Helmut Schmidt, Joschka Fischer, Joachim Gauck, Siegfried Lenz und Klaus-Maria Brandauer.
Campinos zweite Vorlesung gibt es in drei Wochen, am 23. April. Dann doziert er zum Thema "Alle haben was zu sagen. Die Kakophonie unserer Zeit". Darüber spricht der 61-jährige Punkrocker mit dem Journalisten und Autoren Philipp Oehmke, Kulturchef beim Nachrichtenmagazin Spiegel.
Unsere Quellen:
- Campino
- Uni-Rektorin Prof. Dr. Anja Steinbeck
- Studierende der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf
- WDR-Reporter vor Ort
- dpa
- kna