Silke Gorißen (CDU) ist nur 18 Monate nach ihrer Wahl als Landwirtschaftsministerin in die NRW-Landesregierung gewechselt. Fünf Kandidaten und eine Kandidatin bewerben sich um ihre Nachfolge. Der Wahlkampf war anders als die davor.
Acht Jahre Amtszeit mit nur einem Wahlsieg
"Irgendwie ist das an mir vorbeigegangen", sagt ein Passant in der Klever Fußgängerzone, als wir ihn auf den Wahlkampf ansprechen. Plakate sind hier nur vereinzelt zu sehen. Die Nachrichten drehen sich aktuell eher um den Ukraine-Krieg oder die Fußball-WM. Und doch haben sich die Kandidaten ins Zeug gelegt, ihre Wählerschaft nicht nur auf Plakaten anzusprechen.
Dem Wahlsieger winkt immerhin eine Amtszeit von acht Jahren. Diese kommt zustande, weil die Kommunal- und Landratswahl durch die außerplanmäßige Neuwahl am Sonntag entkoppelt werden. Die Gemeindeordnung NRW sieht vor, dass es ab 2030 wieder beide Wahlen am gleichen Tag gibt.
Christoph Gerwers will vom Rathaus ins Kreishaus
Landratskandidat Christoph Gerwers (CDU)
Der Reeser Bürgermeister Christoph Gerwers (CDU) hat in den vergangenen Wochen viele Termine bei Institutionen, Vereinen, aber auch Infoständen in Fußgängerzonen hinter sich. Das alles parallel zu den Amtsgeschäften, die er als Bürgermeister zu bewältigen hat. Politisch will er den Weg seiner Vorgängerin fortsetzen, sagt er.
Die Verwaltung solle transparenter und bürgernah sein. Außerdem will er die Genehmigungsverfahren beschleunigen. Der Kreis Kleve soll unter ihm umweltfreundlicher werden und er will den ÖPNV ausbauen. Er ist der einzige Kandidat mit langjähriger Verwaltungserfahrung und sieht darin auch seine Stärke. "Ich bin zuversichtlich, dass die Wählerinnen und Wähler anerkennen, dass ich in der Lage bin, eine Verwaltung zu führen."
Welberts mit kleinem Amtsbonus
Auch Stefan Welberts (SPD) blickt auf bewegte Wochen mit vielen Terminen zurück. Der Schornsteinfegermeister und Energieberater ist als stellvertretender Landrat seit dem Wechsel von Silke Gorißen interimsweise Chef im Kreishaus. Der Job habe ihm viel Spaß gemacht, sagt er. Er hofft, dass er ihn ab dem kommenden Monat hauptberuflich ausüben kann.
Landratskandidat Stefan Welberts (SPD)
Welberts saß bisher für die SPD im Kreistag. Seine Kandidatur wird außerdem von den Grünen und der Partei Volt unterstützt. Seine Themenschwerpunkte sind Klima- und Energiepolitik. Er will einen Klimaschutzplan für den Kreis erarbeiten und Anreize für den Bau von Photovoltaik-Anlagen auf Dächern schaffen. In Zeiten von Starkregen und langen Dürrephasen will er auch den Katastrophenschutz neu aufstellen.
Guido Winkmann mit dem zweiten Anlauf
Landratskandidat Guido Winkmann
Guido Winkmann ist der einzige Kandidat, der auch bei der Wahl 2020 schon angetreten ist. Der ehemalige Bundesligaschiedsrichter und Polizist holte im ersten Wahlgang überraschend 23 Prozent der Stimmen und verpasste die Stichwahl nur knapp. Winkmann ist parteilos, wird aber von den Freien Wählern unterstützt.
Als Landrat will er längere Öffnungszeiten in den Ämtern durchsetzen. "Der Service für die Bürger muss besser werden, es kann nicht sein, dass sich Leute einen Tag freinehmen müssen, um wichtige Amtsgänge zu erledigen." Für die Mitarbeitenden in der Kreisverwaltung will er die Vier-Tage-Woche einführen, um als Arbeitgeber attraktiver für Fachkräfte zu werden. Außerdem will Winkmann ein Amt für Klimaschutz einführen.
Ralf Klapdor setzt auf Digitales
Landratskandidat Ralf Klapdor (FDP)
Ralf Klapdor sitzt schon seit 2004 für die FDP im Kreistag. Der Steuerberater und Hochschulprofessor will die Digitalisierung voranbringen. So könne man die Verwaltung bürgerfreundlicher gestalten. Außerdem will er den Breitbandausbau fördern, um mehr Investoren in den Kreis zu locken.
Er stehe für solide Kreisfinanzen, was bedeute, die Ausgabenseite im Blick zu haben und keine neuen Schulden zu machen. "Die aktuellen Verbindlichkeiten von 150 Millionen Euro müssen auch mal gedeckelt werden", sagt Klapdor. Um trotzdem Handlungsspielraum für Investitionen zu haben, soll der Kreis einen Teil seiner RWE-Aktien verkaufen, so Klapdor. Er glaubt von sich selbst, dass er nur Außenseiterchancen hat, trotzdem macht er sich Hoffnungen, in die Stichwahl einzuziehen.
Jale Solan meidet öffentliche Auftritte
Landratskandidatin Jale Solan
Jale Solan ist parteilos und die einzige Frau, die kandidiert. Sie will das duale Verwertungssystem "der Grüne Punkt" abschaffen und verspricht auf ihren Plakaten eine Rückzahlung von 300 Euro pro Einwohner. Gerne hätte der WDR mit Jale Solan, die sich auch Delilah nennt, über ihre Kandidatur gesprochen. Ihr Wahlkampfmanager Jürgen Tenter stellte jedoch die Bedingung, dass unsere Beiträge ihm vor Veröffentlichung zur Kontrolle vorgelegt werden. Da dies nicht vereinbar mit den journalistischen Standards des WDR ist, haben wir auf ein Interview mit Jale Solan verzichtet. Jale Solan hat trotz Einladung an keiner der Podiumsdiskussionen zur Landtagswahl teilgenommen.
Heinz Ferdinand Straeten fühlt sich ausgeschlossen
Landratskandidat Heinz Ferdinand Straeten (AfD)
Der Kandidat der AfD, Heinz Ferdinand Straeten, ist selbstständig im Garten- und Landschaftsbau und betreibt eine Koifarm. Er hätte gerne an den Podiumsdiskussionen teilgenommen, sei jedoch beispielsweise vom NABU oder auch Fridays for Future nicht eingeladen worden. "Ich bin nicht rechtsextrem", sagt Straeten. Er habe innerhalb der AfD auch keine rechtsextremen Tendenzen wahrgenommen. Angesprochen auf den Thüringer Fraktionschef Björn Höcke sagt er: "Höcke hat inhaltlich recht, benutzt aber die falschen Worte."
Straeten kritisiert den geplanten Ausbau der Windenergie. Außerdem sei die Verwaltung durch die Migration überlastet. Seine Kandidatur nutzt er vor allem, um eine Plattform zu haben, um über diese Themen zu sprechen. Eine realistische Chance auf einen Wahlsieg sieht er nicht: "Das Tal des Leidens muss noch viel tiefer werden, bevor die Menschen in Deutschland aufwachen und realisieren, was hier passiert."
Nachfrage bei Briefwahl hoch
Beste Chancen auf die Stichwahl rechnen sich Christoph Gerwers, Stefan Welberts und Guido Winkmann aus. Spannend wird auch der Blick auf die Wahlbeteiligung sein. Immerhin: 17 Tage vor der Wahl hatten bereits 14,5 Prozent der Wahlberechtigten Briefwahl beantragt. Das sind nur 1,5 Prozent weniger, als vor der letzten Kommunalwahl. Es besteht also Hoffnung, dass trotz Fußball-WM und erstem Advent viele Klever ihr Stimmrecht nutzen.