Kölner Missbrauchsprozess: Mütter von Kleinkindern angehört
Stand: 08.05.2023, 16:32 Uhr
Im Prozess gegen einen 33-Jährigen, der Kindern als Babysitter und Betreuer in einer Kindertagesstätte sexualisierte Gewalt angetan haben soll, sind heute Mütter als Zeuginnen vernommen worden. Die Aussagen sind erschütternd.
Von Markus Schmitz
Seit Mitte April ist das Kölner Landgericht Schauplatz eines spektakulären Prozesses um sexualisierte Gewalt gegen Kleinkinder. Angeklagt ist ein 33-jähriger Arztsohn. Heute wurden betroffene Mütter befragt. "Als an einem Abend im vergangenen Jahr die Polizei vor der Tür stand, war die Aufregung groß", sagt eine Mutter im Zeugenstand. Die Beamten waren damals erschienen, um den Eltern ein Foto ihrer Tochter zu zeigen, dass der Angeklagte gemacht hatte.
Aufnahme von zwei Jahre altem Mädchen gemacht
Dieser Abend war für die Eltern zweier Kinder, die in der betroffenen Kindertagesstätte in Köln betreut wurden, der Beginn einer erschütternden Zeit. Was auf dem Foto konkret zu sehen ist, erklärte der Vorsitzende Richter heute während der Vernehmung der Mutter nicht. Nur soviel: "Es ist in einer Situation aufgenommen, indem der Angeklagte das zwei Jahre alte Mädchen gewickelt hat". Um die Mutter zu beruhigen, ergänzt er, dass mehr als eine Video- oder Fotosequenz nicht entstanden sei - die Aufnahmen seien nach allem, was bekannt ist, auch nicht an Dritte gelangt.
Angeklagter durfte Kinder nicht wickeln
Das betreffende Mädchen wurde im Mai vergangenen Jahres in der Kita in der sogenannten Back-Up-Einrichtung betreut. Eine Möglichkeit für Eltern außerhalb der üblichen Betreuungszeiten, ihre Kinder beaufsichtigen zu lassen. Die Mutter sei immer davon ausgegangen, dass pädagogisches Fachpersonal, auch in der Back-up-Betreuung, auf die Kinder aufpasst.
Der Angeklagte war als Springer ohne Ausbildung beschäftigt. Obwohl es ihm nicht erlaubt war Kinder zu wickeln, sie bis auf wenige Ausnahmen zur Toilette zu begleiten oder sie ins Bett zu bringen, setzte er sich offenbar darüber hinweg. Auch ein Vier-Augen Prinzip bestand wohl nicht. Obwohl die Mutter ihre Tochter und ihren Sohn weiterhin in der betreffenden Kita unterbringt, würde sie eine Back-Up- Betreuung nicht mehr in Anspruch nehmen.
Zartbitter: "offene Flanke für Täter"
Die Mutter sagte zudem, dass es nach Bekanntwerden der Fälle im vergangenen Frühsommer eine Info-Veranstaltung der Kölner Beratungsstelle gegen sexuellen Missbrauch namens "Zartbitter" gab. Darin wurde das System "ungelernte" Kräfte in Back-Up- Einrichtungen einzusetzen, als "offene Flanke" oder "Einfallstor" für Täter bezeichnet. Zartbitter hatte damals unter anderem eine digitale und anonyme Konferenz organisiert, an denen etliche verunsicherte Eltern teilnahmen.
Entschuldigung des Angeklagten
Am Ende ihrer Zeugenaussage lehnte die Mutter eine Entschuldigung des Angeklagten ab. Anders verhielt sich eine weitere Zeugin, die mit ihrem Ehemann zur Aussage ins Landgericht kam. Sie sagte, dass ihre Tochter im vergangenen Jahr ebenfalls an einem Tag in der Notbetreuung untergebracht war. Ihr Mann hatte die Tochter morgens gebracht, die Mutter holte sie am Nachmittag wieder ab. Zu diesem Zeitpunkt war die Tochter mit dem Angeklagten allein in der Kita. Auch von diesem Kind hatte der Angeklagte während des Wickelns Aufnahmen gemacht.
Die Mutter gab an, dass sie davon ausgegangen sei, dass in der Kita alles geregelt und überprüft gewesen sei. In seinen Worten an die Eltern sagte der Angeklagte, dass es ihm leidtue, das Video gemacht zu haben. Auch das die Eltern so lange im Ungewissen waren, was passiert sei. Er hoffe, dass die Eltern wieder in ein normales Leben zurück kommen können.
Geständnis
Der Prozess läuft seit dem 17.April. Die Öffentlichkeit wird immer wieder ausgeschlossen, weil der Angeklagte sich zu den Taten äußert. Offenbar legt er ein umfassendes Geständnis ab. Ihm werden mehr als dreißig Taten vorgeworfen, darunter auch schwerer sexueller Missbrauch.