Mord verjährt nicht und die Polizei gibt niemals auf. Das mussten in der Vergangenheit einige Täter am eigenen Leib erfahren, die viele Jahre später noch überführt werden konnten. Neue wissenschaftliche Methoden weisen auf Spuren hin, die vor Jahren noch als unbrauchbar galten.
Jetzt gehen die Ermittler auch dem vermutlichen Sexualmord an der damals 16-jährigen Seckin Caglar in Köln-Poll nach. Der Fall aus dem Jahr 1991 ist dort bis heute unvergessen.
Seckin Caglars Bruder Basri äußert sich
Basri Caglar steht im Mittelpunkt einer sehr öffentlichkeitswirksamen Pressekonferenz von Kölner Polizei und Staatsanwaltschaft. Sie findet statt an der Straßenbahnhaltestelle Köln-Poll Markt. Dort steigt Basris Schwester Seckin Caglar am 16. Oktober 1991 in die Stadtbahnlinie 7.
An dem Tag, so erzählt es der acht Jahre jüngere Bruder Basri, endet seine Jugend. Der damals Achtjährige wird schlagartig erwachsen – gezwungenermaßen. Denn am 16. Oktober wird Seckin von einem immer noch unbekannten Täter getötet und Basri ist plötzlich das einzige Kind der Familie.
Die Polizei findet die entkleidete Leiche der 16-jährigen zwei Haltestellen weiter in einem Gebüsch. Der Vater, verstorben im Jahr 2022, hatte sie damals abholen wollen, aber nur um wenige Minuten verpasst.
Liebe für die große Schwester
Basri erzählt, er sei in der Schule danach ein sehr stilles, in sich gekehrtes Kind geworden. Die Lehrer hätten das erst verstanden, als sie über das Schicksal informiert wurden.
Die große Schwester sei für ihn immer die erste Ansprechpartnerin gewesen. Liebevoll ihm zugewandt. Das Elternhaus sei in dieser Zeit immer voll Verwandtschaft gewesen. Das habe er alles Minute für Minute mitbekommen - diese unendliche Trauer.
Damals habe er die Chance, dass der Täter gefasst wird, bei 20 Prozent gesehen. Heute sieht er sie bei 40 Prozent. Denn die Kriminaltechnik hat sich rasant weiterentwickelt.
Neue wissenschaftliche Methoden im Fall Seckin Caglar
Die Fahndung nach dem Täter wurde irgendwann ergebnislos eingestellt. Kein einziger Hinweis konnte konkretisiert werden. Allerdings wurde DNA des Täters sichergestellt. Damals gab es keinen Treffer. Jetzt gibt es aber völlig neue Methoden auch der DNA-Überprüfung.
In den kommenden Wochen werden in einem ersten Schritt 355 Männer zum DNA-Test geladen. Und wenn der Täter nicht direkt ermittelt wird, dann führt die Spur vielleicht über den Verwandtschaftsgrad zu ihm. Denn mittlerweile ist es auch möglich, DNA Verwandten zuzuordnen.
Polizeipräsident Falk Schnabel wirbt für die Massentests. Die Proben würden nur für diesen konkreten Fall ausgewertet, versichert er. Sorgen müsse sich niemand machen. Aufgeben sei keine Option, versichert er mit Blick darauf, dass die Polizei in den vergangenen Jahren viele so genannte Cold Cases - also eigentlich "kalte Fälle" - wieder aufrollt.
Viele Kölnerinnen und Kölner erinnern sich
Auch in der Linie 7 setzen Polizeikräfte ihre Ermittlungen an. Sie hängen Flyer in jede einzelne Stadtbahn auf. Die Beamtinnen und Beamten hoffen, den Fall wieder ins Bewusstsein der Menschen vor Ort zu rufen.
Bei vielen Menschen in Poll gelingt dies auf Anhieb. Ältere sprechen darüber, dass sie damals Angst hatten an der dunklen Haltestelle, wo Seckins Leben endete. Jüngere schildern, dass die Eltern sie plötzlich nach Einbruch der Dunkelheit überall abholten, damit sie nicht alleine unterwegs sein mussten.
Über das Thema berichtet die Lokalzeit aus Köln am 10.03.2023 auch im WDR-Fernsehen und im Hörfunk auf WDR 2.