Neuss plant für die Zeit nach den Handels-Riesen

Lokalzeit aus Düsseldorf 04.10.2024 03:18 Min. Verfügbar bis 04.10.2026 WDR Von Helge Drafz

Neuss plant für die Zeit nach den Handels-Riesen

Stand: 07.10.2024, 14:15 Uhr

Die Schließung des Kaufhofs hat die Stadt Neuss kalt erwischt: Ein riesiges Warenhaus stand plötzlich leer.

Von Helge Drafz

Der Betonklotz aus den 70er Jahren, direkt an der Fußgängerzone in der historischen Altstadt, stand plötzlich leer. Und niemand im Rathaus hatte spontan einen Plan in der Schublade. Deshalb lässt Neuss jetzt Konzepte für den Tag entwickeln, an dem auch die anderen Kaufhäuser schließen.

Alle Handelsexperten sagen den Kaufhäusern keine große Zukunft mehr voraus. "Ihre Epoche ist wohl zu Ende“, sagt auch der Neusser Bürgermeister Reiner Breuer von der SPD, "und deshalb müssen wir gewappnet sein.“ Eine Situation wie nach der Kaufhof-Schließung wollen er und die Mitglieder des Neusser Stadtrats nicht noch einmal erleben.

Weil im Umfeld des Kaufhof-Gebäudes ähnlich große Filialen anderer Handelsunternehmen stehen, wird die Stadt nun eine "Entwicklungs- und Machbarkeitsstudie für Neusser Einzelhandels-Großimmobilien“ in Auftrag geben. Experten eines Planungsbüros sollen Vorschläge liefern, was man mit den Häusern von "C&A“, "H&M“ oder "Woolworth" machen kann, wenn auch diese ihre Filialen in Neuss aufgeben.

Architekten-Entwurf für das Neusser Kaufhof-Gebäude

Soweit in die Zukunft plant bisher kaum eine Stadt in NRW. Denn es steht ein massiver Strukturwandel in den Innenstädten an, den viele noch nicht wahrhaben wollen. Vor rund 50 Jahren wurden die Zentren der meisten Städte sehr rabiat in große Einkaufszentren verwandelt. Diese Rolle verlieren sie durch den zunehmenden Online-Handel gerade. Fast jede Kommune ist mit der Frage konfrontiert, was mit den großen leerstehenden Gebäuden passiert.

Unterschiedliche Konzepte in anderen Städten

In Essen wurde gerade für einen verwaisten Kaufhof eine andere Handelskette als Nachmieter gefunden. Die Stadt Krefeld wird im leer stehenden Kaufhof ihre Volkshochschule unterbringen, in Wuppertal wird noch an einer Mischnutzung des denkmalgeschützten ehemaligen Kaufhofs gefeilt. Und mit jeder Kaufhaus-Schließung kommen auf die Städte neue Herausforderung zu.

Internationaler Trend ist – auch angesichts der notwendigen Mobilitäts- und Klimawende – die Rückkehr zu einer Mischnutzung der Innenstädte und zu einer kleinteiligen Bebauung. Also zurück zu dem, was man mal hatte? In Neuss etwa ließen die Stadtplaner Anfang der 70er Jahre Teile des historischen Stadtzentrums abreißen, mit alten Wohnhäusern, Handwerksbetrieben, Läden und Hinterhöfen, um Platz zu schaffen für eine Fußgängerzone mit Kaufhof, "C&A“ und anderen. Flächensanierung nannte man das. Die Bewohner mussten in die Vororte umziehen: Shopping statt Wohnen.

Neuss: Mehr Wohnen in der Stadt?

Einige Fehler dieses Stadtumbaus damals könnte man heute korrigieren, sagt der Neusser Architekt Horst Hanrath. Der 75-Jährige hat sein ganzes Leben direkt neben dem mittelalterlichen Neusser Quirinus-Münster gelebt und gearbeitet. Das Ende der Kaufhäuser biete die Chance, die Monostruktur der Innenstadt als Einkaufsmeile aufzubrechen und wieder mehr Wohnen in der Stadt zu ermöglichen. So hat der Architekt auch eine Ideenskizze für das Kaufhof-Gebäude vorgelegt.

Im Erdgeschoss stellt er sich eine große Markthalle vor, mit Marktständen, Läden und Gastronomie, und darüber würde er Wohnhäuser bauen. So komme mehr Leben auch abends und am Wochenende in die Stadt.

Stadt-Entwurf: "mixed use"

So weit geht der Entwurf nicht, den die Stadtverwaltung für das Kaufhof-Gebäude vorgelegt hat. Dieser Plan sieht im Erdgeschoss nach wie vor Geschäfte und Gastronomie vor und darüber konventionelle gewerbliche Nutzungen: Büros, Arztpraxen, Pflegedienste und als Ankermieter für eine ganze Etage die Industrie- und Handelskammer. "Mixed use“ nennt man das Konzept. Um die Planung selbst im Griff zu haben, hat die Stadt Neuss den ehemaligen Kaufhof erworben. An Wohnen habe man beim künftigen Kaufhof-Umbau nicht gedacht, dagegen spreche der geltende Bebauungsplan, sagt Bürgermeister Reiner Breuer, und den zu ändern würde zu lange dauern. Aber grundsätzlich gehöre neben dem Handel, dem Kleingewerbe, Dienstleistungen und Freizeit auch das Wohnen wieder in die Innenstadt von morgen.

Unsere Quellen:

  • Stadt Neuss
  • Recherchen des WDR-Reporters vor Ort