Am Landgericht Wuppertal hat der Prozess gegen einen 40-jährigen Mann aus Solingen begonnen. Ihm werden mehrere schwere Straftaten vorgeworfen. Er soll im März 2024 einen Brand gelegt haben, bei dem eine vierköpfige Familie ums Leben kam. Die Opfer waren 28 und 29 Jahre alt, ihre beiden Töchter erst drei Jahre und wenige Monate. Drei weitere Verletzte, darunter eine bulgarische Familie mit einem Kind, mussten laut Staatsanwaltschaft intensivmedizinisch versorgt werden. Der 40-jährige Solinger ist deshalb ab heute wegen vierfachen Mordes und 21-fachem Mordversuch angeklagt.
Angehörige sind aus Bulgarien angereist
Die Familie der Opfer ist aus Bulgarien angereist
Zu dem Prozess sind auch viele Angehörige der verstorbenen Familie gekommen. Sie tragen T-Shirts mit einem Foto der Familie. Die Familie der Opfer ist eigens aus ihrem Dorf in Bulgarien angereist, um dem Prozess beizuwohnen. Mehrere Türkisch-Dolmetscher sind vor Ort, da die Angehörigen zur türkischen Minderheit in Bulgarien gehören und besser Türkisch als Bulgarisch sprechen.
Angehörige hoffen auf Gerechtigkeit
Die Familie fordert Gerechtigkeit und hofft, dass der Angeklagte für seine Taten zur Verantwortung gezogen wird. Zum Prozessbeginn verlässt eine Angehörige weinend den Gerichtssaal. Der Vater des getöteten Familienvaters wendet seinen Blick nicht vom Angeklagten ab. Die Mutter weint, als die Anklageschrift verlesen wird. Der Angeklagte zeigt sich regungslos.
Verheerender Brand
Nach Angaben der Staatsanwaltschaft soll der Angeklagte in der Nacht des 25. März 2024 ein Mehrfamilienhaus in Solingen absichtlich in Brand gesetzt haben. Er habe mindestens einen Liter Benzin im Treppenhaus verschüttet und entzündet. Das Feuer breitete sich schnell aus und schnitt einer Familie im Dachgeschoss den Fluchtweg ab, wodurch die Eltern und ihre beiden kleinen Kinder starben.
Acht weitere Bewohner retteten sich durch Sprünge aus Fenstern und landeten auf einem Autodach. Sie erlitten dabei teils lebensgefährliche Verletzungen, ohne das geparkte Auto hätten sie vermutlich nicht überlebt, so der Nebenkläger. Unter den Betroffenen war ein Mieter aus dem ersten Obergeschoss. Er ist nach wie vor gezeichnet und besonders gespannt auf das Motiv des Angeklagten, so sein Anwalt.
Pressesprecherin und Richterin am Landgericht Dr. Salamon-Limberg
Bei dem Angeklagten soll es sich um einen ehemaligen Mieter des Hinterhauses handeln, dem nach einem Streit mit der Vermieterin und wegen Mietschulden gekündigt wurde. Die Ermittler waren dem Mann über Aufnahmen von Überwachungskameras aus der Tatnacht auf die Spur gekommen.
Weitere Brandanschläge seit 2022
Bereits im November 2022 soll der Angeklagte dasselbe Mehrfamilienhaus angezündet haben. Laut Anklage entfachte er Grillanzünder und eine brennbare Flüssigkeit, die er im Hausflur auslegte. Die Feuerwehr konnte den Brand löschen, bevor das Feuer das Treppenhaus vollständig erfasste. Damals lebten zehn Menschen im Gebäude.
Auch im Februar 2024 soll der Angeklagte erneut versucht haben, ein anderes Wohnhaus in Solingen in Brand zu setzen. Dazu verschüttete er laut Staatsanwaltschaft mehrere Liter brennbare Flüssigkeit im Treppenhaus. Das Feuer blieb jedoch oberflächlich und erlosch von selbst, ohne größeren Schaden anzurichten.
Machetenangriff im April 2024
Neben den Brandanschlägen wird dem Solinger ein brutaler Angriff auf einen Bekannten im April 2024 zur Last gelegt. Der Angeklagte soll zunächst Reizgas in die Wohnung des Opfers gesprüht haben, bevor er mit einer 45 Zentimeter langen Machete zweimal auf dessen Kopf einschlug.
Beide Männer sollen sich seit 14 Jahren gekannt haben. Zuvor soll es zwischen ihnen Streit um ein gescheitertes Drogengeschäft gegeben haben. Der Geschädigte erlitt stark blutende Kopfverletzungen. Er benötigte eine Notoperation.
Nach dem Angriff mit einer Machete durchsuchten die Ermittler die Wohnung des Verdächtigen. Dabei stießen sie auf belastendes Material im Fall des Brandanschlags, bei dem die vierköpfige Familie getötet wurde.
Psychiatrische Untersuchung des Täters
Strafverteidiger Marc Françoise
Der Solinger schwieg zu den Vorwürfen fast zehn Monate lang.Was die Brandstiftungen angehe, werde ihr Mandant weiterhin schweigen, sagten seine Strafverteidiger Marc Françoise und Jochen Ohliger. Im Fall des Machetenangriffs sieht das anders aus: Dazu werde es eine Einlassung geben, kündigte Françoise. Der Vorsitzende Richter, Jochen Kötter, setzte für den Fall bis Mitte März zehn Verhandlungstage an.
Eine psychiatrische Untersuchung ergab, dass beim Angeklagten aus Solingen bislang keine Hinweise auf eine verminderte oder aufgehobene Schuldfähigkeit vorliegen. Zwar war er den Ermittlern bereits bekannt, allerdings nur durch kleinere Delikte wie Diebstahl und Unterschlagung.
Kein fremdenfeindliches Motiv
Ein fremdenfeindliches Tatmotiv konnte laut Ermittlern bislang ausgeschlossen werden. "Der Brandanschlag hat schlimme Erinnerungen an Solingen 1993 und Verunsicherung ausgelöst", erklärte Polizeipräsident Markus Röhrl. Am 29. Mai 1993 hatten vier Rechtsextreme das Haus einer türkischen Familie angezündet, wobei fünf türkische Mädchen und Frauen ums Leben kamen.
Unsere Quellen:
- Landgericht Wuppertal
- Staatsanwaltschaft Wuppertal
- WDR-Reporter vor Ort
- dpa
Über dieses Thema berichten wir am 21.01.25 auch im WDR Fernsehen: WDR aktuell, 12.45 Uhr und im Hörfunk auf WDR 2.