Im Advent 2023 präsentierte sich Kevin P. offenbar als Mensch mit Herz für Bedürftige. Über einen Verein verteilte er Suppe an Obdachlose. Alemannia Aachen, damals Viertligist, unterstützte die Aktion, erlaubte Spendensammlungen im Stadion, schickte Spieler, Trainer und Funktionäre zu Fototerminen.
Dabei war der 37-Jährige mit den vielen Tattoos vorbestraft, seine Historie als rechtsextremer Hooligan war den Verantwortlichen bekannt. Sie glaubten wohl dennoch der Darstellung, dass P. sich von seiner Vergangenheit distanziert habe.
Hooligan arbeitete als Türsteher
Bekannt war allerdings, wo Kevin P. arbeitete: als Türsteher im Rotlichtmilieu der Aachener Antoniusstraße. Laut Anklage soll er dort kurz vor Weihnachten 2023 einen Freier attackiert haben, der in Streit mit einer Prostituierten geraten war: zunächst mit Faustschlägen, dann mit einem Baseballschläger. Schließlich soll er das am Boden liegende Opfer mit Fußtritten traktiert haben. Der Mann überlebte nur knapp und leidet bis heute unter den Folgen.
Ein Video der Tat soll Kevin P. etwa 300 Mal weitergeleitet haben. Unter anderem, so die Staatsanwaltschaft, an Alemannias Trainer Heiner Backhaus und Aufsichtsratschef Marcel Moberz. Backhaus bestreitet, die Videodatei geöffnet zu haben. Moberz behauptete zunächst, den Clip nur ein paar Sekunden lang gestartet zu haben. Ermittler wollen aber Erkenntnisse haben, dass er die Aufnahme sehr wohl kannte und anerkennend in sozialen Medien kommentierte.
Besonders brisant daran ist, dass die Polizei erst Ende Mai vergangenen Jahres von der Tat erfuhr und Kevin P. festnahm. In der Zwischenzeit ging der Hooligan weiter am Tivoli ein und aus, arbeitete auch bei einer spontanen Aufstiegsfeier der Mannschaft Ende April als Türsteher.
Alemannia-Funktionäre als Zeugen vor Gericht
Backhaus und Moberz sollen am 18. Februar als Zeugen aussagen. Allerdings steht der Aufsichtsratschef inzwischen selbst im Zentrum von Ermittlungen. Bei einer Hausdurchsuchung wurde sein Handy beschlagnahmt. Laut Staatsanwaltschaft könnte Moberz das Video nicht nur gekannt haben, ohne die Polizei zu informieren, sondern selbst weiterverbreitet haben. Nach tagelanger Bedenkzeit erklärte er am Mittwoch, sein Amt ruhen zu lassen, beteuert aber weiter seine Unschuld.
Ein weiterer Alemannia-Funktionär lässt ebenfalls seine Ämter ruhen: Dem Verwaltungsratsvorsitzenden Dieter Lübbers wird vorgeworfen, er habe Hooligan Kevin P. als Schläger für eine private Streitigkeit einer Bekannten gewinnen wollen.
Dessen Festnahme habe die Tat verhindert. Neben dem versuchten Totschlag muss sich Kevin P. wegen diverser Körperverletzungsdelikte, illegalen Waffenbesitzes und Handels mit drei Kilogramm Amphetamin verantworten. Der Prozess ist auf zehn Tage angesetzt. Ein Urteil könnte Mitte März gesprochen werden.
Aachener Hooligan wegen versuchten Totschlags vor Gericht. WDR Studios NRW. 13.02.2025. 00:44 Min.. Verfügbar bis 13.02.2027. WDR Online.
Unsere Quellen:
- Landgericht Aachen
- Reporter vor Ort
- Staatsanwaltschaft Aachen
Über dieses Thema berichtet der WDR am 13.02.2025 in der Lokalzeit aus Aachen 19:30 Uhr und im Radio auf WDR2.