Olaf Scholz und Hendrik Wüst mit Solinger Bürgermeister Tim Kurzbach

Scholz in Solingen: Gedenken, aber kein Kontakt zu den Menschen

Stand: 26.08.2024, 13:15 Uhr

Drei Tage nach dem Anschlag in Solingen hat Bundeskanzler Olaf Scholz die Stadt besucht und der Opfer gedacht. Er sprach dabei auch mit Rettern und Einsatzkräften. Aber nicht mit den Solingern selbst.

Von Alex Becker

9.15 Uhr an diesem Montagmorgen, Tag drei nach der schrecklichen Tat in Solingen. Heute wird Bundeskanzler Olaf Scholz in Solingen erwartet, rund um das Rathaus haben sich unzählige Bereitschaftswagen und unzählige Polizisten postiert.

Es ist mit Flatterband abgesperrt, Rettungswagen und Notarzt stehen parat. Und wieder, auch heute, unzählige Kamerateams aus dem ganzen Land. Ein bisschen gespenstisch ist es, wie gut hier alles bewacht ist.

Politiker kommen zusammen: Wüst, Neubaur, Reul und Kurzbach erwarten Scholz

Auf dem Foto sind die geparkten Autos der Minister zu sehen

Politiker sind vorgefahren

Die ersten lokalen Politiker stehen da, in Erwartung des Bundeskanzlers und des Ministerpräsidenten. Auch die ersten Solinger Bürger sind gekommen. NRW-Innenminister Herbert Reul ist ebenfalls wieder da, zum dritten Mal inzwischen.

Nachdem er Freitagnacht schon direkt nach der schrecklichen Tat gekommen war und erste Statements abgegeben hatte, besuchte er Solingen am Samstag erneut. Diesmal gemeinsam mit Bundesinnenministerin Nancy Faeser und NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst.

Passant macht sich Sorgen

Ein Passant ist gerade mit dem Fahrrad vorbeigekommen. Dass der Bundeskanzler kommt, das weiß er und hält deshalb an. Ein wichtiger Besuch findet er, damit das Thema auch wirklich wichtig herüberkommt. Er habe die Geschichte von Solingen immer schon verfolgt, als Deutsch-Grieche sei er hier geboren und aufgewachsen. Und er wisse langsam nicht mehr, wie das weitergehen soll: "Nicht, dass wir hier noch auf einen Bürgerkrieg zusteuern."

Technisches Berufskolleg ist mit einer Klasse vor Ort

Auf dem Foto sind zwei Schülerinnen zu sehen, die jeweils eine rote Blume in der Hand halten

Schüler des Technischen Berufskollegs kommen mit Blumen zu Scholz-Termin

Lena und Alicia sind heute mit ihrer Klasse vom Technischen Berufskolleg da. Alle tragen eine rote Blume in der Hand, die wollen sie gleich niederlegen. Denn auch aus ihrer Klasse sind einige Menschen betroffen, direkt oder indirekt. Dass der Bundeskanzler kommt und Emotionen zeigt, das finden Sie auf jeden Fall gut und wichtig.

Journalisten kommen in den abgesperrten Pressebereich nur nach mehreren Kontrollen durch die Polizei - inklusive Spürhunden, die die Taschen beschnüffeln. Die ersten Polizeiwagen fahren auf den Fronhof, den Ort des Attentats.

Ein Ort der Trauer

Auf der Bühne, die von der Veranstaltung noch steht, ist auf der LED Wand eine brennende Kerze zu sehen. Auch hier konnten die Menschen trauern, seit der Platz wieder freigegeben wurde.

Mehrere Politiker stehen vor Blumenmeer und Pressevertretern

Die Delegation um Kanzler Scholz legt Blumen nieder für die Opfer des Attentats

Die Delegation aus NRW-Ministerpräsident Wüst, Innenminister Reul, der stellvertretenden NRW-Ministerpräsidentin Neubaur, Solingens OB Kurzbach und Bundeskanzler Scholz nimmt Aufstellung vor den niedergelegten Blumen und Kerzen vor der Stadtkirche in Solingen. Dann laufen sie weiter in Richtung des Tatorts auf dem Fronhof. Der ist extra für den Bundeskanzler abgesperrt worden, so dass auch die Presseleute nicht hinterher dürfen.

Hunderte Passanten wollen Scholz sehen

Viele Pressevertreter und Bürger vor Bühne am Fronhof

Großes Interesse an Scholz-Besuch in Solingen

An allen drei Eingängen zum Fronhof haben sich inzwischen auch mehrere 100 Passanten gesammelt, die ebenfalls gerne den Bundeskanzler sehen würden. Aber nur eine kleine Menge darf wirklich hinter die Absperrung auf dem Platz.

Zwei Solinger, die im Ausland geboren wurden, aber schon seit Jahrzehnten in der Stadt leben, machen sich große Sorgen. "In dieser Fassungslosigkeit, die wir hier alle erleben seit Freitag, hoffe ich, dass er uns was Konkretes sagt darüber, was hier passiert ist, oder wie es weitergehen soll", sagt eine Frau. Einen Wechsel in der Politik müsse es auf jeden Fall geben. Und mehr Kontrollen über Menschen, die ins Land kommen.

Ein weiterer Solinger erhofft sich nicht viel vom Besuch des Kanzlers. "Die haben versprochen, versprochen, aber bis jetzt ist nichts passiert und ich glaube, es passiert auch nichts. Das ist meine Meinung." Er lebe seit 1974 in Deutschland und wisse genau, wie es früher in Solingen war. "Was jetzt hier ist, das ist ein Unterschied."

Scholz spricht, aber die Menschen können ihn nicht hören

Scholz spricht am Mikrophon

Scholz hält seine Rede zum Attentat

Der Bundeskanzler tritt schließlich vor die Mikrofone. Die Mikrofone der Presse, wohlgemerkt. Denn die Bühnentechnik, die noch da gewesen wäre für seine Ansprache, wird leider nicht genutzt. Heißt für alle umstehenden Passanten: sie bekommen wenig bis nichts mit von Scholz' Rede.

Scholz spricht von Anteilnahme, hinterlässt seinen Dank an all die Helfer vom Freitagabend und danach. Vertreter von Feuerwehr, Notdiensten und Notfallseelsorge stehen ebenfalls am Rande der Veranstaltung. Doch auch sie können weder Kanzler Scholz noch Ministerpräsident Wüst hören.

Solingens Oberbürgermeister: "Es geht nicht um Solingen"

Im Anschluss spricht noch der Solinger Oberbürgermeister Tim Kurzbach, der vor allem fordert, dass die Chiffre "Solingen" jetzt nicht missbraucht werden dürfe. Denn es gehe hier nicht um Solingen, sondern um Deutschland und die Gesellschaft insgesamt.

Nach ihren Statements verabschieden sich die Politiker und werden in ihren Autos davon gefahren. Mit Menschen in Solingen haben sie nicht gesprochen und die Menschen haben sie auch nicht gehört. Die Passanten bleiben erstaunt zurück. Und können nicht so recht glauben, dass die Ansprache des Bundeskanzlers nicht laut zu hören war. Und vor allem: dass er nicht mit den Solingern direkt gesprochen hat. Das habe man von Scholz mindestens erwartet.

Nachdenklich und wütend

Eine ältere Dame redet sich regelrecht in Rage, wie man so mit den Menschen in Solingen umgehen könne. Schließlich hätten sie in den letzten Tagen so viel erleidet - auch die, die nicht persönlich betroffen gewesen seien. Jetzt sind die Politiker weg und die Veranstaltung ist vorbei. Nachdenklich und zum Teil wütend verlassen die Menschen den Frohnhof.

Zusammenfassung Attentat Solingen

WDR Studios NRW 26.08.2024 01:51 Min. Verfügbar bis 26.08.2026 WDR Online


Olaf Scholz in Solingen

07:45 Min. Verfügbar bis 26.08.2026