Grüner Wasserstoff statt dreckiger Kohle: Klimafreundlich hergestellter Stahl ist zwar noch Zukunftsmusik, gilt aber schon jetzt als eines der wirtschaftlichen Prestigeprojekte im Ruhrgebiet. Bund und Land haben zugesagt, den Bau einer sogenannten Direktreduktionsanlage im Duisburger Stahlwerk mit zwei Milliarden Euro zu fördern. Nach aktuellem Stand soll in der Anlage schon 2027 Stahl mithilfe von Wasserstoff hergestellt werden.
Nach Berichten des Handelsblatts will der Konzern die Pläne nun aber noch einmal überprüfen. Hintergrund sollen Kostensteigerungen sein. Zu den verschiedenen Szenarien gehöre auch ein Stopp des Vorhabens, berichtet die Zeitung unter Berufung auf interne Dokumente.
“Das ist eine Katastrophe fürs Ruhrgebiet und ganz Deutschland”
Vor dem Tor 1 in Bruckhausen sind die Stahlarbeiter verunsichert. Die aktuellen Medienberichte verunsichern auch Dirk Vopel. Er ist stellvertretender Betriebsratsvorsitzender am Standort Hamborn/Beeckerwerth.
"Das ist eine Katastrophe fürs Ruhrgebiet, für Duisburg sowieso und auch für Deutschland. Wenn das nicht gelingt, dann wirft das die grüne Transformation sechs bis acht Jahre nach hinten." Es ist Tag 78 der Mahnwache - deutlich zu lesen neben einem weißen Pavillon vor den Werkstoren, der fast rund um die Uhr besetzt ist. Thyssenkrupp steckt in der Krise und so protestiert die Belegschaft gegen die Entscheidungen der Konzernspitze in den vergangenen Monaten. Da wurden Pläne bekannt, dass der Essener Mutterkonzern das Stahlunternehmen verselbständigen will.
Pläne werden regelmäßig überprüft
Thyssenkrupp betont auf WDR-Anfrage "unverändert zu seinem Bekenntnis zur grünen Transformation und zur klimaneutralen Stahlproduktion" zu stehen. In dem Statement heißt es allerdings auch, man überprüfe "fortlaufend technologie- und ergebnisoffen, was die besten und wirtschaftlich tragfähigsten Lösungen unter den jeweils gegebenen Rahmenbedingungen sind, um den Stahlbereich von Thyssenkrupp langfristig klimaneutral aufzustellen". Aktuell gehe das Unternehmen davon aus, dass die geplante Direktreduktionsanlage unter den gegebenen Rahmenbedingungen realisiert werden könne.
Habeck: Ohne grünen Umbau fehlt Zukunftsperspektive
Auch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hat sich inzwischen geäußert. Nach seinen Informationen werde der Konzern an dem Projekt festhalten, sagte er am Montag am Rande einer Pressekonferenz. "Das ist auch richtig und sinnvoll", so Habeck, "wenn man das Projekt infrage stellt, fehlt eine Zukunftsperspektive."
NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur (Grüne) teilte schriftlich mit, dass die Landesregierung sich nicht an Spekulationen beteiligen werde: "Ich nehme aber zur Kenntnis, dass bei Thyssenkrupp derzeit offensichtlich alles auf den Prüfstand gestellt wird."
Neubaur erwartet vom Konzern "Weitsicht und Fairness". Und die Ministerin schickt auch direkt eine Warnung hinterher: Bund und Land behielten sich vor, "im Falle einer Nichtumsetzung des Projekts die Projektfördermittel in voller Höhe zurückzufordern“.
Die Perspektive fehlt dann auch tausenden Thyssenkrupp-Beschäftigten wie Dirk Vopel. Das verschärft die Unruhe, die seit Monaten herrscht.
Unsere Quellen:
- Thyssenkrupp
- Thyssenkrupp-Betriebsrat Standort Duisburg-Hamborn/Beeckerwerth
- Handelsblatt
- Nachrichtenagentur Reuters
- Nachrichtenagentur AFP
- Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne)
- NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur (Grüne)