Cuma Demir freut sich über jedes Lebenszeichen seiner Familie in der Türkei. Das klappt nur über das Smartphone, wenn die Internetverbindung nicht wieder abgestürzt ist. Sein Bruder, dessen Frau und drei Kinder, haben das Erdbeben überlebt. Sie leben in Gaziantep, einer Großstadt in Südostanatolien, die besonders zerstört ist. Auch seine Eltern konnten noch rechtzeitig aus ihrem Haus laufen, bevor es einstürzte. Ihr ganzes Hab und Gut haben sie verloren.
Vier Angehörige sind unter Trümmern gestorben. "Ich kann kaum schlafen, es ist alles sehr schlimm und traurig", sagt Cuma Demir. Seit 1997 lebt er mit seiner Familie in Essen. Hier hat er sich ein Möbelunternehmen aufgebaut - mit Sitz in der Türkei und Essen. Ihm geht es sehr gut, er hat es zu Wohlstand gebracht. Umso schwerer ist es für ihn zu ertragen, dass seine Angehörigen jetzt so leiden müssen.
Die Familie in der Türkei ist psychisch sehr mitgenommen
Ihre Angehörigen in Gaziantep seien verzweifelt, traumatisiert und übermüdet, erzählt Cuma Demir. Eine Woche mussten sie im Auto schlafen. "Jetzt haben sie zum Glück ein Zelt, doch ihnen ist ständig kalt, die Kinder zittern vor Kälte", sagt er. Sorgen macht er sich vor allem um seine Eltern. Seine Mutter hat eine Gehbehinderung, braucht einen Rollator.
Großer bürokratischer Aufwand
Cuma Demirs Sohn Emrecan versucht gerade alles in die Wege zu leiten, um die Familie aus dem Erdbebengebiet herauszuholen. Sie hätten Platz zu Hause und könnten sogar 15 Leute aufnehmen. Zwei Tage nach dem Erdbeben hat er beim Ausländeramt in Essen online einen Antrag gestellt, jetzt wartet er auf einen persönlichen Termin. Nur Angehörige ersten und zweiten Grades dürfen für maximal drei Monate hier aufgenommen werden. Dafür musste er eine Verpflichtungserklärung ausfüllen, dass er für alle Kosten seiner Familie aufkommt. Dafür sind allerhand Nachweise vorzulegen, auch das Einkommen.
Die Pässe liegen unter Trümmern
Wird der Antrag bewilligt, müssen die Angehörigen zur deutschen Botschaft in Ankara oder Istanbul, um ein Visum zu beantragen. Doch sie haben keine Pässe mehr, die liegen unter den Trümmern ihres Hauses. Deshalb muss erst ein vorläufiger Reisepass ausgestellt werden und das kann mehrere Wochen dauern. In Bochum soll ab kommender Woche ein Sonderservice für schnelle Hilfe für türkische Angehörige eingerichtet werden. Dafür werden gerade drei Mitarbeiter des Ausländeramtes geschult.
Der achtjährige Yigit Cakmak ist wieder mit seiner Mutter vereint. Rettungskräfte im türkischen Hatay hatten den Jungen zuvor aus den Trümmern gerettet - nach 52 Stunden.
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Essener Unternehmerfamilie spendet 600 Matratzen in die Türkei
Während die Demirs auf Antworten der Behörden warten, haben sie bereits auch für andere Betroffene vor Ort eine Hilfsaktion angestoßen. 600 Matratzen haben sie gespendet und in das Erdbebengebiet geliefert. Weitere 1000 werden gerade in der Türkei produziert. Jetzt können sie nur hoffen, dass die Anträge zügig bearbeitet werden und sie ihre Familie bald bei sich haben.