Jette streicht über den gepunkteten Hals ihres Pferdes. Der Rand des Reitplatzes ist gefüllt von Zuschauenden. Jette nimmt die Zügel auf. Jetzt wird es ernst. Sie grüßt die Richterinnen. Dann geht es los. Jette und ihr Pferd Milo nehmen das erste Hindernis.
Doch was an diesem Wochenende auf dem Stüterhof in Hattingen stattfindet, ist kein normales Reitturnier. Rund 120 Teilnehmerinnen haben sich hier für den Hobby Horsing Cup angemeldet – ein Turnier auf Steckenpferden. Eines der wenigen in der Region, erst recht in dieser Größenordnung.
Das Ziel: Echtes Reiten genau nachahmen
Es ist auch Jettes erstes Hobby Horsing Turnier. Die Zehnjährige ist aufgeregt. Trotzdem nimmt sie jeden Sprung mit Bravour. Ihre Wertnote: 7,9 von von 10. Ob das für eine gute Platzierung reichen wird?
"Wichtig ist, dass man mit den Fußspitzen als erstes aufkommt, dass man im richtigen Galopp ist, wie man die Zügel hält", erklärt Jette nach ihrer Prüfung. Das Ziel: Bewegungsmuster möglichst genau so nachzumachen wie beim echten Reiten.
Immer größerer Markt für Hobby-Horse-Zubehör
17 Prüfungen mit verschiedenen Schwierigkeitsgraden stehen für heute auf dem Plan, von Dressur bis zum Geländespringen. Eigentlich reitet Jette auf dem Stüterhof auch echte Pferde. Neben dem Steckenpferd-Training zu Hause bekommt sie hier aber auch einmal pro Woche Unterricht im Hobby Horsing.
"Man muss selber viel mehr machen mit dem Selbstlaufen und man kann auch viel basteln dafür", sagt Jette. Ihre Oma näht ihre Hobby-Horses, Jette bastelt das Zubehör. Vieles gibt es an kleinen Verkaufsständen auf dem Turnier sogar fertig zu kaufen – extra für Steckenpferde.
Hobby Horsing soll Kinder gesund halten
Ursprünglich kommt der Sport aus Finnland, findet aber auch in Deutschland immer mehr Anklang. Ein offizielles Regelwerk gibt es hier noch nicht. Vieles, das sie über das Hobby Horsing weiß, hat sich Turnierorganisatorin Heike Seidel über Youtube angeeignet.
"Man sieht immer, dass die Kinder nicht mehr ganz so fit sind", sagt Seidel. Für das "echte" Reiten kam ihr das Hobby Horsing gerade recht. "Man macht Gymnastik, die Kinder müssen sich ja auch aufwärmen. Und damit hat man sie fit und sie können besser reiten."
Günstigere Alternative zum klassischen Reitsport
Hinzu kommt: Reitsport ist teuer. Viele Familien können sich das nicht leisten. Für sie ist das Hobby Horsing eine Alternative, um ihren Kindern Pferde dennoch näherzubringen.
Heike Seidel blickt in die Reithalle, in der gerade ein Mädchen ihre Beine in der Dressur-Prüfung schwingt. "Die Kinder können ihr Traumpferd mit ins Bett nehmen. Gerade für die kleinen Kinder ist das eine richtig eigene Welt".
Hobby Horsing oft belächelt
Wirklich ernst genommen wird ihr Hobby nicht immer, weiß Jette. Davon lässt sie ich aber nicht beirren: "Ich ignoriere das immer". Auch Heike Seidel hat dazu eine deutliche Haltung. Sie lacht. "Die Leute sind herzlich eingeladen, hier mal eine Stunde mitzumachen. Und dann können sie sehen, was Hobby Horsing bedeutet."
Und die Arbeit zahlt sich aus: Jette muss los zur Siegerehrung. Sie hat ihre Stilspring-Prüfung gewonnen. Die Richterinnen stecken Milo eine goldene Schleife an. Jette strahlt. Sie führt im Galopp die Ehrenrunde an. Damit hat sich ihr Milo heute wohl eine besonders große Stoff-Möhre verdient.
Unsere Quellen:
- WDR-Reporterin vor Ort
- Stüterhof Hattingen