Hat die SPD in Hamm Kontakte zu den Grauen Wölfen?
04:28 Min.. Verfügbar bis 07.08.2025.
Hat die SPD in Hamm Kontakte zu den Grauen Wölfen?
Stand: 07.08.2023, 06:00 Uhr
Welche Kontakte hat Hamms SPD-Oberbürgermeister Marc Herter zu türkischen Rechtsextremisten? Keine - sagt Herter, der zurzeit auch Interimsvorsitzender der NRW-SPD ist. Im Juni war Herter auf der Geburtstagsfeier von Aslan A., der Kontakte zu den Grauen Wölfen pflegt.
Von Christof Voigt
Marc Herter hatte im Juni die Geburtstagsfeier von Aslan A. besucht, einem Mann, der eindeutig Kontakte zu türkischen Rechtsextremisten pflegt, den Grauen Wölfen. Mit ihm war auch Ismail Erkul dort, SPD-Vizevorsitzender in Hamm. Außerdem ist Erkul seit vielen Jahren Vorsitzender des Hammer Integrationsrates.
Nach WDR-Recherchen pflegt der SPD-Vize aus Hamm schon seit Jahren Kontakte zu Aslan A.. Sowohl Ismail Erkul als auch Marc Herter bestreiten, von Aslan A.s Kontakten zu den Grauen Wölfen gewusst zu haben.
Wer ist Aslan A.?
Aslan A. macht auf seinen Social-Media-Kanälen überhaupt keinen Hehl daraus, enge Kontakte zu türkischen Rechtsextremen zu haben. Auf seinem Facebook-Profil gibt er an, Fotograf und Pressevertreter zu sein. Hier postet er viele Fotos.
Auffällig: Auf vielen Bildern wirkt er eher wie ein Teilnehmer der Veranstaltung. Und schreibt auch entsprechend darüber: Etwa, wenn er dem Gründer der rechtsextrem-türkischen Regierungspartei MHP und geistigem Vater der Grauen Wölfe oder Ülkücü-Bewegung, Alparslan Türkeş, huldigt.
Anlässlich eines Treffens in einem Ortsverein der Grauen Wölfe in Lünen im April bedankt er sich dort für eine "perfekte Umgebung". Auf anderen Bildern zeigt er sich neben einem großen Foto des verstorbenen Graue Wölfe-Musikers Ozan Arif und der "Üç Hilal"-Flagge, einer roten Fahne, auf der drei Halbmonde zu sehen sind. Diese Fahne ist ein Erkennungszeichen der Grauen Wölfe.
Viele andere Teilnehmer der Veranstaltung in Lünen zeigen hier den rechtsextremen Wolfsgruß. Aslan A. veröffentlicht diese Bilder.
Liberale Muslime warnen vor türkischem Rechtsextremismus
Eren Güvercin ist Journalist und hat auch schon für den WDR gearbeitet. Er verfolgt die Entwicklung im türkischen Extremismus und politischen Islam seit Jahren. Und er ist Mitglied der Deutschen Islamkonferenz. Er sagt:
Was sagt Hamms Oberbürgermeister Marc Herter?
Für ein Interview hat der Hammer Oberbürgermeister und Interimsvorsitzende der NRW-SPD keine Zeit und lässt uns von der Pressestelle der Stadt ein schriftliches Statement schicken. Darin distanziert sich Herter entschieden von jeglicher "Nähe zum türkischen Rechtsextremismus." Das sei "absurd". Die Geschichte sei an den Haaren herbeigezogen, Herter schreibt:
Zu Herrn A. sei er aus "Anlass des islamischen Opferfestes, gemeinsam mit dem Integrationsratsvorsitzenden Herrn Erkul eingeladen" gewesen. Über die politische Ausrichtung von A. sei ihm "nichts bekannt, auch, dass es sich um den Geburtstag des Gastgebers handelte, habe ich an dem Abend erfahren." Herrn A. kenne Herter "nur als freien Journalisten, der über Moschee-Feierlichkeiten berichtet."
Recherchen zeigen, dass Herter und Aslan A. sich schon öfter begegnet sind. Immer wieder hat A. Bilder davon in den Sozialen Netzwerken gepostet. Etwa beim Besuch des Bundesarbeitsministers Hubertus Heil vor den Kommunalwahlen 2020 in Hamm. Oder 2019 bei einer Feier in einer DITIB-Gemeinde. Im November 2020 postet Aslan A. eine Art "Best of"-Video dieser vielen Treffen und gratuliert Herter damit zu dessen Sieg bei der Wahl zum Oberbürgermeister.
Eren Güvercin kritisiert Nähe der Hammer SPD zu Grauen Wölfen
Gerade in NRW, wo viele türkischstämmige Menschen leben, habe man auf kommunaler Ebene immer wieder mit solchen Fällen zu tun, sagt Eren Güvercin, und das sei auch kein spezifisches Problem der SPD, sondern parteiübergreifend gebe es einen Mangel an Sensibilität.
Welche Verbindung hat der Hammer SPD-Vize zu Aslan A.?
Auf vielen Fotos mit Herter ist auch Ismail Erkul, der stellvertretende Vorsitzende der SPD in Hamm, zu sehen. Erkul und Aslan A. pflegen schon seit Jahren Kontakte. Das zeigen dutzende weitere Fotos im Internet. Ein Video zeigt Erkul beim Besuch der Grauen Wölfe in Lünen, gemeinsam mit Aslan. A.. Symbole der Grauen Wölfe will der Vorsitzende des Hammer Integrationsrates dort nicht erkannt haben, sagt er der Zeitung Westfälischer Anzeiger.
Das ist erstaunlich. In Lünen ist schon von außen gut zu erkennen, dass es sich hier um einen Verein der Ülkücü-Bewegung, also der Grauen Wölfe, handelt. Das steht sogar am Fenster. Auch beim Blick hinein sind Symbole der rechtsextremen Vereinigung gut zu erkennen.
Auf dem Facebook-Account des Vereins stellen die Mitglieder ihre rechte Gesinnung offen zur Schau. Auf dutzenden Fotos zeigen sie den Wolfsgruß. Beim Fastenbrechen, bei Versammlungen oder auf Fußballturnieren in Lünen. Auch Kinder und Jugendliche zeigen das rechtsextreme Symbol.
Hammer SPD-Vize Ismail Erkul weist Vorwürfe zurück
Für uns ist Ismail Erkul nur schwer zu erreichen. In einem hastigen Telefonat sagt SPD-Mann Ismail Erkul, die Kritik an seinem Auftritt dort (bei den Grauen Wölfen in Lünen) und seiner Nähe zu Aslan A. seien lächerlich. Er habe keine Zeit für ein Interview, das sei alles schlecht recherchiert, er fühle sich nicht angesprochen, es gehe ihm nicht gut. Schluss.
Morddrohungen gegen Andersdenkende
Für Civan Akbulut ist das ganz und gar nicht lächerlich. Der 22-jährige Medizinstudent und Die Linke-Politiker aus Essen wird seit Jahren von türkischen Rechtsextremisten bedroht. Er sagt, weil er kurdische Wurzeln hat und im Integrationsrat der Stadt Essen offen gegen Rechtsextremismus, auch türkischen, vorgehe: "Ich bekomme Fotos von Leichen, von Pistolen, von Waffen, von enthaupteten Personen, von vergewaltigten Frauen."
Erst vor kurzem hat Akbulut ein Foto einer Feier der Ulu Moschee (DITIB) am 15. Mai 2023 in Hamm auf Twitter veröffentlicht. Zu sehen sind dort mehr als ein Dutzend Männer und Jugendliche, die den sogenannten "Tauhid-Finger" oder den Wolfsgruß zeigen, auf einer Schürze eines Jugendlichen sind die "Üç Hilal" ("drei Halbmonde") zu sehen, eines der Symbole der Grauen Wölfe. Civan Akbulut kritisiert, dass es darauf bislang keine nennenswerten Reaktionen gegeben habe, weder von der Hammer Politik noch von der DITIB selbst.
Das mache diese Bewegung immer salonfähiger: "Solange wir wegschauen, solange wir die Symbole erlauben, solange wir zulassen, dass Moscheeverbände ohne Konsequenzen mit der Symbolik herumspielen, die Symbolik nach außen tragen, solange sind Menschen aus der Türkei, insbesondere Minderheiten, Oppositionelle, die sich gegen diese Bewegung wehren, in Gefahr."
Gefahr durch türkische Rechtsextremisten ernst nehmen
Der nordrhein-westfälische Verfassungsschutz beobachtet die Ülkücü-Bewegung seit Jahren und kommt zu dem Schluss, dass sie sich gegen den Gedanken der Völkerverständigung beziehungsweise gegen das friedliche Zusammenleben der Völker richtet und zugleich gegen den im Grundgesetz verankerten Gleichheitsgrundsatz verstößt.
Mit der Ideologie der Grauen Wölfe gehe eine "deutliche Überhöhung der türkischen Ethnie sowie eine Herabwürdigung anderer Ethnien durch das Pflegen von Feindbildern einher. Dazu gehören unter anderem Kurden und Juden, aber auch Armenier und Christen". Das sei Gift für ein gutes Miteinander, sagt der freie Journalist Eren Güvercin. Er fordert, dass die Gefahr durch türkische Rechtsextremisten in Deutschland genauso ernst genommen wird wie die Gefahr, die von deutschen Neonazis ausgeht. Güvercin, der sich neben vielen anderen Ämtern auch für den FDP-nahen Verein "Liberale Vielfalt" engagiert, sagt, die Ülkücü-Bewegung wachse und damit auch die Gefahr, dass sie in der türkischstämmigen und türkischen Community in Deutschland immer mehr zum Mainstream werden könnte. So wie das in der Türkei bereits passiert sei.
Hamms Oberbürgermeister Marc Herter hat auf Anfrage der dpa mittlerweile eine "höhere Sensibilität bei Anzeichen für extremistische Positionierungen" angekündigt, "mit der Konsequenz, Einladungen nicht anzunehmen".
Transparenzhinweis: In einer früheren Version hieß es zum Zitat des Hammer Integrationsrats-Vorsitzenden, er habe es 'einer Zeitung' gegeben. Das haben wir um die Originalquelle präzisiert.