145 Verdächtige hat die Berliner Polizei an Silvester festgenommen - sie sollen Feuerwehrleute, Rettungskräfte, Polizistinnen und Polizisten teilweise brutal attackiert haben. Teils mit Raketen, teils mit Glasflaschen und Eisenstangen. Offenbar wurden Feuerwehrautos sogar gezielt in Hinterhalte gelockt.
Nationalität der Verdächtigen veröffentlicht
Ihr Entsetzen über die Ereignisse haben in den vergangenen Tagen schon viele geäußert. Doch jetzt bekommt die Debatte noch einmal neuen Schwung. Denn was viele vorher nur vermuteten, scheint wahr: Von den 145 Verdächtigen war laut Polizei nur jeder dritte deutsch. "Die Gewalt hat einen Migrationshintergrund", schreibt die Neue Zürcher Zeitung.
Dabei ist zwar entscheidend, dass es sich bei den genannten Personen nicht um Verurteilte handelt, sondern nur um Verdächtige. Die Zusammensetzung der tatsächlichen Tätergruppe kann also durchaus anders aussehen. Aber kaum jemand bestreitet, dass es eine klare Tendenz gibt.
Gewalt als legitimes Mittel?
Diese Tendenz wirft Fragen auf. Wie lässt sich erklären, dass die Gruppe Nicht-Deutscher unter den Verdächtigen überproportional hoch scheint? Ist die nicht-deutsche Nationalität vieler Verdächtiger wirklich das Ergebnis von "gescheiterter Integration", wie es CDU-Fraktionsvize Jens Spahn formuliert? Die Meinungen dazu sind vielfältig.
Von Verachtung gegenüber dem Staat spricht etwa der Psychologe Ahmad Mansour. Die jungen Menschen wüchsen oft in patriarchalischen Strukturen auf, in denen Gewalt als legitim gelte. Die Polizei empfänden sie als schwach - deswegen sei die Polizei ein willkommenes Opfer.
Gewalt durch Entfremdung?
Doch es gibt auch andere Erkläransätze, die nichts mit falsch vermittelten Werten zu tun haben. Der Kriminologe Thomas Feltes etwa meint, Gewalt gegen Einsatzkräfte - und damit letztlich gegen den Staat - sei ein Zeichen von Entfremdung. Viele der jungen Männer fühlten sich von der Gemeinschaft ausgeschlossen; sie hätten den Eindruck, nicht dazuzugehören.
"Viele Jugendliche haben das Gefühl: 'Es ist nicht mehr unsere Gesellschaft, in der wir leben'", erklärt Feltes im Tagesthemen-Interview, "und deswegen sind wir auch nicht gezwungen, uns an die Normen und Regeln dieser Gesellschaft zu halten."
Härteres Durchgreifen gefordert
Am Ende steht immer die Frage: Wie können solche Vorfälle in Zukunft verhindert werden? Auch hier sind die Antworten unterschiedlich. Doch die Gruppe derer, die Täter härter bestraft sehen will, scheint besonders groß.
Tatsächlich werden dabei kaum schärfere Gesetze gefordert, denn die wurden in den letzten Jahren ohnehin schon deutlich strenger gefasst. Nach Ansicht von Innenministerin Nancy Faeser (SPD) wird aber der Strafrahmen zu selten ausgereizt. Auch Polizeivertreter fordern, dass Gerichte Strafen aussprechen, die sich eher an der oberen als an der unteren Grenze orientieren.
Viele Täter bleiben unbekannt
Die Richterinnen und Richter wiederum weisen solche Forderungen von sich: Sie gingen "mit einer angemessenen Strafe individuell" vor, sagt der Vorsitzende des Deutschen Richterbundes, Joachim Lüblinghoff, dem WDR. Das Problem sei eher, dass viele Täter gar nicht gefasst würden.
"Sie brauchen bei der Polizei mehr Personal", sagt Lüblinghoff, "dann müssen die Staatsanwaltschaften genug haben, und dann brauchen wir auch genügend Richterinnen und Richter."
Unklar, wie viel härtere Strafen bringen
Ob ein härteres - oder auch nur konsequenteres - Vorgehen aber tatsächlich die Gewalt stoppen kann, ist ungewiss. "Härtere Strafen wirken auf jeden Fall nicht", sagt etwa Kriminologe Feltes. Stattdessen müsse man alles daran setzen, die jungen Männer wieder zu gewinnen, die sich nicht mehr als Teil der Gesellschaft sähen.
Psychologe Mansour hält eine strengere Strafverfolgung zwar für sinnvoll. Sie könne Tätern mehr Respekt vor dem Staat einflößen. Einen weiteren wichtigen Lösungsansatz sieht er jedoch auch in der Jugendarbeit - in Schulklassen und Kulturzentren. "Mir geht es darum, die jungen Menschen zu überzeugen - von der Demokratie und unserem Rechtsstaat."