Trotz vieler Polizeieinsätze ist die Silvesternacht in mehreren Großstädten Nordrhein-Westfalens nach ersten Erkenntnissen der Polizei überwiegend glimpflich verlaufen. In einer vorläufigen Einschätzung der Landesleitstelle war am Neujahrsmorgen von einer "silvestertypischen Nacht" die Rede.
Bei Einsätzen wurden insgesamt 21 Polizistinnen und Polizisten verletzt - meist durch Knallkörper. Das waren deutlich weniger als vor einem Jahr, als 43 Beamte verletzt wurden, wie das Landesamt für Zentrale Polizeiliche Dienste mitteilte. 154 Personen wurden in Gewahrsam genommen (Vorjahr 215). 26 (Vorjahr 25) wurden vorläufig festgenommen.
Weniger Sexualdelikte an Silvester
210 Personen seien von anderen Menschen verletzt worden. Im Vorjahr waren es 238 Verletzte. Die Polizeibehörden zählten 357 Körperverletzungsdelikte. Bei den gefährlichen Körperverletzungen gab es einen leichten Anstieg um 22 auf 199 Fälle. Die Anzahl der Sexualdelikte ging um 5 auf 27 zurück.
Schwerer Unfall in Wuppertal
Die Polizei in NRW war in der Nacht mit einem Großaufgebot im Einsatz. Landesweit waren bis zu 6.600 Polizistinnen und Polizisten unterwegs - mehr als im vergangenen Jahr. An vielen Orten sprachen die Einsatzkräfte von einer normalen Silvesternacht.
In Wuppertal kam es jedoch kurz nach Mitternacht zu einem schweren Unfall in der Innenstadt. Auf der B7 hatte ein Autofahrer zunächst einen 44-Jährigen angefahren, der auf die Fahrbahn gelaufen war. Nach der Kollision kam der Autofahrer von der Straße ab und erfasste eine 44- und eine 15-Jährige. Alle Unfallopfer mussten schwer verletzt ins Krankenhaus, der 44-Jährige ist nach einer Not-OP außer Lebensgefahr.
Statt den Verletzten zu helfen, flüchtete der Fahrer und ließ seinen Wagen in einer Seitenstraße zurück. Der Halter wurde mittlerweile ermittelt. Er will aber den Wagen nicht selbst gefahren haben und auch den Namen des Fahrers nicht nennen.
Schussverletzung bei mutmaßlichem Familienstreit
In Bottrop wurde ein 36-Jähriger bei einer Messerstecherei lebensgefährlich verletzt. Bei einer Schlägerei auf der Straße sind in Gelsenkirchen zwei Menschen verletzt worden. Die Polizei vermutet einen Familienstreit als Hintergrund. Es sei auch geschossen worden, vermutlich mit einer Schreckschuss- und einer scharfen Waffe. Einer der beiden Verletzten habe eine Schussverletzung erlitten. Lebensgefahr bestand nicht. In Essen gab es einen Brand in einem hinduistischen Tempel. Ob das Feuer mit den Silvesterfeiern zu tun hat, ist noch nicht bekannt.
In Dortmund verlief die Silvesternacht laut Polizei "ohne größere Zwischenfälle". Allerdings bewarfen dort vier Jugendliche einen schlafenden Obdachlosen mit Silvesterböllern. Er wurde leicht verletzt. Die Jugendlichen erhielten Anzeigen wegen gefährlicher Körperverletzung.
Angriffe auf Einsatzkräfte in Solingen
Vereinzelt wurden Angriffe auf Einsatzkräfte gemeldet. Zu größeren Ausschreitungen kam es in Solingen im Wohngebiet um die Hasselstraße. Zunächst hatten Zeugen eine brennende Matratze auf einer Straße gemeldet. Als die Einsatzkräfte eintrafen, seien sie mit Raketen und Böllern beschossen und beworfen worden, berichtete die Polizei Wuppertal.
Als die Matratze gelöscht war, geriet kurze Zeit später eine Hecke in Brand. Auch wurde Pyrotechnik auf Balkone mehrerer Häuser geworfen. Erneut wurden Polizeikräfte und ein Rettungswagen durch Pyrotechnik gefährdet. Der Einsatz dauerte bereits über eine Stunde, als sich Unbekannte hinter einer Art Barrikade aus Müllcontainern verschanzten, die sie mit Benzin in Brand setzten.
Die Beamten forderten Verstärkung auch aus umliegenden Städten an. Der Wohnblock in Solingen wurde komplett abgeriegelt, auch eine Hundertschaft war im Einsatz. Die Polizei geht davon aus, dass 30 bis 40 Menschen im Alter von 20 bis 30 Jahren an den Angriffen beteiligt waren. Die Täter konnten laut Polizei in umliegende Wohnungen flüchten.
Außerdem kam es in Solingen am Graf-Wilhelm-Platz zu einer Messerattacke. Auch in dem Fall ermittelt die die Staatsanwaltschaft und die Feuerwehr.
Festnahmen in Duisburg
In Duisburg soll ein 14-Jähriger Polizisten mit Feuerwerkskörpern beschossen haben. Insgesamt wurden zwei Personen festgenommen. Schon zuvor hatte die Polizei auf "X" (früher Twitter) gemeldet, dass Straßenbahnen und Busse mit Feuerwerkskörpern beworfen wurden.
In Essen beschossen laut Polizei in zwei Fällen Männer Beamte mit Knallkörpern. Beide wurden vorläufig festgenommen.
Auch in Bergheim berichtete die Polizei über Angriffe mit Böllern auf Einsatzkräfte. In Kierspe (Märkischer Kreis) musste die Feuerwehr zu einer Schule ausrücken. Dort wurde das Gebäude von Unbekannten mit Molotow-Cocktails beworfen, zu größeren Schäden kam es aber nicht.
Helm und Visier bewahren Feuerwehrmann vor Verletzungen
Bei einem Brandeinsatz in Erkrath haben Unbekannte die Freiwillige Feuerwehr aus einer Gruppe heraus mit Silvesterraketen beschossen und mit Böllern beworfen. Der Einsatzleiter wurde dabei von einer Rakete am Kopf getroffen. "Dank seines Schutzhelmes und dem geschlossenen Gesichtsvisier sowie seiner Flammschutzkleidung wurde er nicht verletzt", hieß es von der Feuerwehr.
In Bielefeld wurden Einsatzkräfte des Ordnungsamtes und der Polizei mit Pyrotechnik beworfen. Ein Mann wurde in Gewahrsam genommen. In Münster zündeteten Unbekannte aus einer Gruppe heraus einen Böller und eine Rakete gegen einen Polizeiwagen. Schaden entstand dabei laut Polizei nicht.
NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) reagierte auf Meldungen wie diese erzürnt. "Es laufen immer noch zu viele Leute rum, die nicht gelernt haben, wie man miteinander umgeht", sagte Reul an Neujahr in Düsseldorf.
Besondere Lage in Köln
Besonders viele Polizisten waren in Köln unterwegs. Wegen der Terrorwarnung gab es rund um den Dom Absperrungen. Der Dom wird bereits seit Heiligabend besonders geschützt. Für Touristen ist er geschlossen, ein Gottesdienst fand am Sonntagabend aber statt - unter strengen Sicherheitskontrollen. Insgesamt sei in der Nacht auf den Feiermeilen der Domstadt weniger los gewesen als in den Vorjahren, hieß es.
Vier weitere Verdächtige nach Terrorwarnung in Gewahrsam
In Zusammenhang mit der Terrorwarnung für Köln waren in der Nacht auf Sonntag drei weitere Menschen in Gewahrsam genommen worden. Am Sonntag kam es zu einer weiteren Ingewahrsamnahme in Bochum. In einer kurzfristig anberaumten Pressekonferenz teilte der Kölner Polizeipräsident Johannes Hermanns am Sonntag mit, die Verdächtigen stünden in Verbindung mit dem 30-jährigen Tadschiken, der an Heiligabend in Wesel festgenommen wurde.
Die Gruppe soll Anschläge in Köln geplant haben, möglicherweise mit einem Auto als Anschlagsmittel. Nach ersten Angaben wurde bei den Durchsuchungen aber nichts gefunden, was "auf einen unmittelbaren" Anschlag hindeutete.
Todesfälle und schwerste Verletzungen durch Böller
Wie gefährlich Feuerwerkskörper sein können, hat sich leider auch in dieser Silvesternacht gezeigt: In Rheinland-Pfalz und in Bayern starben zwei 18-Jährige beim Abbrennen von Böllern. Wie die Polizei in Regenburg mitteilte, hatte ein junger Mann in Eschlkam im Landkreis Cham einen Böller in ein Plastikrohr geworfen. Bei der Explosion wurde er am Kopf getroffen und tödlich verletzt. Auch in Koblenz wurde ein 18-Jähriger bei der Detonation eines Böllers getötet. Die näheren Umstände sind noch nicht bekannt.
In Nordkirchen im Münsterland hat ein 13-Jähriger die rechte Hand und ein 14-Jähriger an Neujahr zwei Finger verloren. Die Jugendlichen hantierten mit Feuerwerkskörpern, die nur von besonders qualifiziertem Personal abgebrannt werden dürfen, sagt die Polizei. Wie die Jugendlichen an die Böller gekommen sind, ist Teil der Ermittlungen.
Über dieses Thema berichtet der WDR am 01.01.2024 in Hörfunk und Fernsehen.
Unsere Quellen
- Deutsche Presse Agentur
- Berichte aus den WDR-Landesstudios
- Mitteilungen der NRW-Polizei auf "X" (früher Twitter)