Zum zweiten Mal in ihrer Geschichte ist die FDP an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert. Diesmal holte sie das schlechteste Ergebnis ihrer Geschichte - damit wird die FDP nicht im nächsten Bundestag vertreten sein.
Für die 90 Bundestagsabgeordneten der FDP ist das Wahlergebnis besonders bitter. Ebenso wie ihre Mitarbeiter und die Fraktionsangestellten verlieren sie Jobs und Posten im Parlament. Auch finanziell könnte es schwierig werden, doch der scheidende Generalsekretär Marco Buschmann stellt klar: "Wir sind finanziell sehr solide aufgestellt".
Zweieinhalb Monate, nachdem sie den Bruch der Ampel-Koalition selbst mit herbeigeführt hatte, steht die liberale Regierungspartei am Abgrund. Sie muss wieder auf die Beine kommen - ohne Bundestagsfraktion, ohne Parteichef und ohne Generalsekretär.
Die Gründe sind vielschichtig, die Aussichten ungewiss. Nun ist Zeit, um sich neu aufzustellen. Ob die Partei in Zukunft wieder konkurrenzfähig sein wird, ist nicht sicher.
Wie die Liberalen jetzt agieren müssen und welche Herausforderungen es zu bewältigen gibt, beantwortet Marie-Agnes Strack-Zimmermann im Interview mit WDR 5. Neben ihrer Mitgliedschaft im FDP-Präsidium ist die aus Düsseldorf stammende Politikerin Europaabgeordnete und Vorsitzende des Verteidigungsausschusses des Europäischen Parlaments. Sie gilt als Fachfrau für Verteidigung und Militär.
WDR: Was wäre für Sie ein guter Grund, als Parteichefin zu kandidieren?
Marie-Agnes Strack-Zimmermann: Die Frage stellt sich nicht, denn wir sind ein Team. Wir saßen gestern mit dem Präsidium und dem Bundesvorstand zusammen, weil das Ergbebnis schon analysiert werden muss. Sie sagten es gerade in Ihrer Anmoderation: Wir sind 2013 aus dem Bundestag rausgewählt worden, kamen aus einer schwarz-gelben Regierung.
Jetzt kommen wir aus einer Ampel-Regierung. Also offensichtlich hat das nicht zwingend mit den Partnern zu tun, mit denen wir arbeiten, sondern hat auch anderen Gründe. Die müssen wir einfach rausbekommen, damit diese Partei sich für die nächsten vier Jahre aufstellt, um dann wieder da zu sein. Das ist eine Teamarbeit.
Wer spricht welche Gruppen an? Da bitte ich um Verständnis, dass das nicht einfach übers Knie gebrochen wird. Dazu ist die Lage zu ernst, denn dass wir nicht mehr im Bundestag sind, ist für den deutschen Liberalismus grauenvoll und ich sage Ihnen, auch in der Parteienlandschaft, weil wir werden jetzt eine sogenannte Große Koalition haben, die ja gar nicht mehr groß ist, weil die SPD ja nur noch die Hälfte dessen hat, was sie mal hatte.
Und auf der anderen Seite eine bärenstarke, radikale Opposition aus AfD und Linken, die diesem möglicherweise neuen Bundeskanzler - wenn er dann gewählt ist - natürlich das Leben nicht leichter machen wird.
Die Zukunft der FDP: "Sollten uns breiter aufstellen". WDR 5 Morgenecho - Interview. 25.02.2025. 07:22 Min.. Verfügbar bis 25.02.2026. WDR 5.
WDR: Wenn Wolfgang Kubicki sagt, er ist gefragt worden, dann scheint es eine Agenda, eine Erwartung zu geben an die Person, die nach Christian Lindner übernimmt. Sie sagten, eine ist, Ursachen zu finden. Und dann?
Strack-Zimmermann: Ich glaube, dass es die Frage sein wird, dass wir uns etwas breiter aufstellen. Wir haben starke wirtschaftsliberale Kolleginnen und Kollegen. Ich glaube, dass auch die Bürgerrechte in Zukunft wieder eine verstärkte Rolle spielen sollten.
Das heißt, ein stärkeres Angebot, damit wir eben aus unterschiedlichen Gruppen, die sich durchaus vorstellen könnten uns zu wählen, diese eben abholen. Und deswegen nochmal: Ich glaube, dass wir ein Team bilden sollten, wo wir eben diese unterschiedlichen Gruppen auch ansprechen.
WDR: Gerade mit diesem Akzent, den Sie setzen, Sozial-Liberales, Bürgerliches, droht Ihnen, soweit wir das verstehen, möglicherweise ein Streit in der Partei. Der Landesvorsitzende der FDP in Thüringen, Thomas Kemmerich, sagt: "Wenn die sich durchsetzen, mit der sozial-liberalen Ausrichtung, die mit dem starken Akzent auf Bürgerrechte, dann denke ich sogar darüber nach, eine neue, liberale Partei mitzugründen."
Strack-Zimmermann: Nein, es wird keinen Streit geben. Wenn Herr Kemmerich das will, dann sage ich ihm nur, er soll das machen. Ich finde, wir sind in einem freien Land, es wäre wahrscheinlich gut, wenn er sich darum kümmern könnte.
Ich glaube, er hat bei der letzten Wahl ein Prozent geholt. Insofern ist da noch Luft nach oben. Ich finde, in einem freien Land wie Deutschland - wo wir ja auch gerade sehen, wie sich das BSW gegründet hat - warum nicht? Warum will er das nicht probieren? Ich finde das durchaus interessant.
WDR: Das klingt nach Agnes Strack-Zimmermann, die Reisende nicht aufhält. Was sie besonders schmerzen muss, ist, dass ausgerechnet beim Thema Wirtschaftskompetenz - Kernkompetenz der FDP - nach den Wählerbefragungen die FDP nicht mal das Niveau der Grünen erreicht hat. Da müssten Sie wahrscheinlich auch was nacharbeiten?
Strack-Zimmermann: Wenn man keine Kompetenzen mehr hat oder nicht die Kompetenzen, die man eigentlich erwartet, dann ist das genau der Punkt. Warum ist das so? Wir haben nicht den Wirtschaftsminister gestellt, sondern die Grünen, die dadurch auch verloren haben.
Wenn man uns das nicht mehr zutraut, dann ist das genau der Punkt, wo man ansetzen muss. Wir haben jetzt harte vier Jahre vor uns. Ich weiß, wenn man jetzt nicht mehr im Parlament ist, hat man für die Öffentlichkeit nicht die Relevanz, weil man in diesem Augenblick nicht entscheiden kann.
Insofern ist das jetzt die Möglichkeit, um zu schauen: Warum traut man uns bestimmte Dinge nicht mehr zu? Woran hat es gelegen? Das wird jetzt unsere Aufgabe sein und die besteht aus 48 Monaten, um dann eben in vier Jahren mit einem starken Team zurückzukommen.
Ich kann Ihnen sagen, was wirklich schmerzt ist, dass wir auf den Landeslisten gerade viele gute, junge Frauen hatten - deutlich mehr als sonst - und dass die jetzt nicht die Chance bekommen haben, in den Bundestag reinzukommen, auch das Bild der Fraktion im Bundestag zu verändern, das tut mir wirklich von Herzen Leid, denn das wäre eine große Chance für uns gewesen.
WDR: Sie sind bekannt für Transparenz - erlauben Sie uns einen Einblick in die Seele der Partei. Der Generalsekretär Marco Buschmann zieht auch die Konsequenz. Er sagt, es war mein Wahlkampf, der nicht gefruchtet hat. Sie sind Teil des Präsidiums und damit auch Teil der Geschichte, die nicht gelungen ist. Setzt jetzt die Phase des Fingerpointing ein? Was hast du falsch gemacht? Oder wird alles auf Null gedreht und nochmal neu gestartet?
Strack-Zimmermann: Wir sind gemeinsam in diesen Wahlkampf gegangen. Die Basis war mega motiviert, also die, die wirklich auf der Straße stehen, in den Kreisverbänden. So auch in meiner Heimatstadt Düsseldorf.
Ich finde dieses Fingerpointing völlig überflüssig. Wenn man nicht mehr in den Bundestag kommt, hat das mehrere Gründe, die sehr unterschiedlich sein können. Auf einen zu zeigen, das ist eine Art, die ich nicht kenne und die ich auch nicht zulassen werde. So einfach ist das Leben nicht.
Es wird viele Gründe haben und da wir zusammen verloren haben, müssen wir es auch zusammen aufarbeiten, wieder nach vorne gucken und in die Gänge kommen. Wir müssen der Realität ins Auge schauen. Ich persönlich habe in Europa extrem viel zu tun. Ich leite dort den Verteidigungs- und Sicherheitsausschuss.
Ich kann Ihnen sagen, angesichts der brutalen Angriffe auf die Ukraine, angesichts eines Donald Trump, einer amerikanischen Regierung, die uns droht, den Rücken zuzudrehen oder es schon tut, haben wir enorme Herausforderungen, die ich auch als Parlamentarierin in dem Parlament mit bewältigen muss. Also langweilig wird es Marie-Agnes Strack-Zimmermann nicht.
Die Fragen stellte Uwe Schulz. Für die Online-Fassung wurde das "Morgenecho"-Interview gekürzt und sprachlich leicht angepasst.
Unsere Quellen:
- Nachrichtenagentur afp
- WDR 5 Morgenecho
- www.strackzimmermann.de