Wenn in Zukunft komplett auf die Braunkohle in NRW verzichtet wird, braucht es Alternativen, um das Land mit Strom zu versorgen. Helfen soll dann Windenergie aus dem Norden und Sonnenstrom aus dem Süden. Doch irgendwie muss der grüne Strom nach NRW transportiert werden.
Deshalb gibt es zahlreiche Großprojekte für den Ausbau des Stromnetzes. Besonders im Fokus stehen vier große Trassen, die wie "Stromautobahnen" die Erneuerbaren nach NRW transportieren sollen. Laut dem Düsseldorfer Energieministerium werden sie eine "herausragende Bedeutung für die Sicherstellung der Versorgungssicherheit" im Land haben.
Konkret geht es um die Stromverbindung A-Nord von Emden in Niedersachsen nach Meerbusch-Osterrath. Vom Süden kommend aus dem baden-württembergischen Philippsburg soll die Verbindung Ultranet nach NRW führen. Hinzu kommen zwei Projekte, für die der genaue Trassenverlauf noch nicht feststeht. Klar ist nur, dass es aus Norddeutschland kommend einmal nach Hamm und einmal nach Polsum im Kreis Recklinghausen gehen soll.
Doch die Realisierung der "Stromautobahnen" klappt in der Praxis nicht immer reibungslos. Das zeigt ein anderes großes Projekt. Erst am Montag haben die Bauarbeiten für "Suedlink" begonnen. Auf der 700 Kilometer langen Trasse soll ab 2028 Windstrom von Schleswig-Holstein nach Bayern und Baden-Württemberg transportiert werden. Ursprünglich sollte "Suedlink" schon 2022 in Betrieb gehen. Doch der Widerstand gegen die neuen Überlandleitungen war groß. Jetzt soll es eine unterirdische Leitung werden.
Das gilt auch für die Trasse A-Nord ins Rheinland. In der vergangenen Woche gingen die Aufträge für die Baufirmen raus. Veranschlagte Kosten: 1,5 Milliarden Euro. Die Trasse soll komplett unterirdisch gebaut werden. Das bedeutet, dass die Stromkabel bis zu zwei Meter tief im Boden verlegt werden.
Weniger Widerstände, mehr Kosten
Das hat offenbar dazu geführt, dass es weniger Ärger vor Ort gibt. "Wenn man mit den Beteiligten an diesem Projekt spricht, dann sagen die: Hätten wir diese 300 Kilometer oberirdisch gebaut, der Widerstand wäre viel größer gewesen", sagt Jörg Marksteiner aus der WDR-Wirtschaftsredaktion. Im Moment gebe es nicht eine einzige Bürgerinitiative.
Doch diese Ruhe hat ihren Preis. Die Kosten für das Verbuddeln der Stromleitungen sind deutlich höher als für das Aufstellen von Strommasten. "Ganz grobe Faustformel kann man sagen: Die Verlegung von Erdkabeln statt Hochspannungsleitungen ist etwa fünf bis acht mal so teuer." Diese Kosten würden auf die Verbraucher in Form der Netzentgelte auf der Stromrechnung umgelegt.
Allerdings bringt die neue Leitung auch Ersparnisse. Denn bislang wird auch Geld für Windstrom gezahlt, der wegen mangelnder Stromtrassen gar nicht transportiert werden kann und Windräder deshalb zwangsabgeschaltet bleiben. Allein durch die Trasse A-Nord sollen dann jedes Jahr 700 Millionen Euro an Ausgleichszahlungen eingespart werden.
Ärger gibt es auch noch
Doch nicht immer läuft es so reibungslos wie bei dieser großen "Stromautobahn". Denn manchmal klappt das mit dem Verbuddeln nicht. Das gilt zum Beispiel für Meerbusch-Osterrath, wo die beiden Trassen enden. Damit die Energie auch genutzt werden kann, muss sie nämlich von Gleich- in Wechselstrom umgewandelt werden. Dafür wird auf 13 Hektar eine Konverterstation gebaut. Jahrelang haben sich Bürger dagegen gewehrt. Im Mai war Grundsteinlegung.
Und auch im Kreis Arnsberg gibt es Ärger. Denn neben den vier großen neuen Stromtrassen gibt es auch noch andere Projekte in NRW. Vom Dortmunder Stadtteil Kruckel soll zum Beispiel bis nach Dauersberg in Rheinland-Pfalz eine bereits bestehende Stromtrasse ausgebaut werden.
Im idyllischen Kreuztaler "Heestal" nördlich von Siegen bedeutet das, dass die 25 Meter hohen Strommasten dann 75 Meter hoch sein sollen. Hinzu kommt noch ein großes Umspannwerk. Eine Bürgerinitiative wehrt sich und klagt gegen das Land. "Unsere Sorge ist, dass allein durch die Baumaßnahme, die werden fünf Jahre andauern, das ganze 'Heestal' auf links gedreht wird. Da wird kein Grashalm mehr stehen bleiben", sagt Anwohner Sascha Reller. Er und die Bürgerinitiative sehen das Naherholungsgebiet in Gefahr.
Pünktliche Fertigstellungen möglich
Dabei will die Bundesregierung die Planungs- und Genehmigungsverfahren eigentlich beschleunigen. Tatsächlich scheint davon in NRW schon etwas zu spüren zu sein. "Was man aus der Branche hört, macht sich das bemerkbar. Man kommt schneller voran und kann jetzt Verzögerungen aus der Vergangenheit aufholen", sagt WDR-Wirtschaftsexperte Marksteiner. A-Nord liege angeblich ein halbes Jahr vor dem Zeitplan. "Im Moment sieht es tatsächlich so aus, dass die wichtigsten Netzausbauprojekte bei uns im Westen pünktlich oder vielleicht sogar etwas eher fertig werden."
Unsere Quellen:
- Bundesnetzagentur
- Amprion
- Ministerium für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen
- dpa