Vor allem wegen möglicher Nebenwirkungen wollen sich offenbar immer weniger Menschen in NRW mit dem Impfstoff von Astrazeneca impfen lassen. Darauf deuten die Rückmeldungen aus den Impfzentren in den Kreisen und kreisfreien Städten des Landes hin.
So berichtet beispielsweise der Leiter des Impfzentrums in Bielefeld, über Menschen, die zu ihrem Impftermin erscheinen und fragen, welchen Impfstoff sie bekommen würden. "Und wenn wir Astrazeneca sagen, gehen sie wieder." Er schätzt die Quote der Ablehner auf etwa 30 Prozent.
Auch aus dem Kreis Mettmann heißt es, es gebe eine "nennenswerte Größenordnung" von Menschen mit Vorbehalten gegen den Astrazeneca-Impfstoff. Im Impfzentrum entstünden dadurch "schon mal ein bis zwei Stunden Leerlauf". In Münster wurden ebenfalls 30 Prozent der Termine durch Impfberechtigte abgesagt wurden. In erster Linie wegen Schnee und Eis in der vergangenen Woche – aber auch wegen Bedenken gegenüber Astrazeneca.
Glaubt man den Zahlen des NRW-Gesundheitsministeriums, dann sind das Ausnahmen. Insgesamt würden in den Impfzentren zum Beispiel im Rheinland nur etwa drei Prozent der Impftermine nicht wahrgenommen, beim Astrazeneca-Impfstoff seien es 3,4 Prozent. Also nur unwesentlich mehr, heißt es in einer Stellungnahme für den WDR.
Drosten verteidigt Astrazeneca-Impfstoff
Die Zurückhaltung gegenüber dem Astrazeneca-Impfstoff kann Virologe Christian Drosten nicht verstehen. "Die Impfstoffe, die wir haben, die sind extrem gut gegenüber dem, was man erwarten konnte", so Drosten im NDR-Podcast "Coronavirus-Update". "Es gibt immer irgendwo ein Haar in der Suppe und manche schauen da mit dem Vergrößerungsglas drauf."
Dieses Haar in der Suppe sind derzeit vor allem die Impfreaktionen und das damit verbundene Aussetzen der Impfungen in einigen NRW-Kommunen. Dort war die Impfung von Rettungssanitätern gestoppt worden, nachdem mehrere danach über Impfreaktionen wie Kopfschmerzen, Übelkeit oder Fieber geklagt hatten und sich krank meldeten.
Viele Menschen bekamen dadurch den Eindruck, das Vakzin des schwedisch-britischen Herstellers sei so unverträglich, dass man davon krank werde. Doch so einfach ist das nicht. Denn die Impfstopps hängen nicht damit zusammen, dass die Reaktionen darauf ungewöhnlich schwer sind, sondern vor allem damit, wer und wie geimpft wurde.
Reaktion auf Vektor-Impfstoff heftiger
Denn derzeit werden Rettungsdienste, Krankenhauspersonal und ambulante Pflegedienste in NRW ausschließlich mit dem Astrazeneca-Vakzin geimpft. Das Entscheidende ist, dass es sich dabei um einen Vektor-Impfstoff handelt, der grundsätzlich heftigere Reaktionen hervorruft als die mRNA-Impfstoffe von Biontech und Moderna.
"Dazu kommt, dass gerade im Rettungsdienst eher jüngere Menschen arbeiten", erklärt Ruth Schulz aus der WDR-Wissenschaftsredaktion. "Deren Immunsystem ist agiler und reagiert schneller und stärker auf den Impfstoff als das älterer Menschen." Auch auf die Präparate von Biontech und Moderna.
Anderere Impfreaktionen werden eher akzeptiert
Ein klarer Vergleich zwischen den Impfstoffen lässt sich aus mehreren Gründen jedoch nicht ziehen. Einerseits, weil das medizinische Personal nur mit Astrazeneca geimpft wird, auch weil die Ständige Impfkommission (StiKo) das Präparat bislang nur für 18- bis 64-Jährige empfiehlt. Andererseits, weil die Risikogruppe der Über-80-Jährigen, die mit dem Vakzin von Biontech oder Moderna geimpft wird, in den meisten Fällen nicht mehr berufstätig ist und sich somit bei Impfreaktionen nicht krank meldet.
Die Impfreaktionen auf das Astrazeneca-Präparat lassen sich aber durchaus mit denen auf andere Impfungen vergleichen. "Und dabei fällt auf, das viele Menschen die gleichen oder ähnliche, erwartbare Beschwerden eher hinnehmen, wenn es um Impfungen geht, die es ihnen zum Beispiel ermöglichen, in ein exotisches Land in den Urlaub zu fahren", sagt Ruth Schulz.
Nebenwirkungen bei der Impfung nicht mitgedacht
Sie sieht die Ursache für den vorübergehenden Impfstopp in mehreren NRW-Kommunen daher nicht beim Präparat von Astrazeneca, sondern vielmehr bei der Organisation der Impfungen. "Dass es zu Impfreaktionen kommen würde, war erwartbar", sagt sie. "Das hätte bei der Organisation berücksichtigt werden müssen und nicht zu viele Mitarbeiter gleichzeitig impfen dürfen."
In Bochum hat man aus den Erfahrungen gelernt. Mitarbeiter von Rettungs- und Pflegediensten sowie Krankenhauspersonal sollen nicht mehr in großen Gruppen, sondern eher verteilt geimpft werden.