Kontaktpersonen von Corona-Infizierten werden oft nicht getestet
Stand: 23.08.2020, 08:00 Uhr
Nach WDR-Recherchen gibt es große Lücken beim Test von Kontaktpersonen in NRW. Viele Gesundheitsämter sind zudem unterbesetzt: In zwei von drei Behörden fehlen noch immer Ärzte.
Von Martina Koch und Felix Mannheim
Die Empfehlung des Robert Koch-Instituts ist eigentlich klar: Alle Personen, die länger als 15 Minuten lang nahen Kontakt zu Corona-Infizierten hatten, sollen auf das Virus getestet werden. Unabhängig von eigenen Symptomen. Doch dieser Empfehlung folgt nur etwa ein Drittel der Gesundheitsämter in NRW. Andere bieten die Tests lediglich an – oder testen nur bei Symptomen oder nach Einzelfallentscheidungen. Zahlreiche Kontaktpersonen von Corona-Infizierten bleiben deshalb in NRW ungetestet.
Umfrage unter Gesundheitsämtern
Das zeigt eine Umfrage des WDR-Magazins Westpol unter den 54 Gesundheitsämtern in NRW. 37 haben geantwortet – und ihre Antworten machen deutlich, wie unterschiedlich die Ämter noch immer mit der Pandemie umgehen.
Während etwa Thomas Neuhaus, Gesundheitsdezernent und Krisenstabs-Leiter in Remscheid, aufgrund der RKI-Empfehlung „keinen Ermessensspielraum“ sieht und alle Kontaktpersonen testen lässt, entscheidet das Gesundheitsamt Dortmund im Einzelfall. Leiter Frank Renken erklärt: Da die Kontaktpersonen ohnehin in Quarantäne müssten, habe man bisher oft von Tests abgesehen. Auch er will jetzt mehr testen.
Corona-Hotline teils nur zu üblichen Öffnungszeiten erreichbar
Doch wie kann es sein, dass mit Kontaktpersonen von Amt zu Amt unterschiedlich umgegangen wird? NRW-Gesundheitsminister Laumann (CDU) erklärt das damit, dass der öffentliche Gesundheitsdienst in NRW „völlig kommunal“ verfasst sei. Auch in anderen Bereichen zeigen sich große Differenzen: Einzelne Gesundheitsämter sind mittlerweile per Corona-Hotline durchgehend erreichbar. Viele aber nach wie vor lediglich nur zu den üblichen Öffnungszeiten.
Ärztestellen wegen schlechterer Bezahlung unbesetzt
Und noch ein Problem gibt es bei einem großen Teil der NRW-Gesundheitsämter: In vielen sind auch mitten in der Pandemie noch Ärztestellen unbesetzt. In zwei Drittel der Ämter, die an der Westpol-Umfrage teilnahmen, sind längst genehmigte Arztstellen noch frei. Damit hat sich an der Situation seit Februar nichts gebessert. Auch damals waren laut einer Westpol-Umfrage zwei Drittel der Ämter unterbesetzt. Das Problem: Die Ärzte-Posten im öffentlichen Gesundheitsdienst werden sehr viel schlechter bezahlt, als etwa in Krankenhäusern. Deshalb „sieht die Bewerberzahl ganz schlecht aus, das muss man ganz klar sagen“, klagt Frank Renken, Gesundheitsamts-Leiter in Dortmund.
Zur Kontaktverfolgung holen die Städte und Kreise nun Mitarbeiter aus anderen Bereichen in die Gesundheitsämter. So leiden andere kommunale Aufgaben. Vor allem Städte mit hohen Schulden klagen über große Probleme. Remscheid etwa musste in den letzten Jahren etwa 300 Stellen abbauen, „das merken wir jetzt. Da ist nicht nur im Gesundheitsamt, auch in anderen Bereichen, große Belastung“, sagt Krisenstabs-Leiter Neuhaus.
Ämter an der Belastungsgrenze
Etliche Städte und Kreise schreiben dem WDR, sie seien an der Belastungsgrenze – oder sogar schon ein Stück darüber hinaus. Bund und Länder wollen mit einem Pakt zur Stärkung des öffentlichen Gesundheitsdienstes reagieren. Doch dass diese Hilfe schnell genug kommt, um die Ämter in der Corona-Pandemie zu entlasten, bezweifeln viele.
- Sendehinweis: Westpol | 23. August 2020, 19.30 Uhr