Die Miene der Kanzlerin war ernst, als sie Ende September in Berlin vor die Presse trat. Wenn man die lokalen Corona-Infektionen nicht in den Griff bekäme, müsse man an Weihnachten mit 19.200 Neuinfektionen am Tag rechnen, sagte Angela Merkel (CDU).
Merkel lag daneben mit ihrer Prognose - sie war zu niedrig angesetzt. Am Freitag meldete das Robert-Koch-Institut den vorläufigen Rekordwert von 18.681 Neuinfektionen, mit steigender Tendenz.
Mehr Corona-Patienten in Kliniken als im Frühjahr
Und mit konkreten Folgen für die Kliniken im Land. Denn inzwischen sind auch die schweren Corona-Fälle auf einem Höchststand. Wie die Landesregierung am Donnerstag mitteilte, sind derzeit 2.383 Covid-19-Patienten in NRW in stationärer Behandlung. Beim bisherigen Pandemiehöhepunkt Mitte April waren es gut 2.100 Patienten.
Die Lage auf den Intensivstationen in NRW ist derzeit noch nicht mit dem April vergleichbar. Dort liegen derzeit 463 Covid-19-Patienten, 291 müssen beatmet werden. Im April waren dort in der Spitze 720 Patienten, von denen 580 beatmet werden mussten.
Intensivmediziner rechnen mit Maximalbelegung
Doch diese Situation könnte sich schnell ändern, befürchten Klinikärzte mit Blick auf die aktuellen Infektionszahlen. Boris Böll ist Leiter der Intensivmedizin an der Uniklinik Köln und stellt sich darauf ein, dass dort in naher Zukunft Maximalbelegung herrscht. "Die Lage könnte sich hier auch wie in den Nachbarländern entwickeln", sagte er am Donnerstag dem WDR mit Blick auf die schweren Corona-Fälle in Belgien oder Frankreich.
"Bettenanzahl kann man steigern. Pfleger nicht."
Von den rund 5.600 Intensivbetten in NRW sind derzeit 1.140 nicht belegt. Und zur Not könnte man noch aufstocken. Doch darauf sollte man sich nicht verlassen. "Die Bettenanzahl kann gesteigert werden. Die Zahl der Pflegerinnen und Pfleger nicht", sagte Böll. In den Herbst- und Wintermonaten sei der Krankenstand generell höher, und dazu käme, dass sich auch immer öfter Pflegepersonal mit dem Virus infiziere.
Covid-19-Patienten liegen länger auf Intensivstation
Das Problem ist laut den Klinikärzten nicht nur die Anzahl der Covid-19-Patienten, die auf der Intensivstation landen, sondern auch die Dauer. "Die Zeit, die Covid-19-Patienten auf Intensivstationen verbringen, ist länger als bei anderen Erkrankungen", so Böll. Derzeit infizierten sich zwar noch viele Jüngere, bei denen die Krankheit meist einen milderen Verlauf nehme. Doch wenn wieder mehr Ältere erkrankten, werde es "richtig gefährlich".
Forderung nach Corona-Notfallbetrieb in Kliniken
Was kann man tun? Die Intensivmediziner hoffen, dass die beschlossenen Kontaktbeschränkungen schnell Wirkung zeigen. Uwe Janssens, Präsident der Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin, fordert eine Umstrukturierung des Klinikbetriebs. "Die Politik sollte regulatorische Maßnahmen treffen, um den Regelbetrieb der Krankenhäuser auf einen Corona-Notfallbetrieb umzustellen", sagte er am Donnerstag. Das bedeutet: Nicht notwendige OPs und Behandlungen werden verschoben, Personal und Strukturen konzentrieren sich auf Covid-19.