Bei Viren hoffen die Infizierten, dass man sich kein zweites Mal im Leben trifft. In der Regel wird diese Hoffnung auch nicht enttäuscht – man denke da nur an die Masern. Wer eine Corona-Infektion mitgemacht hat, würde die Angst vor der Pandemie unabhängig von der Schwere des Verlaufs auch gerne ablegen. Aber so einfach ist das nicht.
Es gibt keine hundertprozentige Immunität
"Es gibt nie eine hundertprozentige Immunität. Und es gibt immer wieder mal Fälle, wo jemand zum Beispiel eine Maserninfektion durchgemacht hat und dann nochmal eine zweite. Oder auch Windpocken. Das gibt es immer wieder mal. Das ist selten, aber es kommt auch vor", sagt Dr. Clara Lehmann, Infektiologin an der Uniklinik Köln.
Dasselbe gelte eben auch für Covid-19, die durch das Coronavirus SARS-Cov-2 ausgelöste Infektionskrankheit. "Bei diesen sehr hohen Infektionszahlen an Covid, die wir im Moment haben, ist es eigentlich nicht erstaunlich, dass es auch mal zu einer Zweit-Infektion kommen kann", so Lehmann.
Ende August vier Fälle von Re-Infektionen
Genährt wurde die Angst vor solchen Re-Infektionen durch vier Fälle, die Ende August bekannt wurden. In China, den USA, in Belgien und den Niederlanden waren Patienten ein zweites Mal am Coronavirus erkrankt. Alle vier hatten Infektion und Krankheit zuvor schon durchgemacht. Tatsächlich wurde festgestellt, dass es sich um eine erneute Infektion handelte, keine "verschleppte".
Dr. Jan Rybniker, Infektiologe an der Uniklinik Köln, hat einen genauen Blick auf diese vier dokumentierten Fälle geworfen. Dabei stellte er fest, dass sich das für die zweite Infektion verantwortliche Virus "leicht verändert" hatte. Seine Schlussfolgerung: "Konkret bedeutet das, dass dieser Patient wahrscheinlich durch die erste Infektion keinen Schutz hatte vor einer zweiten Infektion."
Zweite Ansteckung mit schwererem Verlauf nicht ausgeschlossen
Wer besonders gefährdet ist, lässt sich derzeit nicht sagen. Die dokumentierten Fälle sind zu wenige. Ob eine zuvor durchlebte Infektion grundsätzlich eine "Teilimmunität" verleiht ist ungewiss, da etwa ein 25-jähriger Mann in den USA nach einer Erstinfektion mit schwachen Symptomen eine zweite erlebte, die ihn letztlich sogar in die Notaufnahme eines Krankenhauses brachte, wo eine schwere Lungenentzündung diagnostiziert wurde.
Viele Fragen - wie etwa die zur Häufigkeit dieser wiederholten Ansteckung - sind noch offen. Fakt ist, dass eine zweite Ansteckung mit sogar schwererem Verlauf der Krankheit nicht ausgeschlossen werden kann. Fakt ist allerdings auch, dass sich selbst Infektionen mit Masern und Windpocken in seltenen Fällen wiederholen können.
Weitere Schutzmaßnahmen bleiben erforderlich
Was Risikoeinschätzungen betrifft, rechnet der renommierte Immunologe Anthony Fauci etwa für die USA erst Ende 2021 mit einer Rückkehr zu normalen Lebensumständen – selbst wenn es bereits vorher eine Impfung geben sollte. So lange dürfte es dauern, bis genug Menschen für einen "Schutzschirm der Immunität" geimpft sind, sagte Fauci am Freitag.
Fauci rechnet bei Corona-Impfstoffen lediglich mit einer Effizienz von 70 bis 75 Prozent. "Ich wäre überrascht, wenn wir eine Impfung wie gegen Masern bekämen, die in 97 bis 98 Prozent der Fälle wirkt – und bei der man nur die Bevölkerung zu impfen braucht, um Masern verschwinden zu lassen", sagte Fauci dem Nachrichtensender CNN.
Das mache dann auch weiterhin zusätzliche Schutzmaßnahmen erforderlich. Abstand zu halten und das Tragen einer Schutzmaske dürften also noch länger das Gebot der Stunde bleiben – auch für Menschen, die bereits infiziert waren.