Trotz steigender Infektionszahlen sind sich Bund und Länder uneins, wie die dritte Corona-Welle in Deutschland gestoppt werden soll. NRW setzt in erster Linie auf Tests, um die aktuell geltenden Lockerungen nicht zurücknehmen zu müssen. Selbst die Notbremse soll bei einer Inzidenz von über 100 nicht automatisch in Kraft treten. Das reiche aber nicht aus, sagt SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach und plädiert unter anderem für nächtliche Ausgangssperren.
"Wir brauchen etwas, was das exponentielle Wachstum jetzt hemmt und das ist mit Lockerungen nicht zu machen", so Lauterbach im WDR5-Morgenecho. Zu glauben Tests seien der Königsweg, mit dem man den Anstieg der Inzidenzzahlen in den Griff bekomme, sei ein Fehler. "Das lässt sich durch Testen nicht alleine wegbekommen." Man brauche viel mehr eine Mischung aus Maßnahmen, um die verschiedenen Pandemie-Herde unter Kontrolle zu bringen.
Pandemie-Treiber Artbeitsplatz und Schule
Diese befinden sich derzeit vor allem im privaten Bereich, am Arbeitsplatz aber auch in Alten- und Pflegeheimen, wie Ruth Schulz auf der WDR-Wissenschaftsredaktion erklärt. Auch immer mehr Kinder stecken sich mit Corona an. "Dafür gibt es zwei Gründe", erklärt Schulz. "Die Schulen waren ja lange zu. Seit vier Wochen sind sie aber wieder zumindest zum Teil geöffnet."
Zudem steckten sich immer mehr Kinder mit der britischen Virusmutation B.1.1.7 an. Da diese Variante wesentlich ansteckender sei, komme es daraufhin auch in den Familien zu mehr Infektionen. "Die neue Variante macht inzwischen schon 70 Prozent aller Infektionen in Deutschland aus", sagt Schulz.
Lauterbach fordert nächtliche Ausgangssperre
Vor diesem Hintergrund fordert Karl Lauterbach einen "letzten harten Lockdown", da die Sieben-Tage-Inzidenz sonst in wenigen Wochen über 200 liege. Um die Infektionen am Arbeitsplatz zu reduzieren, schlägt er eine Homeoffice- und Test-Pflicht für Unternehmen vor. "Es würde sehr viel bringen" die Mitarbeiter, die nicht von zuhause arbeiten können, zweimal die Woche mit einem Antigen-Test zu testen, so der Epidemiologe.
Die Infektionen im privaten Bereich könnte man laut Lauterbach mit einer befristeten nächtlichen Ausgangssperre verringern. "Wir wissen aus den Bewegungsprotokollen der Fahrzeuge und der Handydaten, dass abends sehr viele Treffen stattfinden", erklärt Lauterbach. "Das ist auch zu verstehen. Aber wir müssen es eine Zeit lang aus meiner Sicht begrenzen."
Das sei auch eine Frage der Solidarität. "Denn diejenigen, die sich jetzt einschränken würden, trifft es vielleicht selbst gar nicht so hart", so Lauterbach. Für Ältere und Menschen mit Vorerkrankungen, die kurz vor der Impfung stünden, sei eine Infektion jetzt aber ein großes Risiko.