In der Analyse sind sich die meisten Beteiligten einig: Die Zahlen der Infektionen, der Fälle auf den Intensivstationen und der Corona-Toten sind viel zu hoch. Die bisherigen Maßnahmen haben bundesweit nur zu einer Stagnation des Infektionsniveaus geführt, aber zu keiner signifikanten Senkung.
Bayerns Ministerpräsident Söder (CSU) hatte sich mit seinem Kabinett am Sonntag auf eine Verschärfung der Maßnahmen verständigt, der Landtag wird darüber abstimmen. Sollten die Neuinfektionszahlen nicht bald sinken, ist auch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) für strengere Restriktionen.
Die Bundeskanzlerin deutete ebenfalls an, dass kurzfristig eine Verschärfung nötig werden könnte. Mit den derzeitigen Maßnahmen komme das Land "nicht durch den Winter", so Angela Merkel (CDU).
Laumann setzt auf Bund-Länder-Absprache
Was bedeutet das für NRW? Landesgesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) sagte am Montag: "Sollte sich die Gesamtlage nicht zeitnah verbessern, erscheint auch bundesweit ein noch restriktiveres Vorgehen notwendig, um die Zahl der Neuinfektionen überall deutlicher zu reduzieren." Er sieht dies nicht als Abkehr von den bisherigen Vereinbarungen: "Dass Länder mit einem flächendeckend zusätzlich herausfordernden Infektionsgeschehen weitere Maßnahmen ergreifen, entspricht der Logik des gemeinsamen Beschlusses der Ministerpräsidenten und der Bundeskanzlerin." Nordrhein-Westfalen setze weiter auf den engen Schulterschluss von Bund und Ländern.
Eine eher vage Antwort, die noch keine Richtung Linie in die eine oder andere Richtung für oder gegen weitere Verschärfungen erkennen lässt.
FDP kritisiert Söder
Christof Rasche, Vorsitzender der FDP-Landtagsfraktion, kritisiert hingegen deutlich das bayerische Vorgehen: "Markus Söder predigt seit Beginn der Pandemie bundesweit einheitliche Regeln, um sie dann in markigen Worten einseitig und unabgestimmt aufzukündigen." Anders als in Bayern seien in NRW die Infektionszahlen seit dem 20. November nachgewiesen rückläufig. In der NRW-Coronaschutzverordnung sei ausdrücklich die Möglichkeit gegeben, Maßnahmen regional auszugestalten je nach Inzidenz. "Irritierend" nennt Rasche die Abkehr Söders vom Präsenzunterricht an den Schulen. In NRW gelte die aktuelle Verordnung bis 20. Dezember, wie es danach weitergeht, werde "in der Koalition, im Parlament und im Kabinett beraten".
Schulministerium: Keine Änderungen in NRW
Aus dem FDP-geführten Schulministerium hieß es, dass es weiterhin keinen flächendeckenden Wechselunterricht in den Schulen gebe, um die Pandemie einzudämmen. Das Infektionsgeschehen mache sich zwar auch an Schulen in NRW bemerkbar, die Entwicklung sei aber "erkennbar positiv". Nur 1,8 Prozent der Lehrkräfte seien derzeit in Quarantäne. Bei 0,4 Prozent sei eine Corona-Infektion bestätigt. Unter den Schülern gelte für 2,5 Prozent aktuell eine Quarantäne, bei rund 0,19 Prozent sei eine Infektion bestätigt.
SPD will striktere Regeln an Silvester
SPD-Fraktionschef Thomas Kutschaty sagte am Montag in Düsseldorf anerkennend "Bayern macht's mal wieder vor" und forderte in allen NRW-Hotspots für Klassen ab der Jahrgangsstufe 8 Wechselunterricht einzuführen. Kutschaty kritisierte zwar "den fehlenden Mumm der Landesregierung", möchte aber dann aber doch nicht alle Maßnahmen aus Bayern übernehmen. Ausgangssperren seien "ein hartes Mittel", hier könne man "mit Geboten auskommen". Die Abstandsregeln für Geschäfte seien ausreichend, sie müssten nur strikter kontrolliert werden.
Allerdings gibt es unterschiedliche Stimmen in der SPD: Karl Lauterbach, der Gesundheitsexperte der Partei, plädiert dafür die Weihnachtsferien auf vier Wochen auszudehnen. Die Schulen sollten demnach in der nächsten Woche bis einschließlich der ersten Januarwoche geschlossen werden.
Eine solche Verlängerung der Schulferien lehnte Kutschaty hingegen ab. Dies schade den Kindern und belaste ihre berufstätigen Eltern. Stattdessen forderte Kutschaty, an Weihnachten mit Geboten und Appellen zu agieren.
Einig sind sich Lauterbauch und Kutschaty jedoch bei Verboten für Silvester. Es dürfe keine Lockerungen beim Kontaktverbot geben, so Lauterbach. Aus Sicht von Kutschaty sei es nicht vertretbar, zehn Personen aus verschiedenen Haushalten zu treffen. Hier müsse es eine bundeseinheitliche Regelung geben. Maximal fünf Personen aus zwei Haushalten seien genug.
Grüne wollen Verschärfungen zwischen den Festen
Weihnachten oder Silvester strikter regulieren? Oder beides? Das ist für viele die Frage. Die Grünen im NRW-Landtag wählen einen dritten Weg: Die Zeit dazwischen müsse strikter reguliert werden, sagte die Fraktionsvorsitzende Josefine Paul dem WDR. Ausgangssperren seien "nur das schärfste Mittel", sie setzt stattdessen auf mehr Appelle an die Bevölkerung, die bereits beschlossenen Regeln einzuhalten.
Die AfD im NRW-Landtag lehnt weitergehende Corona-Maßnahmen in Nordrhein-Westfalen ab. Verschärfte Maßnahmen müssten auch überwacht werden können, aber damit seien die Behörden überfordert, sagte der stellvertretende AfD-Fraktionsvorsitzende Martin Vincentz dem WDR.
Fazit
Dass es zu einer Verschärfung der Maßnahmen kommt, erscheint nach jetzigem Stand der Dinge nicht ausgeschlossen. Wie genau sie aussehen könnten, ist offen. Genug Diskussionsstoff für die nächsten Tage.