Vor Beginn der Pandemie hat Theo Schmitz sein Smartphone kaum genutzt. Apps waren dem 80-jährigen Mönchengladbacher kein Begriff, WhatsApp ein Buch mit sieben Siegeln. "Um mich zu informieren, schaue ich mir die Fernsehnachrichten an, aber was konkret in Mönchengladbach passiert, erfahre ich da natürlich nicht", sagt er.
Was die Kommunen gegen die Pandemie tun, steht kaum im Rampenlicht. Dabei ist es fundamental wichtig, denn sie können vor Ort ganz gezielt und nah an den Menschen arbeiten.
Digitale Infos erreichen nicht alle
Oberbürgermeister Felix Heinrichs setzt auf digitale Kommunikation
In Mönchengladbach hat die Stadt unter Oberbürgermeister Felix Heinrichs einen Schwerpunkt auf die Kommunikation auf digitalen Wegen gesetzt. Über die Webseite der Stadt und soziale Netzwerke wie Facebook, Instagram und Youtube erreicht die Verwaltung tausende Gladbacher. Aber Menschen, die wie Theo Schmitz nicht digital-affin sind, fühlen sich teils zurückgelassen.
Lolli-Tests in allen Kitas
Wie der WDR-Check zeigt, funktionieren viele andere Bereiche des kommunalen Krisenmanagements in Mönchengladbach bereits gut. Die Kommune geht in einigen Punkten sogar über die vom Land geforderten Maßnahmen hinaus. Zum Beispiel gibt es mittlerweile in allen 163 Kindertagesstätten im Stadtgebiet die sogenannten "Lolli-Tests".
Personalmangel beim Ordnungsdienst
Schwieriger gestaltet sich die Kontrolle der Hygieneschutzmaßnahmen. Beim kommunalen Ordnungsdienst, kurz KOS, mangelt es an Personal - nicht erst seit Corona. Das Problem waren bislang die leeren Kassen der Stadt. Seit 2012 ist Mönchengladbach Teil des Stärkungspaktes Stadtfinanzen. "Die Pandemie reißt zusätzlich Lücken in den Haushalt", sagt Oberbürgermeister Felix Heinrichs.
Bis 2022 soll der Ordnungsdienst jetzt nach Angaben der Stadt mit sechs neuen Stellen verstärkt werden. Rund zwei Millionen Euro gibt Mönchengladbach bis 2025 dafür aus.
Mehr möglich wäre auch bei der Analyse der Infektionszahlen. Ein umfassendes Monitoring der Testergebnisse könnte helfen, zu erkennen, wo in der Stadt sich womöglich besonders viele Menschen anstecken. Offenbar gibt es bisher auch keine Aktionen, um Bürger und Unternehmen zu mehr Tests zu motivieren
Kommunikation: Vereine springen ein
Markus Effertz ist Präsident des Bürgerschützenvereins St. Hermann-Josef Speick. Er und seine Frau Katja haben vergangenes Jahr gemeinsam mit dem Verein die Hilfsaktion "Zusammen schaffen wir das" ins Leben gerufen. Das Prinzip: Sie helfen vulnerablen Gruppen im Alltag.
"Hilfebedürftige wie Risikopatienten können sich über eine zentrale Nummer bei uns melden", erklärt Katja Effertz. Über die WhatsApp-Gruppe des Schützenvereins werden dann Ehrenamtliche organisiert, die Einkäufe erledigen, Rezepte beim Arzt abholen oder den Hund ausführen. Die Gruppe hat mittlerweile mehr als 50 Mitglieder. "Oft meldet sich nach wenigen Minuten jemand, der helfen kann", sagt Effertz.
Information und Hilfestellung
Die Anfragen an den Verein steigen seit Beginn der Krise stetig. "Es geht dabei gar nicht mehr nur um Hilfestellungen, sondern oft um Information", sagt Effertz. Hin und wieder berichteten Anrufer sogar, dass die Stadt sie an den Schützenverein weiterverwiesen habe. Das stört Effertz nicht, im Gegenteil. Auch der 80-jährige Theo Schmitz bezieht mittlerweile den WhatsApp-Newsletter des Schützenvereins. Die Ehrenamtlichen helfen ihm beim Umgang mit dem Smartphone.
Krisenforscher: Kommunale Arbeit wird nicht gesehen
Krisenkommunikation sei für Kommunen eine Herausforderung, sagt Frank Roselieb, Leiter des Instituts für Krisenforschung in Kiel. Private Organisationen wie etwa Vereine könnten beim Pandemie-Management nur mithelfen. "Wenn private Initiativen die Überhand gewinnen, kommt es salopp gesagt darauf an, wie nett ihr Nachbar ist", so Roselieb.
Am schwierigsten sei es aber für Kommunen, den Menschen zu erklären, dass es die kommunale Ebene überhaupt gebe: "Es erscheint vielen, als hätten wir eine einzige Krisenmanagerin - Angela Merkel. Dabei kümmern sich Krisenstäbe und Bürgermeister um die Umsetzung vor Ort", sagt Roselieb.
Stadt: "Schwierig, alle Menschen zu erreichen"
Zwar versuche die Stadt alles – neben den Infos im Netz gebe es etwa Beilagen in einer kostenlosen Zeitung und ein Bürgertelefon, sagt Oberbürgermeister Heinrichs. Trotzdem sei es nicht leicht, alle Menschen in der Kommune zu erreichen. Er will die Vereine jetzt in eine verstärkte Kooperation mit der Stadt einbinden.
Das Grundproblem bleibt, sagt der Mönchengladbacher Oberbürgermeister: Viele Bürgerinnen und Bürger seien eben verwirrt, wenn etwas auf Bundesebene beschlossen und in der Kommune anders umgesetzt werde. "Wir hoffen, dass das nun mit der bundesweiten Notbremse einheitlicher und verständlicher wird", so Felix Heinrichs.
Über den WDR-Check:
Die Arbeit der Kommunen geht oft unter, ist aber fundamental wichtig, um die Pandemie in den Griff zu bekommen. Ein WDR-Rechercheteam aus Quarks, Wirtschaft, Regionalstudio Düsseldorf, Landespolitik und Newsroom wagt am Beispiel Mönchengladbach einen umfassenden Check: Wie steht es um das kommunale Krisenmanagement? Was läuft gut, was wären mögliche zusätzliche Maßnahmen?
Die Stadt Mönchengladbach bekam einen Fragenkatalog, den das WDR-Team auf Basis wissenschaftlicher Studien erstellt hat. Der Katalog umfasst Handlungsfelder aus drei unerlässlichen Bereichen: "Testen, Nachverfolgen und Impfen", "Kontrollieren und Unterstützen" und "Informieren und Motivieren". Die Auswertung erfolgte auf Basis von WDR-Recherchen und der Selbstauskunft der Stadt.
Über die "Modellkommune" Mönchengladbach:
Das Land Nordrhein-Westfalen hat Mönchengladbach gemeinsam mit der Nachbarstadt Krefeld als eine von 14 Modellkommunen ausgewählt: Sie sollen vor allen anderen Regionen das öffentliche Leben in Teilen wieder hochfahren - mit einer digitalen Pandemie-Bekämpfungsstrategie und unter wissenschaftlicher Begleitung. Wie in den meisten Modellkommunen liegt das Projekt aber auch in Mönchengladbach erstmal auf Eis - wegen zu hoher Inzidenz-Zahlen. Die Stadt bereitet sich nach eigenen Angaben trotzdem weiter auf einen möglichen Start vor.