"Zwei bis drei Wochen", meint NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU), würden für seinen selbsternannten "Brücken-Lockdown" reichen. Es sei jetzt absehbar, "dass schon in ganz kurzer Zeit 20 Prozent, danach 30, 40 Prozent der deutschen Bevölkerung geimpft ist", sagte er am Dienstag im ZDF-Morgenmagazin.
Nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums waren am Dienstag (06.04.2021) erst 12,7 Prozent der Bevölkerung mindestens einmal geimpft. Bis Anfang Mai, das hat Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) angekündigt, sollen 20 Prozent der Bevölkerung in Deutschland geimpft sein.
"Jetzt den Turbo starten"
Um dieses Ziel zu schaffen, müsse allerdings jetzt "der Turbo" gestartet werden, sagt Carsten Watzl, Immunologe an der TU Dortmund, am Montag im ZDF. Zusätzlich zu den täglich rund 300.000 Impfungen in den Impfzentren starten jetzt die Hausärzte, voraussichtlich mit rund 100.000 Impfungen pro Tag. Ziel aber müssten eine halbe Million Impfungen pro Tag sein, meint Watzl. Das gehe nur, wenn jetzt "ganz, ganz schnell" eine gute Impflogistik aufgebaut würde.
Im Moment sehe er aber noch Mängel auf allen Seiten, sagte Watzl: In der Logistik bei den Hausärzten, bei der Verwaltung von Impfterminen ebenso wie bei der Lieferung der Impfstoffe.
Studie rechnet Öffnungsszenarien durch
Gleichzeitig, da sind sich die meisten Mediziner und Wissenschaftler einig, sind strenge Kontaktbeschränkungen nötig. Eine Studie der Max-Planck-Gesellschaft rechnet vor, wie ein wirksamer Lockdown verbunden mit zügigen Impfungen aussehen würde. Demnach ist eine Rückkehr zum normalen Leben umso schneller möglich, je zügiger die Impfkampagne voranschreitet - vorausgesetzt, dass das Infektionsgeschehen jetzt richtig kontrolliert wird.
Das Göttinger Max-Planck-Team um die Forscherin Viola Priesemann hat in fünf Szenarien unterschiedliche Formen der Lockerungen und ihre jeweilige Auswirkung auf die Zahlen der Covid-19-Fälle durchgerechnet.
Modellrechnung der Max-Planck-Gesellschaft zu verschiedenen Arten des Lockdowns
Erläuterung der Forschenden:
Die Anzahl der sozialen Kontakte kann im Vergleich zur aktuell sehr eingeschränkten Situation allmählich steigen, wenn im Laufe des Jahres mehr und mehr Menschen geimpft werden. Mehr Freiheiten sind dabei möglich, wenn es so wenige Neuinfektionen gibt, dass die Gesundheitsämter Kontaktpersonen von Virusträgern effektiv nachverfolgen und isolieren können (gestrichelte Linie). An den mit Sternen markierten Punkten könnten die Kontaktbeschränkungen weitgehend gelockert werden – mal für den Fall, dass die Gesundheitsämter effektiv arbeiten können, mal für den Fall, dass die Fallzahlen dafür zu hoch sind (durchgezogene Linie). Ab diesen Punkten reicht, es die AHA+LA-Regeln zu berücksichtigen und auf Großveranstaltungen zu verzichten, um die Fallzahlen konstant zu halten. Die Saisonalität senkt diese Schwelle über den Sommer und führt so dazu, dass sie früher erreicht wird.
Im ersten Szenario werden die Maßnahmen sofort weitgehend gelockert. Die Folge laut der Berechnung der Wissenschaftler: Die Intensivstationen würden sich innerhalb weniger Wochen füllen - so schnell, dass die Einschränkungen bald wieder verschärft werden müssten. "Die Freiheit wäre also nur von kurzer Dauer", so Viola Priesemann.
Erst impfen, dann lockern
In drei weiteren Szenarien berechneten die Forschenden die Entwicklung von Fall- und Todeszahlen und die Auslastung der Intensivstationen bei gleichzeitigen Lockerungen zu drei unterschiedlichen Zeitpunkten während der Impfkampagne: Wenn die Über-80-Jährigen, die Über-60-Jährigen oder auch die Über-20-Jährigen geimpft sind. Im besten angenommenen Fall - der strenge Maßnahmen noch für die nächsten Wochen voraussetzt - könnten Kontaktbeschränkungen ab Mitte Juni "weitgehend gelockert werden", so die Modellrechnung.
Klares Fazit der Forscher: "Mit umfangreichen Lockerungen zu warten, bis sich alle Menschen über 20 impfen lassen konnten, wird dabei bis zum Ende der Impfkampagne etwa 9.600 Menschenleben weniger kosten – verglichen mit weitgehenden Öffnungen, nachdem allen über 80-Jährigen eine Impfung angeboten wurde."
Intensivmediziner: Harter Lockdown unvermeidlich
"Zwei oder drei Wochen harter Lockdown" werde "zahlreiche Menschenleben retten und noch viel mehr vor lebenslangen Langzeitfolgen nach überlebter COVID-Erkrankung bewahren", sagt DIVI-Präsident Gernot Marx, Professor am Universitätsklinikum Aachen und Präsident der Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI). Portugal habe es vorgemacht: "Erst harter Stopp. Und dann öffnen. Das hat gut geklappt." Portugal hatte im Januar mit 1.600 die höchste Inzidenz weltweit. Mittlerweile sind dort Geschäfte und Restaurants wieder geöffnet.
"Je früher der Lockdown, desto weniger Leid für die Menschen, weniger schwere Erkrankungen, weniger Tod", sagt Marx. Dem DIVI zufolge spitzt sich die Situation auf den Intensivstationen bereits wieder besorgniserregend zu. Jeder zweite Covid-Patient, der beatmet werden muss, sterbe. Selbst bei den Unter-50-Jährigen sterbe jeder fünfte.