Die zusätzlichen Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie stoßen zunehmend auf Widerspruch. Kritik gibt es von Verbänden der Wirtschaft und der Gaststätten. Unmut kommt aber auch aus der Ärzteschaft.
Kassenarztchef Gassen: Schwellenwert anheben
Der Kassenarztchef Andreas Gassen forderte, die Schwelle von 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner, ab der Kreise und Städte zu Risikogebieten erklärt werden, deutlich anzuheben: Die Zahl 50 stamme aus einer Zeit mit wöchentlich 400.000 Tests und hoher Positiv-Rate. Inzwischen werde dreimal so viel getestet bei viel weniger Test-Positiven.
"Die Zahl muss den Entwicklungen angepasst werden, unter Berücksichtigung der niedrigeren Positivquote käme man aktuell auf einen Schwellenwert von 84 pro 100.000", sagte Gassen am Samstag in der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Als starrer und alleiniger Indikator für das Ergreifen einschneidender Maßnahmen sei die Zahl ohnehin ungeeignet.
Yogeshwar: Schwellenwert von 50 ist wichtig
WDR-Wissenschaftsjournalist Ranga Yogeshwar hingegen hatte bereits am Donnerstag bei "WDR aktuell" auf die Bedeutung des Schwellenwerts von 50 Neuinfektionen hingewiesen. Es gehe darum, die Kontrolle zu behalten.
Epidemiologe Krause: Nicht nur Schwellenwert beachten
Um die Corona-Lage besser einschätzen zu können, hat der Epidemiologe Gérard Krause vom Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig am Freitag in den ARD-"Tagesthemen" dazu geraten, mehr Daten zu berücksichtigen - nicht nur die Neuinfektionen.
"Wir brauchen die Infektionszahlen, um die Infektionsketten frühzeitig zu unterbrechen", sagte Krause. Gesundheitsämter und Robert Koch-Institut stellten jedoch weit mehr Daten zur Verfügung, die bei Bewertung der Pandemie berücksichtigt werden sollten. Wichtig sei vor allem die Zahl der Erkrankungen - "insbesondere die Erkrankung bei den Menschen, die ein hohes Risiko für schwere oder gar tödliche Verläufe haben".
Virologe Drosten: Mehr einheitliche Regeln nötig
Der Virologe Christian Drosten hält in den kommenden Monaten wieder mehr bundeseinheitliche Regelungen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie für notwendig. "Es ist gut, wenn es klare Regeln gibt. Das ist ganz eindeutig", sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland am Samstag.
Sie durchzusetzen, sei angesichts einer regional unterschiedlichen Häufigkeit der Krankheit derzeit verständlicherweise noch schwierig, räumte der Experte ein. Er betonte aber: "Das Virus wird sich immer gleichmäßiger verteilen. Wir werden mehr und mehr in eine Situation kommen, wo man besser pauschal reguliert".
Laschet-Beraterin: Corona-Tests hochfahren
Die Medizinethikerin Christiane Woopen hat sich am Donnerstag in einem WDR-Interview für deutlich mehr Coronatests ausgesprochen. Die NRW-Landesregierung verfolgt bisher eine andere Linie. Wooppen ist Mitglied des sogenannten Corona-Expertenrats von Ministerpräsident Armin Laschet (CDU).