Ferienbeginn, Urlaubsfreude, rückläufige Inzidenzen: Einerseits bietet die aktuelle Lage vielen Menschen Anlass, mit einem guten Gefühl in den Sommer zu starten. "Der Sommer wird gut" lautete die Prognose von SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach, die es inzwischen sogar als Pop-Song gibt. Anderseits bereitet die Ausbreitung der Delta-Variante vielen Menschen Sorgen mit Hinblick auf den Herbst.
Was ist, wenn die Zahlen im Herbst wieder steigen? Wenn die größere Mobilität und auch das Gefühl, dass Corona so gut wie überstanden sei, dafür sorgen, dass wieder über strengere Maßnahmen bis hin zum Lockdown diskutiert wird? Der aktuelle DeutschlandTrend gibt hier ein klares Bild ab: 46 Prozent der Befragten machen sich große oder sehr große Sorgen darum, dass die Freiheitsrechte längerfristig eingeschränkt werden. Die Angst, sich mit dem Corona-Virus anzustecken, sinkt zwar kontinuierlich, gleichzeitig machen sich knapp zwei Drittel der Befragten große bzw. sehr große Sorgen, dass die Zahl der Neuinfektionen wieder deutlich ansteigt.
Gefährlichkeit der Delta-Variante weiter unklar
Tatsächlich sind die europaweiten Ansteckungszahlen laut WHO nach einem zehnwöchigen Rückgang zuletzt wieder gestiegen. Die Weltgesundheitsorganisation macht dafür die Menschenmassen bei der Fußball-EM verantwortlich. Und die Experten sind sich einig, dass die ansteckendere Delta-Variante schon bald auch in Deutschland vorherrschend sein wird. Derzeit macht sie laut RKI 37 Prozent der Infektionen aus.
Ob die Delta-Variante nur ansteckender oder auch gefährlicher ist als die bisherigen Varianten, steht derzeit noch nicht fest. "Wir haben noch nicht genügend Daten, um wirklich klar zu sagen, wie gefährlich oder ungefährlich sie ist", sagte RKI-Präsident Lothar Wieler.
Fest steht allerdings, dass es einen vollständigen Impfschutz braucht, um sich vor einer Ansteckung zu schützen. Wer bis jetzt nur einfach geimpft ist, hat ein deutlich höheres Risiko, sich dennoch anzustecken.
Impfungen ändern die Lage entscheidend im Vergleich zu 2020
Beim Blick auf die Zahlen wird klar, dass die Ausgangslage anders als im vergangenen Jahr ist. Zwar lag die absolute Zahl an Neuinfektionen mit 754 Fällen gestern über den Vergleichszahlen von vor genau einem Jahr (475). Allerdings gab es damals auch noch keinen Impfstoff, während nun bereits 55,1 Prozent der Deutschen geimpft sind und 37,3 Prozent einen vollständigen Schutz haben. Auf jede Neuinfektion kommen derzeit also über 1.000 Impfungen.
Braun schließt Lockdown im Herbst aus
Das wird auch die Situation im Herbst verändern, selbst wenn die Zahlen dann wieder ansteigen. So schließt Kanzleramtsminister Helge Braun (CDU) einen erneuten Lockdown für alle derzeit aus. "Solange die Impfungen gut wirken, kommt ein Lockdown zu Lasten derer, die vollständig geimpft sind, nicht in Frage", sagte er dem MDR. Viele Bereiche, die in der Vergangenheit komplett geschlossen worden waren, müssten "für diesen großen Teil der Bevölkerung geöffnet bleiben", so Braun.
Zudem plädierte er dafür, sich angesichts der steigenden Impfquote nicht allein auf die Inzidenzwerte zu beziehen. Stattdessen sollte die Anzahl der schweren Verläufe, die im Krankenhaus behandelt werden müssen, in den Mittelpunkt rücken. Dem pflichtete Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) heute auf einer Pressekonferenz bei: Es werde im Herbst noch wichtiger, unterschiedliche Faktoren in die Entscheidungen zu den Corona-Regeln mit einzubeziehen.
Was passiert in Schulen und Kitas?
Das Szenario für den Herbst könnte also so aussehen: Ein Großteil der Menschen hat den Impfschutz, der auch - so der aktuelle Stand - gegen die Delta-Variante schützt. Ansteckungen finden zwar statt, aber eher unter Ungeimpften, sprich: Kindern und Jugendlichen. Ob die Schulen und Kitas dann erneut schließen müssen, könnte auch davon abhängen, wie viele schwere Verläufe es in dieser Gruppe gibt.
Diskussion über Impfungen für Kinder und Jugendliche
Derzeit weisen die Studien laut RKI daraufhin, dass die Mehrzahl der infizierten Kinder keine Symptome zeigen oder einen milden Krankheitsverlauf haben. Das ist auch der Grund, weshalb die Ständige Impfkommission derzeit keine Impfungen für Unter-12-Jährige empfiehlt und auch bei älteren nur für Risikogruppen. Sie schätzt angesichts der aktuellen Daten das Risiko von Impfkomplikationen bei Kindern größer ein als die Gefahr, schwer an Covid zu erkranken.
Die Entscheidung, ob man seine Kinder noch vor dem Herbst impfen lässt oder nicht, beschäftigt viele Eltern. Derzeit liegt der Anteil der geimpften Unter-18-Jährigen in NRW bei 3 Prozent, vollständig geimpft sind 1,1 Prozent.
Masken und Tests auch im Herbst an den Schulen
Der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, Heinz-Peter Meidinger, hält zumindest eine Fortführung der Schutzmaßnahmen an den Schulen für angebracht. "Ich glaube, wir sollten auch eine Phase zu Beginn des nächsten Schuljahres machen, in der wir noch auf besondere Sicherheit achten", sagte er dem WDR. Damit meine er zum Beispiel eine Maskenpflicht und auch regelmäßige Tests. Auch die Schulministerien betonen immer wieder, wie wichtig es sei, dass das neue Schuljahr im Präsenzunterricht startet.