Die Freude war groß: Die Zulassung mehrerer Corona-Impfstoffe steht unmittelbar bevor; allein in NRW sollen Mitte Dezember 53 Impfzentren arbeitsbereit sein. Nun hat aber die australische Airline Qantas angekündigt, Reisende auf internationalen Verbindungen nur dann an Bord zu lassen, wenn sie eine Impfung nachweisen können. Wird aus der Impf-Möglichkeit jetzt Schritt für Schritt eine Pflicht - wie es Impfgegner vermuten?
Was sagt die Politik?
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) ist da klar und deutlich: "Ich gebe Ihnen mein Wort. Es wird in dieser Pandemie keine Impfpflicht geben!" Dem schließt sich auch die Ständige Impfkommission (Stiko) an, die als unabhängiges Expertengremium Impfempfehlungen für Deutschland entwickelt. Der Stiko-Vorsitzende Thomas Mertens machte klar, dass die Freiwilligkeit eine ethische Grundvoraussetzung für eine Impfung sei.
Was sagt das neue Infektionsschutzgesetz?
Das Infektionsschutzgesetz bietet die Möglichkeit einer Schutzimpfung für "bedrohte Teile der Bevölkerung". Konkret geregelt ist das in Paragraf 20. Da steht sinngemäß, dass das Bundesgesundheitsministerium eine solche Impfung anordnen kann, wenn eine übertragbare Krankheit mit klinisch schwerem Verlauf auftritt und dann mit einer epidemischen Verbreitung zu rechnen ist. Dem müsste der Bundesrat aber zustimmen.
Was sagt die Flug- und Reisebranche?
Die deutsche Airline Lufthansa reagiert sehr zurückhaltend auf den Vorstoß von Qantas. "Unser Unternehmen wird keinen Corona-Impfnachweis verlangen", sagte ein Sprecher. Ähnlich sieht es die Schweizer Fluggesellschaft Swiss. Die Debatte darüber komme viel zu früh, teilte das Unternehmen mit. Auch andere internationale Fluggesellschaften wie Korean Air oder Japan Airlines äußern sich sehr zurückhaltend.
Möglich wäre ein solcher Schritt jedoch. "Grundsätzlich ist es das gute Recht einer privaten Gesellschaft, sich auszusuchen, mit wem sie Verträge schließt" , sagt Steffen Augsberg, Jurist und Mitglied des Deutschen Ethikrates im Gespräch mit WDR 5. Dabei handle es sich nicht um eine "typische Diskriminierung", die man direkt rechtlich wie ethisch zurückweisen könne.
So empfiehlt der Reiseveranstalter Sonnenklar TV seinen Kunden erst einmal nur, sich impfen zu lassen, wenn es um den kommenden Sommerurlaub geht. Nach dem Motto: Erst impfen, dann reisen! Grund: Das Unternehmen vermutet, dass Länder in der kommenden Sommersaison ihre Grenzen für Reisende nur öffnen werden, wenn eine Impfung nachgewiesen werden kann.
Denken auch Branchen über Impfnachweis nach?
Jurist Augsberg hält es auch für zulässig, wenn weitere Unternehmen wie zum Beispiel Einzelhändler in den Innenstädten einen Impfausweis von ihren Kunden verlangen würden. "Solange das nicht flächendeckend ist" und die Gefahr bestehe, dass die Menschen die lebensnotwendigen Dinge des täglichen Bedarfs nicht mehr bekommen würden, müsse man dies dulden, so der Jurist. "Das ist dann allerdings auch ein unternehmerisches Risiko."
Einen Vorstoß in Richtung flächendeckende Einführung gibt es schon, und zwar vom CDU-Gesundheitspolitiker und Europaabgeordneten Peter Liese: Der Westfale will eine Corona-Schutzimpfung als Voraussetzung für Besuche von Großveranstaltungen. "Konzertveranstalter und Veranstalter von allen anderen großen Events müssen die Möglichkeit haben, sich entsprechend zu schützen", schreibt er auf seiner Homepage. Und weiter: Menschen mit Impfung müsste mehr möglich sein, "als für Menschen, die sich aus persönlichen Gründen dagegen entscheiden". Ähnlich sei es zum Beispiel bei der Gelbfieber-Impfung, die manche Länder verlangen.
Kann mein Arbeitgeber mich zu einer Impfung verpflichten?
Eine Möglichkeit, dass mein Chef mich zu einer Impfung zwingen kann, gibt es nicht. Impf-Angebote kann ein Arbeitnehmer freiwillig annehmen, er muss es aber nicht. Denn eine Impfung ist ein tiefer Eingriff in die Persönlichkeitsrechte. Ausnahmen gibt es nur in bestimmten Arbeitsfeldern, unter anderem in Kliniken, Arztpraxen oder bei ambulanten Pflegediensten. Für Masern gibt es eine solche Impfpflicht für gewisse Berufsgruppen bereits. Dies ist geregelt im Masernschutzgesetz.