Der Virologe Christian Drosten von der Berliner Charité hat sich für eine Verkürzung der Quarantänezeit für Menschen mit Verdacht auf Coronainfektion von 14 auf 5 Tage ausgesprochen. Eine Position, die Fragen aufwirft.
Wie argumentiert Drosten?
Mit diesem Vorschlag gehe er "bis an die Schmerzgrenze der Epidemiologie", sagte er am Dienstag in seinem ersten NDR-Podcast nach der Sommerpause. "Das ist schon, sagen wir mal, eine steile These, dass man sagt, nach fünf Tagen ist eigentlich die Infektiosität vorbei", so Drosten.
Die Überlegung sei aber: "Was kann man denn in der Realität machen, damit man nicht einen de-facto-Lockdown hat?", erklärte er. "Es nützt ja nichts, wenn man alle möglichen Schulklassen, alle möglichen Arbeitsstätten unter wochenlanger Quarantäne hat."
Drosten regte zudem an, die fünf Tage nicht für Tests zu "verschwenden", sondern erst nach Ablauf zu testen, ob die Betroffenen infiziert waren und noch infektiös sind.
Was gilt bisher?
"Die Dauer der Quarantäne wird vom Gesundheitsamt festgelegt", heißt es in einer Broschüre des Bundesgesundheitsministerium vom April 2020. "Sie dauert meist zwei Wochen und entspricht der maximalen Dauer der Inkubationszeit, also der Zeit zwischen einer möglichen Ansteckung mit dem neuartigen Coronavirus und dem Auftreten von Symptomen."
Diese Regelung wird nun auf den Prüfstand gestellt. Die Bund-Länder-Konferenz hat kürzlich beschlossen, dass das RKI die Studien zum Thema Quarantänelänge durchgehen und danach eine Stellungnahme abgeben soll.
"Inzwischen weiß man, dass die Infektiosität im Verlauf der Krankheit sehr unterschiedlich ist", erklärt WDR-Wissenschaftsredakteurin Monika Kunze. "Unmittelbar vor Auftreten der Symptome und circa zwei Tage nach Auftreten der ersten Symptome sind Patienten sehr ansteckend und haben dann auch das Zeug zum Superspreader - falls sie beispielsweise auf eine Feier gehen."
Wie ist die Quarantäne in anderen Ländern geregelt?
Ähnlich. In Spanien beispielsweise schreibt das Gesundheitsministerium vor, dass sich alle Verdachtsfälle solange in häusliche Quarantäne begeben müssen, bis ein negativer PCR-Test vorliegt. Bei tatsächlichen Erkrankungen unterscheidet das Ministerium zwischen schweren und leichten Fällen. Bei leichten Fällen muss die Quarantäne für zehn Tage ab dem Auftreten erster Symptome aufrecht erhalten werden. In schweren Fällen bei denen eine Behandlung im Krankenhaus erfolgte, müssen die Patienten nach ihrer Entlassung weitere 14 Tage in häuslicher Quarantäne bleiben.
Auch in Großbritannien werden die Bürger angewiesen, sich für zehn Tage in Quarantäne zu begeben, sobald sie erste Symptome feststellen. Haben die Betroffenen auch nach dieser Zeit noch Fieber, muss die Quarantäne verlängert werden.
Was sagen andere Mediziner?
"Für Infizierte, die erst diagnostiziert werden, nachdem sie mit Symptomen zum Arzt gegangen sind, halte ich den Vorschlag für sinnvoll", sagte der Virologe Dr. Rolf Kaiser von der Uniklinik Köln dem WDR. Die Betroffenen befänden sich dann schon in einem fortgeschrittenen Stadium der Erkrankung. Nach fünf Tagen in Quarantäne wären diese dann in einer Phase der Infektion, in der das Virus nicht mehr ansteckend sei. "Das gilt aber nicht für Menschen, die nur unter dem Verdacht stehen, infiziert zu sein", so Kaiser. Für sie sei eine Quarantänezeit von 14 Tagen weiterhin angebracht.
Eine Verkürzung dieser Quarantäne kann sich der SPD-Gesundheitspolitiker und Epidemiologe Karl Lauterbach jedoch durchaus vorstellen. "Man erwischt damit aber nicht jeden sicher", erklärte der SPD-Politiker am Mittwoch dem WDR. "Man muss davon ausgehen, dass man damit fünf oder sechs Fälle aus der Quarantäne heraus lässt, die noch ansteckend sind. Aber den allergrößten Teil der Fälle würde man so abdecken."
Lauterbach geht zudem davon aus, dass die verkürzte Quarantäne auf eine größere Akzeptanz in der Bevölkerung stoßen würde. Auch deshalb glaubt Lauterbach, dass das Robert-Koch-Institut, das die bisher in Deutschland geltende Quarantäne-Dauer von 14 Tagen festgelegt hat, sich "bewegen muss".