Ja, es gab ein Leben vor Corona. Es gab aber auch ein Leben mit Corona - bloß ohne Impfung. Rasend schnell wurde ein Impfstoff entwickelt, millionenfach produziert und verabreicht. Seit der ersten Impfung in Deutschland ist nun genau ein Jahr vergangen - vieles wurde erreicht, und trotzdem fielen viele Menschen dem Virus zum Opfer. Eine - gezwungenermaßen unvollständige - Chronologie.
26. Dezember 2020: In Halberstadt in Sachsen-Anhalt wird deutschlandweit die erste Corona-Impfung verabreicht. In NRW trifft am selben Tag der Impfstoff ein.
27. Dezember 2020: In NRW beginnen die Impfungen. Zunächst sind Bewohnerinnen und Bewohner sowie Mitarbeiter in Alten-und Pflegeheimen dran. Knapp 10.000 Dosen stehen zur Verfügung.
8. Februar 2021: Die 53 Impfzentren im Land legen los. Das Wetter ist fies, in Teilen des Landes schneit es. Trotzdem nehmen die meisten der über 80-jährigen Frauen und Männer ihre Termine wahr. Als – altersbedingt – Angehörige einer Risikogruppe werden sie zuerst versorgt, zusammen mit Beschäftigten aus dem Gesundheits- und Pflegebereich. Verimpft werden Biontech und Astrazeneca. Zu dem Zeitpunkt haben bereits mehr als 346.000 Impfungen in Alten- und Pflegeheimen stattgefunden. Dort hatte es in den Wochen zuvor fast die Hälfte der Todesfälle im Zusammenhang mit Corona gegeben. Die Menschen in Deutschland lernen Vokabeln wie "vulnerable Gruppen", was für besonders gefährdete Menschen steht.
15. Februar: Ein Jahr Corona in NRW: Begonnen hatte alles in Gangelt im Kreis Heinsberg. Dort steckten sich am 15. Februar 2020 Teilnehmer der traditionellen Kappensitzung an. Die erste Infektion wird am 25. Februar festgestellt, wenige Tage später sind schon 20 Covid-19-Fälle bestätigt. Die Karnevalsveranstaltung ist das wohl erste Superspreader-Event der Pandemie in Deutschland.
12. Mai: Angesichts sinkender Infektions- und steigender Impfzahlen nimmt die Landesregierung schrittweise Beschränkungen des öffentlichen Lebens zurück. Sozialminister Laumann erklärt: "Für Entwarnung ist es noch zu früh. Aber: wir sehen einen deutlichen Hoffnungsschimmer." Zu dem Zeitpunkt hat mehr als ein Drittel der Menschen in NRW die erste Impfung erhalten.
11. Juni: Der Sommer naht, die Temperaturen steigen. Mit Beginn der um ein Jahr verschobenen Fußball-EM verbreitet sich das trügerische Gefühl einer Entspannung der Lage. Auf massiven Druck der Uefa dürfen überall in Europa Fans in die Stadien. In NRW gibt es Public Viewing unter Corona-Bedingungen.
27. Juni: Mit 41 neu infizierten Personen wird die niedrigste Zahl an Neuinfektionen in NRW gemeldet.
Sommer 2021: Überall im Land wird geimpft. Die Nachfrage ist zunächst größer als das Angebot, es gibt lange Wartelisten für den Piks in den Oberarm. Die Delta-Variante des Coronavirus ist mittlerweile auch hierzulande dominant. Trotz aller Auflagen und Einschränkungen hellt sich die allgemeine Stimmung auf.
18. August: Zum Start ins neue Schuljahr setzt die zuständige Ministerin Yvonne Gebauer (FDP) auf Präsenzunterricht. Es gilt Maskenpflicht. In Falle einer Infektion sollen nicht mehr ganze Schulklassen in Quarantäne, sondern nur noch unmittelbare Sitznachbarn in der Klasse.
8. September: Laut Robert Koch Institut (RKI) offizieller Start der Auffrischungs-Impfungen ("Booster") in NRW, und das gleich in 42.776 Fällen. Tatsächlich haben die niedergelassenen Ärzte aber wohl schon Ende August in Pflegeeinrichtungen damit begonnen. Da wurden sie allerdings noch nicht vom RKI erfasst.
Anfang Oktober: Unter Auflagen dürfen in NRW Clubs wieder öffnen. Der Widerspruch zwischen allgemeiner Stimmung und tatsächlicher Infektionslage wird im Herbst zunehmend größer.
28. Oktober: Schulministerin Gebauer hebt die Maskenpflicht auch am Sitzplatz in den Unterrichtsräumen auf. Sie spricht von einem "verantwortbaren Schritt" - doch die Entscheidung stößt bei vielen Schülern, Eltern und Lehrern auf Unverständnis und Kritik.
11. November: In Köln starten zehntausende Menschen in dichtem Gedränge in die Karnevalssession. Am 27. November empfängt der FC in der Fußball-Bundesliga vor über 50.000 Zuschauern Gladbach zum Derby. Die Bilder feiernder Jecken und jubelnder Fans im ausverkauften Stadion lösen deutschlandweit Fassungslosigkeit aus.
28. November: Die Behörden melden aus Essen und Düsseldorf die ersten Verdachtsfälle in NRW auf die neue Omikron-Variante, die zuerst in Südafrika aufgetreten ist. Zwei Tage danach bestätigen sich die Befürchtungen: Betroffen ist eine Person, die aus Südafrika nach Düsseldorf gereist war. Omikron breitet sich rasch in Deutschland aus.
1. Dezember: Unter dem Druck steigenden Infektionszahlen legt die Landesregierung den Rückwärtsgang sein. Auf Vorschlag von Bildungsministerin Gebauer kehrt ab dem Folgetag die Maskenpflicht in den Unterricht zurück.
8. Dezember: In der neuen Bundesregierung wird der SPD-Abgeordnete Karl Lauterbach aus Leverkusen Gesundheitsminister. Anders als sein Vorgänger Spahn gilt der Virologe Lauterbach als Fachmann. Seit Beginn der Pandemie hat der "Gesundheitsminister der Herzen" unermüdlich vor den Folgen von Corona gewarnt – bei gefühlt mehreren Talkshow-Auftritten pro Tag.
15. Dezember: Der Tag mit den bisher meisten Corona-Impfungen in NRW. 539.021 Menschen erhielten den Piks, in 471.074 Fällen handelte es sich dabei um Auffrischungsimpfungen, ebenfalls ein Höchststand. Derweil gehen auch in NRW Menschen gegen die Corona-Politik von Bund und Ländern auf die Straße. Nicht immer bleiben die Proteste friedlich.
21. Dezember: Der Dauerbrenner dieser Krise: Die Regierungschefs der Länder beraten mit dem Bundeskanzler über die Corona-Lage. Die Runde fasst einstimmig Beschlüsse, die Kontaktbeschränkungen ab dem 28. Dezember vorsieht.
23. Dezember: 13.904.677 Menschen in NRW sind nun erstmals geimpft. Das sind 77,6 Prozent der Bevölkerung. Vollständig geimpft sind etwas weniger, nämlich 13.229.956 Menschen (73,8 Prozent). 6.805.419 Menschen (38 Prozent) wurden geboostert.
26. Dezember: Die Inzidenz in NRW liegt bei 181,9. Bis zum 26. Dezember 2021 sind 20.102 Menschen in Nordrhein-Westfalen an oder mit Corona gestorben.