Corona und kein Ende: Müssen wir jetzt sogar auf die Weihnachtsfeier im Kreis der Familie verzichten? Für die meisten Menschen ist das ein Horrorszenario. Mitte des Monats wollen Bundesregierung und Länderchefs beraten, wie wirksam die Maßnahmen sind. Nordrhein-Westfalen entschied in einem Punkt schon am Mittwoch.
Schulminister Yvonne Gebauer (FDP) sagte dem WDR am Mittwoch, dass die Weihnachtsferien im Land früher starten. Die Landesregierung habe beschlossen, dass der letzte Schultag am 18. Dezember sein soll. So solle das Corona-Infektionsrisiko gesenkt werden, damit Familien ein "möglichst unbeschwertes Weihnachtsfest" feiern könnten.
Die Frage nach einer Verschiebung der Weihnachtsferien äußerte ursprünglich der elfjährige Anton aus Mülheim in einer Call-In-Sendung auf WDR 2 am 2. November mit Ministerpräsident Armin Laschet (CDU): "Können wir nicht vorher freiwillig in Quarantäne gehen und Homeschooling machen. Und dann Weihnachten feiern?" Laschet versprach dem Jungen, er werde über die Idee nachdenken. Da könne man im Dezember drüber sprechen.
Jetzt geht's doch schneller: Schon am Dienstagabend hatte der Ministerpräsident im "WDR extra" die Möglichkeit ins Spiel gebracht, die Ferien zwei Tage früher beginnen zu lassen. Die Landesregierung werde das mit Verbänden erörtern, sagte Laschet. Ministerin Gebauer sagte nun, dass mit den Verbänden besprochen werden soll, welche Tage als Ausgleich für die längeren Weihnachtsferien genutzt werden können.
Und Bundesgesundheitsminister Spahn hält die Idee für so gut, dass Bundeskanzlerin Merkel und die Länderchefs darüber beraten sollten. Für Eltern, Kinder und Lehrer sei Planbarkeit wichtig. "Das wäre mit so einer Maßnahme gegeben", sagte Spahn in der Sendung "Frühstart" der Fernsehsender RTL und ntv.
Notbetreuung in Planung
In einigen Familien könnte der frühere Ferienbeginn zu einer organisatorischen Herausforderung werden. In den sozialen Netzwerken berichtete Nutzer, dass in ihren Betrieben rund um Weihnachten eine Urlaubssperre gelte. Auch Elternvertreter gaben zu bedenken, dass die Betreuung der Kinder an den zusätzlichen Ferientagen nicht gesichert sei. Laut Gebauer soll aber in den Tagen vor Weihnachten eine Notbetreuung angeboten werden - auch dies sei Gegenstand der Gespräche mit den Verbänden.
Sozialethiker: Weihnachten braucht Nähe
Kritiker werfen der Bundes- und der Landesregierung vor, der Bevölkerung mit dem rührseligen "Weihnachts-Argument" nur härtere Corona-Beschränkungen verkaufen zu wollen. Für den Sozialethiker Martin Booms aus Bonn ist das aber eine viel zu rationale Ansicht. "Weihnachten ist ein Stück Kulturtradition, auf das sich ganz viele Menschen noch verständigen können", sagte Boom am Mittwoch in der "Aktuellen Stunde".
Derzeit herrsche eine große Verunsicherung in der Gesellschaft. Kultur und Tradition schafften Orientierung und Sicherheit - die Bedeutung eines schönes Weihnachtsfests in der Pandemie sei unglaublich groß. Weihnachten sei nicht nur ein "besinnliches" sondern auch ein "sinnliches" Fest - das lasse sich nicht per Videokonferenz feiern. "Weihnachten braucht Nähe."
Weihnachtsfeiern im Schichtsystem
Andreas Westerfellhaus, Pflegebeauftragter der Bundesregierung, regte am Dienstag im WDR ein Weihnachtsfest im "Schichtsystem" an, um die Ansteckungsgefahr zu verringern. "Es ist lange Tradition, dass sich am ersten Weihnachtsfeiertag Eltern, Großeltern, Enkel, zweimal Schwiegereltern oft aus ganz Deutschland versammeln. Es ist eine Überlegung wert, ob man das nicht gesplittet im Schichtsystem machen kann und nicht alle Familienmitglieder aus allen Regionen auf einmal zusammenführt", sagte er.
Gestaffelte Besuche in Pflegeheimen
Schwierig ist aber auch die Situation für Familienangehörige, die in Pflegeeinrichtungen leben und beim ersten Lockdown im Frühjahr völlig isoliert wurden. Viele Bewohner quält die Ungewissheit, ob ihre Kinder oder Enkel sie an Weihnachten besuchen dürfen.
Westerfellhaus regt ein kluges Besuchermanagement an: "In der gegenwärtigen Infektionszeit kann es nicht sein, dass in einer stationären Pflegeeinrichtung an Heiligabend um 17 Uhr 100 Angehörige zu Besuch kommen. Das überfordert die Einrichtungen. Weihnachten ist nicht nur Heiligabend. Da sollten sich Familien überlegen, mit wem man kommt, wann man kommt, und das mit der Einrichtung absprechen."
Die ganze Familie durchtesten lassen?
Eine klare Absage erteilte Westerfellhaus allerdings der Überlegung, die ganze Familie vor Weihnachten auf Corona testen zu lassen: "Ich halte das für keine praktikable Idee. Wenn ich heute einen PCR-Test mache, bin ich mittlerweile durch die Überlastung der Labore in einer Situation, dass ich das Ergebnis im günstigsten Fall nach vier Tagen, womöglich aber erst nach sechs Tagen habe. Und wenn ich in diesem Zeitraum auf die Straße gehe, weiß ich nicht, ob ich mich nicht doch infiziert habe."
Zudem bräuchten Mitarbeiter in Pflegeeinrichtungen und in anderen relevanten Berufen diese Tests viel dringender.
Wie auch immer: Ein bisschen Fantasie und Flexibilität muss wohl jeder aufbringen, um mit der Familie trotz widriger Umstände ein schönes Weihnachtsfest zu haben.