Die Reihenfolge bei Corona-Impfungen soll in drei Wochen in ganz Deutschland wegfallen. Nach den Plänen von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) können dann theoretisch alle ab 16 Jahre einen Corona-Impftermin bekommen. Auch NRW hebt die Impf-Priorisierung ab dem 7. Juni auf.
Aber jetzt schon gibt es Kritik von Hausärzten. Das Problem: Es steht derzeit noch nicht ausreichend Impfstoff für alle zur Verfügung. Das erhöhe den Druck auf die Hausärzte, sagte Oliver Funken, Vorsitzender des Hausärzteverbandes Nordrhein, am Dienstag dem WDR. Denn eine Aufhebung der Priorisierung könne einen Ansturm auf die Praxen auslösen und den Frust noch erhöhen.
Das befürchtet auch der Vorsitzende des Weltärztebunds, Frank Ulrich Montgomery: Die Hausärzte seien durch die Aufhebung der Priorisierung überfordert. Nun seien auch die Bürger gefragt, nicht alle auf einmal und sofort in den Praxen anzurufen, sagte er am Mittwoch im Deutschlandfunk.
Impstoffmangel sorgt für schlechte Stimmung
Bereits heute gebe es eine aggressive Stimmung bei der Impfstoffnachfrage, erklärte Verbandschef Funken. Einige Hausarztpraxen wollten nicht mehr impfen, weil sie Schwierigkeiten mit der regulären Versorgung von Patienten hätten. Genaue Zahlen dazu konnte Funken nicht nennen.
"Die Stimmung in den Praxen ist nicht gut", sagte auch Anke Richter-Scheer, Vorsitzende des Hausärzteverbandes Westfalen-Lippe, dem WDR. Den Mangel an Impfstoff spürten in erster Linie die Teams in den Arztpraxen. "Sie müssen ungeduldige und manchmal auch verärgerte Patientinnen und Patienten vertrösten."
Auch in Westfalen-Lippe gebe es Ärzte, die drohten, das Impfen in ihren Praxen zu beenden. Eine Tendenz dazu existiere aber nicht.
Hausärzte: Wir können und wir wollen
Die Hausärzteverbände Nordrhein und Westfalen-Lippe sind sich einig: Eine Aufhebung der Priorisierung sei nur sinnvoll, wenn ausreichend Impfstoff vorhanden sei. Dann seien die Hausärzte auch leistungsfähig.
"Wir können impfen und wir wollen impfen – wir brauchen aber endlich Impfstoff in ausreichender Menge, um das Potenzial, das in den Hausarztpraxen steckt, auch voll ausschöpfen zu können", sagte Verbandschefin Richter-Scheer. "Die Impfzentren waren zu Beginn gut. Jetzt aber müssen wir zügig einen Übergang in die Arztpraxen schaffen."
Reihenfolge weiterhin nötig
Nicht glücklich mit der Aufhebung Impfreihenfolge ist auch Theodor Windhorst, der das Bielefelder Impfzentrum leitet. Da nach wie vor ein Mangel an Impfstoff existiere, müsse auch bei einer Aufhebung der Priorisierung weiterhin eine Reihenfolge festgelegt werden. "Und zwar eine gerechte und eine, die die Gesundheitssituation in unserer Versorgungslandschaft rechtfertigt."
Trotzdem hofft Windhorst, dass die Aufhebung der Priorisierung ein Erfolg wird. Die Voraussetzung sei aber genügend Impfstoff für alle drei Bereiche: Impfzentren, Hausärzte und Betriebsärzte, die ebenfalls ab dem 7. Juni impfen dürfen.
Aufhebung der Impf-Priorisierung ist auch eine Chance
Generell gut findet die Aufhebung der Priorisierung hingegen die Hausärztin Gwen Rabe aus Bonn. Allerdings brauche sie die drei Wochen Vorlauf auf jeden Fall noch, weil in ihrer Praxis noch nicht alle aus Risikogruppen ein Impfangebot hätten annehmen können.
Hausärztin Rabe sieht zwar einen Haufen Arbeit auf viele Praxen zukommen - aber auch Zeitersparnis: "Was ja auch gerade zu sehr viel Aufwand führt, ist das ganze Gerede über die Priorisierung." Es sei eine Erleichterung, darüber nicht mehr sprechen zu müssen.