Zimmer 329 auf der neurologischen Station der Uniklinik Bonn. Lisa Peters hat ein kleines Zweibettzimmer mit Blick ins Grüne. Nach fünf Wochen Klinikaufenthalt und zehn Tagen auf der Intensivstation, beginnt für die 27-jährige bald die Reha. Heute merkt man ihr kaum an, was sie in den vergangenen Wochen durchgemacht hat. Drei Tage bevor deutschlandweit das Impfen mit AstraZeneca ausgesetzt wird, bekommt die junge Zahnärztin im Kreis Euskirchen ihre erste Impfung. Die Erleichterung ist groß.
Deutliche Symptome nach einer Woche
Acht Tage nach der Impfung merkt Lisa, dass etwas nicht stimmt: "Ich hatte ein Onlineseminar und da habe ich gemerkt, mir wird übel, ich habe Kopfschmerzen, plötzlich fing dann meine Hand an zu kribbeln und ich hatte Probleme zu tippen, konnte Wörter nicht mehr richtig bilden."
In der Klinik verschlechtert sich ihr Zustand rapide, erklärt Neurologe Prof. Dr. Gabor Petzold, der Lisa von Beginn an behandelt hat: "Wir konnten in Bildern vom Kopf sehen, dass das Gerinnsel größer wird und das Gehirn gefährdet war, Schaden davon zu tragen. Dann haben sich auch epileptische Anfälle eingestellt und darüber hinaus hat man im Blut gesehen, dass die Blutplättchen weiter abgefallen sind, insofern war das schon ein schwerer, dramatischer Verlauf."
Gibt es Risikofaktoren?
Als Experte für Blutgerinnsel war auch Prof. Dr. Bernd Pötzsch in die Behandlung involviert. Welche Faktoren vorliegen müssen, damit es zu einem so seltenen Blutgerinnsel im Hirn kommt, darüber rätseln die Wissenschaftler noch.
Entsprechend schwer ist es, konkrete Risikofaktoren zu benennen, erklärt Prof. Pötzsch: "Das würden wir uns natürlich wünschen, dass wir einen Risikofaktor genau lokalisieren können, dass wir dem potenziell zu Impfenden sagen: Sie haben ein Risiko. Was wir momentan wissen: Dass es mit dem Lebensalter korreliert, dass vor allem jüngere Frauen von dieser schweren Nebenwirkung betroffen sind."
Wie viele Fälle gibt es in Deutschland?
Insgesamt ist die Wahrscheinlichkeit einer schweren Komplikation wie der Hirnvenenthrombose sehr gering. Die Häufung ist aber auffällig. Nach aktuellem Stand gibt es laut Paul-Ehrlich-Institut in Deutschland 63 Fälle einer Hirn-/Sinusvenenthrombose im Zusammenhang mit Astrazeneca bei rund 4,8 Millionen Erstimpfungen. In 55 Fällen lag das Alter unter 60 Jahren.
Die Empfehlung der Ständigen Impfkommission, Menschen unter 60 Jahren nicht mit dem Vakzin von Astrazeneca zu impfen, hält Prof. Pötzsch deshalb nach wie vor für richtig.
Den Impfstoff auf eigenes Risiko an Jüngere zu verimpfen sieht er kritisch: "Ich würde es viel lieber sehen, wenn man Ältere damit impft und dafür die Dosen, die man dann übrig hat von den RNA-Impfstoffen, nutzt, um die jüngere Bevölkerung zu impfen. Dann hätten alle Generationen etwas davon, weil die Jüngeren bekämen den für sie sicheren Impfstoff und die Älteren würden mit einem Impfstoff geimpft, der für sie in diesem Punkt nicht gefährlich ist."