Der Medizinethiker Wolfram Henn, Mitglied des Deutschen Ethikrats, fordert eine Impfpflicht für das Personal in Kitas und Schulen. "Wer sich aus freier Berufswahl in eine Gruppe vulnerabler Personen hinein begibt, trägt eben besondere berufsbezogene Verantwortung", sagte Henn am Montag der "Rheinischen Post".
Ein Eingriff in die persönlichen Freiheitsrechte eines ganzen Berufszweigs? Oder unvermeidlich, um Kinder vor noch unabsehbaren Folgen einer Covid-19-Erkrankung zu schützen? Fragen und Antworten.
Welche Argumente sprechen für eine Impfpflicht?
Wenn Mitte August Schulen und Kitas wieder öffnen, werden voraussichtlich nur wenige Schüler und Schülerinnen einen vollen Impfschutz gegen das Corona-Virus haben. Für Kinder unter zwölf kommt wohl frühestens im kommenden Jahr ein Impfstoff auf den Markt, für Jugendliche fehlt noch eine allgemeine Empfehlung der Ständigen Impfkommission (Stiko). Zwar haben Zwölf- bis 17-Jährige die Möglichkeit, nach einem intensiven Beratungsgespräch beim Arzt eine Impfung zu bekommen. Doch bisher bieten nur relativ wenige Ärzte Impfungen für Jugendliche an und die Wartelisten sind lang.
Auch wenn Kinder selbst nur ein geringes Risiko hätten, schwer an Covid-19 zu erkranken, müsse man "aber weiter damit rechnen, dass sie das Virus in ihre Familien tragen", sagte Henn.
Kinder erkranken selten schwer. Aber was ist mit Long Covid?
Noch weiß man wenig darüber, welche Folgen eine Corona-Infektion bei Kindern und Jugendlichen haben kann. Die wenigen Studien über Long Covid bei Kindern und Jugendlichen stammen laut Robert Koch Institut (RKI) alle aus dem Ausland.
Eine noch nicht abschließend geprüfte Untersuchung der Swiss School of Public Health kommt zu dem Ergebnis, dass zwei bis vier Prozent der Kinder noch Monate nach einer Infektion an Spätfolgen wie Müdigkeit und Erschöpfung leiden. Eine englische Studie geht sogar von sieben Prozent aus.
Sind Lehrer und Erzieher nicht ohnehin schon fast alle geimpft?
Ein Großteil offenbar schon. Das ist zumindest das Ergebnis des jüngsten Covid-19 Impfquoten-Monitorings in Deutschland (Covimo), das vom RKI Ende Juni veröffentlicht wurde: Demnach waren bis zum 9. Juni rund 84 Prozent der Lehrer und Erzieher in Deutschland mindestens einmal und 37 Prozent vollständig geimpft - eine sehr gute Impfquote im Vergleich zur Gesamtbevölkerung.
Allerdings beruht die Untersuchung nur auf Umfragen unter einer begrenzten Anzahl von Studienteilnehmern. Es gibt also die Möglichkeit, dass die wahre Zahl der geimpften Lehrer und Erzieher niedriger ist.
Was halten die Betroffenen von einer Impfpflicht?
Wenig bis nichts. Angesichts der hohen Impfbereitschaft der Lehrer sei eine Impfpflicht weder notwendig noch angemessen, sagte Ayla Çelik, NRW-Vorsitzende der Lehrergewerkschaft GEW dem WDR am Montag. "Zwang ist niemals ein guter Begleiter in einer Demokratie."
Auch Marlene Seckler, Gewerkschaftsekretärin bei Verdi in NRW, hält eine Impfpflicht für das Kita-Personal für unnötig und angesichts der Leistungen der Erzieher in der Pandemie für eine Zumutung. "Vorher müsste in Kitas erst einmal eine funktionierende Teststrategie ans Laufen gebracht werden."
Auch die NRW-Landesregierung hält eine Impfpflicht für den falschen Weg. "Der Gesundheitsminister hat sich ja eindeutig dazu verhalten, dass es diese Impfpflicht nicht geben wird. Dem schließe ich mich an", sagte NRW-Bildungsministerin Yvonne Gebauer (FDP) dem WDR.
Wann kommen Impfstoffe für Kinder?
Zwei Pharmafirmen, Moderna und Biontech/Pfizer, testen derzeit ihre Corona-Impfstoffe an Kindern unter zwölf. Beide haben Medienberichten zufolge keinen eigenen Impfstoff entwickelt, sondern wollen ihre bereits zugelassenen Präparate in niedriger Dosierung auch bei Kindern einsetzen. Pfizer scheint dabei bereits weiter zu sein als Moderna: Man rechne mit einer Zulassung bis Anfang 2022, teilte das Unternehmen mit.