Bei der Firma Tönnies wurde das Coronavirus (SARS- CoV-2) auch über mehrere Meter Entfernung übertragen. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Studie. Prof. Martin Exner, Direktor des Instituts für Hygiene und öffentliche Gesundheit der Uniklinik Bonn, war an der Studie beteiligt.
Er sagt: Umluftumwälzung von Innenraumluft und körperliche Anstrengung der im Raum befindlichen Personen sind Risikofaktoren für die Übertragung von SARS-CoV-2.
WDR: Was ist für Sie die Erkenntnis aus der Studie?
Porträtaufnahme von Prof. Martin Exner
Prof. Martin Exner: Die Studie kommt zu dem Schluss, dass es unter bestimmten Umständen zu einer Übertragung von SARS-CoV-2 auch über eine Entfernung von über acht Metern kommen konnte. Die Übertragungen passierten unter den besonderen Bedingungen eines Zerlegebetriebs bei niedrigen Temperaturen ( 5-10°C) und Umluftbetrieb.
WDR: Auf welche anderen Orte lassen sich die Ergebnisse der Studie übertragen?
Exner: Wir können jetzt nicht mehr vollständig ausschließen, dass es auch über Umluft unter spezifischen Bedingungen zu einer Übertragung kommen kann. Das muss bei Untersuchungen von Ausbrüchen in Zukunft berücksichtigt werden. Wir müssen uns außerdem präventiv Gedanken machen, wie wir bei notwendigem Umluftbetrieb eine zusätzliche Sicherheit gewährleisten können.
Denn es gilt die Grundregel: Bei raumlufttechnischen Anlagen möglichst mit 100 Prozent Frischluft arbeiten. Das ist aber nicht immer energetisch möglich. Deshalb müssen wir uns intensiv mit der Frage befassen, wie wir bei notwendigem Umluftbetrieb die Luft besser aufbereiten können.
WDR: Was ist Ihr Vorschlag: Wie muss die Raumluft erneuert werden?
Exner: Ähnlich wie in Flugzeugen: Wenn es technisch nicht anders geht, sollte man Hochleistungsfilter einsetzen oder die Raumluft dezentral erfassen und in mobilen Luftreinigungssystemen aufbereiten. Dabei wird Luft über sehr feinporige Filter geführt, die in der Lage sind, Viren aus der Raumluft heraus zu filterten.
WDR: Im Zerlegebetrieb bei Tönnies wird schwer gearbeitet. Welche Rolle spielt körperliche Anstrengung bei der Virusübertragung über längere Strecken?
Exner: Körperliche Anstrengung spielt nach den ersten Erkenntnissen eine wichtige Rolle. Je mehr Luft Sie in die Lungen hineinpumpen und wieder ausatmen, desto höher ist natürlich auch die Wahrscheinlichkeit, dass Sie virusgeladene Luft einatmen und auch wieder abgeben.
In Räumen, in denen viele Menschen hart körperlich arbeiten - also nicht am Schreibtisch sitzen - oder Sport treiben, ist aus dem Raum in den Raum rückgeführte Umluft ein Risikofaktor. Wenn die Raumluft dagegen mit 100 Prozent Frischluft erneuert wird, ist das sehr gut.
WDR: Was bedeuten die Erkenntnisse für Fitnessstudios?
Exner: Man muss zumindest klären, wie die Luft aufbereitet wird: Wie hoch ist der Umluftanteil? Muss die Luft zusätzlich gefiltert werden? Solche Fragen müssen zukünftig sicher auch bei Hygienekonzepten berücksichtigt werden.
Das Interview führte Christina Hövelhans.
Definition Umluft
Umluft bedeutet, dass Luft aus dem Raum abgezogen wird und über Ventilatoren z.B. nach Kühlung in den Raum entweder mit oder ohne Filtration zurückgeführt wird.