Das Telefon steht in der Kita "Himmelszelt" in Essen-Rellinghausen seit Tagen nicht mehr still. Alle Eltern der rund 90 Kinder werden angerufen. Mit ihnen wird besprochen, um wieviel Uhr sie die Kinder ab Montag (08.06.2020) bringen und abholen können.
Absperrband soll Kontakte zu anderen Gruppen vermeiden
Alle bekommen eine bestimmte Uhrzeit gesagt. Das ist nötig, damit kein Gedränge entsteht, sagt die Kita-Leiterin Janetta Bettenworth. Die Eltern sollen auch nicht mit in die Kita hineinkommen, sondern ihre Kinder an der Tür abgeben.
Erzieher müssen rennen, trösten, kümmern
Für die Erzieherinnen ist das mehr Aufwand. In dieser Zeit können sie ihre Gruppe nicht betreuen. Sie müssen zum Teil von einer anderen Etage herunterkommen und Zeit für den Empfang einplanen. Oft fällt kleinen Kindern die Trennung von Mama oder Papa ja schwer und sie müssen getröstet und abgelenkt werden.
Auch ansonsten wird so manches anders laufen als sonst: Kontakte zwischen den Kindern werden sich nicht vermeiden lassen. Aber wenigstens die Gruppen müssen getrennt voneinander bleiben. "So wie die Kinder das bisher kannten, dass sie frei durch die Gegend laufen, das geht im Moment nicht," erläutert die Kita-Leiterin.
Jede Gruppe darf nur ein Badezimmer benutzen. Dabei dürfen sich die Kinder aus den Gruppen nicht begegnen. Um das zu vermeiden wurden die Wege mit Sperrband vorgegeben. Das gleiche gilt fürs Außengelände. Jede Gruppe bekommt einen Teil für sich. Das gesamte Gelände wurde mit Sperrband unterteilt.
Eltern laden Frust ab
Diese Anforderungen müssen alle Kitas in Nordrhein-Westfalen erfüllen. Das ist ein enormer Organisationsaufwand. Zudem steht weniger Personal zur Verfügung. In den meisten Kitas gehören 10-20 Prozent der Erzieherinnen zur Risikogruppe.
Weil die Personaldecke in vielen Kitas so dünn ist, hat das Land NRW vorgegeben, dass die Betreuungszeiten pro Woche um zehn Stunden reduziert werden. Und zwar auch bei den Kindern, die bislang in den Notgruppen betreut wurden.
Über die reduzierten Stunden sind viele Eltern verärgert und laden ihren Frust bei den Erzieherinnen ab, berichtet Kita-Leiterin Bettenworth: "Wir nehmen das nicht persönlich. Aber schön ist das natürlich nicht."
Viele Erzieherinnen sind Risikogruppe
Eigentlich freuten sich alle Erzieherinnen der Kita "Himmelszelt" wieder auf die Kinder. Das sei schließlich ihr Job und sie seien froh keine Kurzarbeit machen zu müssen. Hier oder da käme aber durchaus auch das Gefühl auf, verheizt zu werden, berichtet auch die Gewerkschaft Verdi.
Die Erzieherinnen wünschen sich mehr Schutz und Corona-Tests. Die seien derzeit aber nicht vorgesehen. "Da fallen auch Wörter wie Kanonenfutter", beschreibt Janetta Bettenworth die Stimmung ihres Teams. "Die Kinder kommen alle wieder und dann gucken wir mal, was passiert."
Erzieherinnen: "Werden nicht gesehen"
Auch Eltern hätten wenig Verständnis für die Situation. Janette Bettenworth würde den Begriff "verheizen" zwar nicht verwenden. Aber sie und ihre Kollegen fühlen sich nicht wahrgenommen. "Wir werden nicht richtig gesehen."