Ungeimpft in Quarantäne: Entschädigung für Verdienstausfall endet in NRW am 11. Oktober
Stand: 10.09.2021, 15:40 Uhr
Nicht geimpft und in Quarantäne? Dann wird es bald kein Geld mehr geben. Auch NRW wird, ähnlich wie Baden-Württemberg, bei Ungeimpften nun "klare Kante" zeigen, so der Gesundheitsminister.
NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) schafft Fakten: Ab dem 11. Oktober - also zusammen mit dem Auslaufen der bundesweit kostenlosen Corona-Bürger-Tests - gilt in NRW: für ungeimpfte Kontaktpersonen von Corona-Infizierten zahlt das Land keine "Verdienstausfallentschädigung" mehr. Während der angeordneten Quarantäne gibt es also keine Lohnfortzahlung.
"Ausgenommen von dieser Regelung bleiben weiterhin Menschen, die sich aus gesundheitlichen Gründen nicht impfen lassen können", teilte das Ministerium am Freitag mit. Genesene und Geimpfte, die aufgrund von Impfdurchbrüchen oder Neuerkrankungen in Quarantäne müssen, haben ebenfalls weiterhin einen Anspruch auf eine Verdienstausfallentschädigung.
Laumann: Zeit, dass es für Ungeimpfte "ungemütlich" wird
Bereits am Vortag hatte NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) im Landtag sichtlich sauer erklärt: Wer sich die Freiheit nehme, sich nicht impfen zu lassen, dürfe in Zukunft nicht davon ausgehen, bei einer Quarantänepflicht Lohnfortzahlung zu erhalten. Der müsse dafür vielmehr "in vollem Umfang persönlich einstehen".
Bislang wurde die Lohnfortzahlung bei Quarantäne in NRW letztlich komplett aus dem Landeshaushalt beglichen - rund 120 Millionen Euro waren geflossen. Und so polterte Laumann im Plenum: Die Landesregierung müsse sich langsam entscheiden, ob sie "klare Kante fahren will - oder es jedem Recht machen". Es sei an der Zeit, dass es "für Nichtgeimpfte ungemütlich wird".
Während die AfD empört auf den Vorstoß reagierte, stimmte Mehrdad Mostofizadeh (B'90/Die Grünen) Laumann indirekt zu: Er sagte, dass man so gesehen auch Rauchen oder schlechte Ernährung als Freiheit betrachten könne, die sich der Einzelne nehme. Aber wenn durch eine Impfverweigerung "andere dadurch in Mitleidenschaft gezogen werden", sei eine Grenze erreicht.
Bundesinfektionsschutzgesetz macht Zahlungsstopp möglich
Dass die bisherige Entschädigung für Verdienstausfall von einem Bundesland gestrichen werden kann, ermöglicht ein Passus im Bundes-Infektionsschutzgesetz. Darin steht, dass der Anspruch auf Entschädigung entfällt, wenn eine öffentlich empfohlene Impfung möglich ist - der Betroffene sich also durch ausreichende Vorsorge hätten schützen und den Ausfall abwenden können.
Weil seit mehreren Wochen nun Impfstoff im Überfluss verfügbar ist, kann dieser Bestimmung nun angewendet werden, sagte ein Sprecher des NRW -Gesundheitsministeriums.
Eine Ausnahme gilt allerdings, solange die epidemische Lage von nationaler Tragweite besteht: Werden Einrichtungen wie Kitas und Schulen vorübergehend geschlossen oder der Zugang eingeschränkt, gibt es eine Entschädigung für die Eltern - auch für ungeimpfte.
Baden-Württemberg setzt die rechtlichen Rahmenbedingungen als erstes Bundesland ab dem 15. September um. Rheinland-Pfalz will zum 1. Oktober nachziehen, Hessen überlegt noch. Andere Länder hätten lieber eine bundeseinheitliche Regelung.
Quarantäne kostete bisher halbe Milliarde
Aber Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) findet das Vorpreschen in Baden-Württemberg gut. Vor allem, weil den Ländern die Entschädigungszahlungen teuer zu stehen kommen. Einer Umfrage der Nachrichtenagentur epd zufolge kostete die Entschädigung für Verdienstausfall seit Pandemiebeginn mehr als eine halbe Milliarde Euro. Minister Spahn sieht nicht ein, "warum auf Dauer andere zahlen sollen, wenn sich jemand nicht für die kostenlose Impfung entscheidet, obwohl er könnte."
Reizthema Impfstatus
Bleibt die Frage, wie ein Arbeitgeber überhaupt feststellen kann, ob jemand geimpft ist oder nicht. Es wird gerade heiß diskutiert, ob der Impfstatus Privatsache ist oder nicht. Aber das Land Baden-Württemberg hat die Frage schon für sich geklärt: Der Arbeitgeber darf fragen. "Das haben wir vom Bundesgesundheitsministerium klären lassen", heißt es aus dem Sozialministerium. Ergebnis: Das Datenschutzrecht gebe es her.
Rechtsanwalt: "Verfassungsrechtlich schwierig"
Für Rechtsanwalt Arndt Kempgens aus Gelsenkirchen ist die Sache gar nicht so eindeutig: eine "verfassungsrechtlich schwierige Frage", findet er. Zwar sei der Arbeitgeber grundsätzlich berechtigt, die Lohnfortzahlung zu verweigern, wenn der Arbeitnehmer sein Fernbleiben selbst verschuldet hat.
Arbeitsrechtlich problematisch sei aber, dass die Regelung zu einer faktischen Benachteiligung ungeimpfter Arbeitnehmer führen würde, obwohl eine Impfpflicht nicht besteht. Jedenfalls rechnet Kempgens fest damit, dass es zu arbeitsrechtlichen Auseinandersetzungen kommt, sobald die Regel angewendet wird. Ausgang: unsicher.