Fast alles wieder erlaubt: Locker in die neue Corona-Welle?

Stand: 14.06.2020, 20:16 Uhr

  • Neue Corona-Schutzverordnung wirft viele Fragen auf
  • Opposition sieht weitere Lockerungen kritisch
  • Internist Hallek: Bewusstsein wachhalten, dass wir aufpassen sollten
  • Dortmunder Gesundheitsamtsleiter skeptisch

Am Montag (15.06.2020) sollen in NRW neue Lockerungen der Corona-Schutzverordnung in Kraft treten. Nur vier Tage zuvor hatte die Landesregierung überraschend eine weitgehende Lockerung der Regeln angekündigt. Dabei sind die Änderungen umfangreich - und nicht alle auf den ersten Blick nachvollziehbar.

So sollen zum Beispiel Bars und Kneipen wieder öffnen dürfen, Clubs und Diskotheken hingegen nicht. Auch private Feste mit bis zu 50 Gästen sind unter Auflagen wieder erlaubt.

Geschlossene Räume problematisch

Auch beim Sport gibt es Änderungen. So ist Kontaktsport ab Montag wieder möglich. Im Freien sind bis 30 Personen erlaubt, in geschlossenen Räumen Gruppen bis zehn Personen.

Doch gerade das sieht Lungenfacharzt Dr. Heinz-Wilhelm Esser problematisch: "Da muss zumindest die Möglichkeit gegeben sein, dass diese Räume gut klimatisiert sind", warnt "Doc Esser".

Der Kölner Internist Prof. Dr. Michael Hallek hält "Superspreader-Events" für gefährlicher als die Eins-zu-eins-Infektion. Meist würden junge Erwachsene solche Ereignisse auslösen, die in geschlossenen Räumen zum Beispiel Sport machten oder laut Karaoke sängen. "Das müssen wir lernen, damit klug umzugehen", erklärte Hallek in der Aktuellen Stunde des WDR am Sonntag (14.06.2020).

Sein Appell an alle, die Sport treiben und wieder feiern wollen: "Das Bewusstsein wach halten, dass wir zwar öffnen wollen und wieder leben wollen, aber aufpassen sollten als vernünftige, mündige Bürger."

Lockerungen wären zwar "im Grundsatz richtig", teilte Merdad Mostofizadeh (Grüne) mit. Allerdings könne er hier keinen Plan oder Konzept erkennen.

"Ich habe bei diesen weitreichenden Lockerungen große Bauchschmerzen", erklärte auch SPD-Fraktionschef Thomas Kutschaty. Denn aus Lockerungen werde zu schnell eine leichtfertige Lockerheit im Umgang mit dem Virus.

Laumann: Politik musste reagieren

Im Interview mit der "Aktuellen Stunde" verteidigte NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) am Freitagabend die Entscheidungen. Aktuell habe NRW nur rund 1.700 Infizierte, von denen nur 80 im Krankenhaus stationär behandelt werden müssen. "Wenn die Zahlen so sind, muss die Politik darauf reagieren."

Statt auf allgemeine Verbote, werde sich NRW nun darauf konzentrieren, dass die Kontakte von Neuinfizierten möglichst lückenlos nachverfolgt werden können.

Gesundheitsämter am Limit?

Bei der Nachverfolgung sieht der Leiter des Dortmunder Gesundheitsamts Frank Renken allerdings Probleme auf sich zukommen. Zurzeit gebe es seinem Amt täglich rund sieben neue Meldungen, sagte er am Samstag im Interview mit dem WDR-Morgenecho.

Die Recherche der Kontaktpersonen sei mit dem vorhandenen Personal gerade noch zu schaffen. Schon mit zehn neuen Fällen am Tag wäre das Gesundheitsamt überfordert, sagt Renken.

Personalmangel scheint es auch in anderen Gesundheitsämtern in NRW zu geben. Bei einer Umfrage des WDR im Mai hatte die Mehrzahl der Ämter eingeräumt, die Vorgaben des Landes für die Nachverfolgung von Kontaktpersonen nicht einhalten zu können.


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