Viele Deutsche sind verwundert, manche verärgert. Weil in Ländern wie Kanada oder Israel jetzt schon Menschen gegen Corona geimpft werden - und das auch noch ausgerechnet mit dem "deutschen" Impfstoff des Mainzer Pharmaunternehmens Biontech und dessen US-Partner Pfizer.
Schneller oder gründlicher zulassen?
Warum wird in Deutschland noch nicht geimpft? Weil Deutschland auf eine Notfall- beziehungsweise Eilzulassung des Impfstoffes verzichtet hat. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte sich dafür ausgesprochen, dass die europäische Zulassungsbehörde EMA angemeldete Impfstoffe lieber gründlich statt schnell prüfen sollte.
Das Verfahren wird nun kontrovers diskutiert. SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach sagte dazu dem WDR am Montag: "Das war eine Entscheidung, die schon sehr früh gefallen ist. Das hat auch haftungsrechtliche Gründe. Bei der Notfallzulassung trägt im Prinzip der Staat das Haftungsrisiko, wenn es zu Impfkomplikationen kommt. Bei den normalen Zulassungsverfahren ist das Haftungsrisiko bei den Unternehmen."
Lauterbach hält Impfstoff für sicher
Lauterbach äußerte aber auch Unverständnis, dass die Zulassung für Deutschland so lange dauert: "Man kann jetzt nur die europäische Zulassungsagentur bitten, transparent zu sagen, weshalb es nicht schneller geht. Die Daten zum Impfstoff lagen schon eine ganze Zeit lang vor." Er hält den Impfstoff für sicher: "Wir haben 40.000 Menschen geimpft und es gab keinen einzigen schweren Zwischenfall. Und langfristige Schäden sieht man sowieso erst, wenn in der Praxis geimpft wird."
Welfens: "Ein viel zu hoher Preis"
Prof. Paul Welfens vom Lehrstuhl für Volkswirtschaftslehre an der Uni Wuppertal kritisiert das langfristige Zulassungsverfahren schärfer: "Es ist ein echtes Problem, wenn wir die Todeszahlen von über 400 täglich in Deutschland sehen. Das ist doch ein viel zu hoher Preis, der von der Gesellschaft bezahlt wird."
Welfens sieht außerdem ein ökonomisches Problem. Durch den verspäteten Impfbeginn werde Deutschland ein Prozent weniger Wirtschaftswachstum haben, das koste 34 Milliarden Euro.
Zulassung bis 29. Dezember
EU-Korrespondent Ralph Sina, Leiter des WDR/NDR-Hörfunkstudios in Brüssel, wirbt hingegen um Verständnis: "Die europäische Arzneimittelbehörde weiß, dass die Erwartung da ist, dass die Zulassung des Impfstoffs vor dem 29. Dezember erfolgt. Sie arbeitet rund um die Uhr. Aber sie sagt: Noch wichtiger als Schnelligkeit ist uns die Sicherheit."
Dafür gebe es gute Gründe. Deutschland wolle nicht in eine Situation kommen wie Großbritannien. Dort hatte man feststellt, dass der Impfstoff für Menschen, die unter Asthma oder Allergien leiden, nicht optimal ist und zu Komplikationen führt.