Der gemeinsame Beschluss von Bund und Ländern zur Bekämpfung der Corona-Pandemie sollte vor allem eines bewirken: Sicherheit für die Menschen. Doch nach der Konferenz der Kanzlerin mit den Ministerpräsidenten und -präsidentinnen ist in vielen Bundesländern noch unklar, welche Vorgaben wie umgesetzt werden. Eine einheitliche Umsetzung halten Experten für maßgeblich, damit die Regeln auch eingehalten werden.
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) bewertete das Signal des Treffens im Kanzleramt dennoch als positiv. Es zeige ein gemeinsames Grundverständnis, das wichtig sei. Denn bereits jetzt werde entschieden, ob Weihnachten "in gewohnter Weise stattfinden kann".
Experten kritisieren unterschiedliche Umsetzung der Corona-Regeln
Das derzeitige Verhalten der Bundesländer hält der Infektionsforscher Michael Meyer-Hermann vom Helmholtz-Zentrum in Braunschweig in diesem Zusammenhang für "kontraproduktiv". "Die unterschiedlichen Vorgehensweisen führen zu einer großen Verunsicherung", sagte er in den ARD-Tagesthemen.
Auch der Sozialpsychologe Rolf van Dick von der Goethe-Universität Frankfurt kritisiert das Vorgehen der Länderchefs. "Dadurch, dass sie keine Konsistenz bei der Umsetzung zeigen, sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass die Regeln eingehalten werden", erklärt er. Schon eine Abweichung sorge dafür, dass Menschen diese als Ausrede nutzten, um sich nicht an die Maßnahmen zu halten.
Halten sich Menschen freiwillig an die Maßnahmen?
Einen ähnlichen Effekt haben laut van Dick auch die aktuellen Gerichtsurteile, mit denen bereits Beherbergungsverbote und Sperrstunden gekippt wurden. Infektionsforscher Meyer-Hermann hofft in diesem Zusammenhang auf die Einsicht der Menschen. "So erreichen wir vielleicht, dass die Leute nicht reisen und wenn sie in einem Hotspot wohnen vielleicht zuhause bleiben."
Diese Hoffnung teil van Dick nicht. "Es gibt nur zwei Dinge, die dazu führen, dass Menschen persönliche Einschränkungen in Kauf nehmen", so der Sozialpsychologe, "persönliche Betroffenheit und die Androhung von Strafen". Bei einem Besuch in Italien habe er gesehen, wie viele Menschen sich dort an die Maßnahmen hielten. "Das hängt auch damit zusammen, dass viele Todesfälle in der eigenen Familie erlebt haben", sagt van Dick.
In Deutschland sehe er eine solche Entwicklung jedoch nicht. "Dafür ist unser Gesundheitssystem zu gut", so van Dick. Daher blieben nur die Bußgelder und Strafen für Menschen, die sich nicht an die Regeln halten. "Das ist ähnlich wie bei der Einführung der Gurtpflicht in den 1980er Jahren", erklärt der Psychologe. "Sicherheitsgurte in Autos gab es schon ab den 60er Jahren, aber die Menschen hatten bis zur Einführung eines Bußgeldes immer Ausreden, warum sie sie nicht nutzen wollten."