Russlands Präsident Wladimir Putin hat am Dienstag die Entwicklung und Zulassung des Impfstoffs "Sputnik V" gegen das Coronavirus verkündet. Laut Putin ist der Impfstoff "sehr wirksam", erzeuge "eine hohe Immunität" und habe "alle erforderlichen Prüfungen bestanden".
Fachleute nicht nur aus Deutschland bezweifeln das. WDR-Wissenschaftsjournalistin Ruth Schulz vom Quarks-Team hält Putins Aussagen für "nicht glaubhaft": "In Deutschland und in keinem anderen Land der Welt würde der Impfstoff bei diesem Stand der Entwicklung zugelassen. Man weiß ja noch gar nicht, ob er wirklich schützt vor einer Infektion."
Endgültiger Wirkungsnachweis fehlt
An viel zu wenigen Menschen sei der Impfstoff getestet worden, so Ruth Schulz. Was dem russischen Impfstoff fehlt, ist der endgültige Wirkungsnachweis bei einer größeren Gruppe von mehreren tausend Probanden. In dieser sogenannten Phase III können auch seltene, aber ernsthafte Nebenwirkungen erkannt werden.
Virologe: Andere Gesetze in Russland
Ähnlich sieht es der Kölner Virologe Dr. Rolf Kaiser von der Uniklinik Köln: "Von dem russischen Impfstoff haben wir jetzt nur über die Presse erfahren, dass der nach einer Testung von 38 Patienten bereits zugelassen worden ist", sagte er dem WDR. Das sei nach russischem Gesetz wohl so auch legitim. In Deutschland etwa halte man sich aber an die Vorgaben und Sicherheitsstandards, die das Paul-Ehrlich-Institut setzt. Und das bedeutet: Zulassung erst nach einer großen Probandenanalyse.
Keine nachprüfbaren Daten
Die WDR-Wissenschaftsjournalistin bemängelt zudem wie der Hamburger Virologe Jonas Schmidt-Chanasit, dass es "bisher keine nachprüfbaren Daten gibt". Jetzt käme es darauf an, viele Menschen zu testen in doppelblinden Studien – das heißt, weder Ärzte noch Probanden wissen, wer den Impfstoff bekommt und wer den Placebo-Stoff.
Problem der allgemeinen Akzeptanz
Schulz gibt außerdem zu bedenken, dass selbst viele Wissenschaftler in Russland eher von einer "Registrierung eines vielleicht vielversprechenden Impfstoffs in Arbeit" als von einer echten Zulassung sprächen. Für die Expertin könnte das russische Vorpreschen einen großen Schatten auf die gesamte Impfstoffforschung werfen: "Wenn der Impfstoff dann doch nicht funktioniert, kann es passieren, dass viele Menschen Impfstoffe gegen Corona nicht akzeptieren."
So steht die Vermutung im Raum, dass die russische Politik das Tempo bei der Zulassung des Impfstoffs bestimmt hat und nicht die Medizin. Die Weltgesundheitsorganisation WHO, die die Teststandards vorgibt, kündigte an, alle Daten über die Sicherheit und Wirksamkeit genau zu überprüfen.