Nach den Osterferien ist die "Woche der Vorsicht" in den meisten Schulen in NRW. Das heißt: Distanzunterricht. Ab kommenden Montag sollen alle Schülerinnen und Schüler wieder in die Klassenzimmer zurück - allerdings im Wechselunterricht und bei lokalem Inzidenzwert unter 200. Damit gehe man in NRW weiter "den Weg der Vorsicht", sagte Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) am Mittwoch in einer kurzfristig anberaumten Pressekonferenz. Lediglich für die Abschlussklassen gelte weiter voller Präsenzunterricht - aber auch hier sei das Wechselmodell möglich.
Gebauer wies darauf hin, dass das bald bundesweit in Kraft tretende Infektionsschutzgesetz vollen Präsenzunterricht bis zur 200-er Inzidenz in einer Großstadt oder einem Landkreis vorsehe. Diese Option wolle man in NRW "nicht voll ausschöpfen". Wechselunterricht in kleinen Lerngruppen dagegen halte sie für "verantwortbar". Höheres Infektionsgeschehen bedeute weniger Präsenzunterricht, niedrigeres Infektionsgeschehen dagegen mehr Präsenzunterricht. Diese Regelung solle jetzt "für eine längere Zeit gelten".
Test als Bedingung für Präsenzunterricht
Bedingung für die Teilnahme am Präsenzunterricht seien Tests, sagte Gebauer. Ihren Angaben zufolge sollen die seit dem vergangenen Wochenende überall in den Schulen angekommen sein - die Lieferung laufe jetzt planmäßig.
Eltern, die ihre Kinder nicht in der Schule testen lassen wollen, hätten aber die Möglichkeit, einen Bürgertest zu nutzen und das negative Ergebnis, das nicht älter sein dürfe als 48 Stunden, in der Schule vorzulegen. Testverweigerer hätten aber nicht automatisch Anspruch auf Distanzunterricht, stellte Gebauer klar.
Auf die vielfach geäußerte Kritik, dass die Testkits besonders für kleinere Kinder zu kompliziert seien, sagte die Ministerin, man sei "intensiv auf der Suche nach Alternativen" für Grund- und Förderschüler. Gebauer bedankte sich bei allen Eltern und Lehrkräften für deren Engagement in diesen schwierigen Zeiten und für "die Geduld", die sie aufbrächten.
Heftige Kritik von Grünen, Lehrerverbänden und Schülern
Dennoch hagelte es prompt heftige Kritik: Nach der "Woche der Vorsicht" kämen jetzt die "Tage der Fahrlässigkeit", sagte Sigrid Beer, bildungspolitische Sprecherin der Grünen. Die Schüler wieder in den Wechselunterricht zu schicken, während man in Richtung einer 200er-Indzidenz "galoppiere", sei verantwortungslos, sagte Beer.
Beer schlug vor, mithilfe von Lehramtsstudierenden in noch kleineren Gruppen zu unterrichten. Außerdem könnte Druck von Schülern und Lehrkräften genommen werden, wenn Klassenarbeiten ausgesetzt würden.
SPD: Kein Sitzenbleiben
Das ständige "Hin und Her" verspiele unnötig Vertrauen, kritisierte Jochen Ott, stellvertretender Vorsitzender der SPD-Landtagsfraktion. Zwar begrüße die SPD, dass Kinder und Jugendliche ab kommender Woche wieder in die Schule gehen können. Die Entscheidung zeige aber, dass die Begründung für den Distanzunterricht "alles andere als plausibel war". Den wahren Grund vermutet Ott "in der mangelnden Vorbereitung für die Testungen an den Schulen". Er hoffe, "dass die Schulministerin die Lage in den Griff bekommen hat". Ihr Hinweis auf die Möglichkeit der Bürger-Testzentren verheiße allerdings "nichts Gutes", so Ott.
Die SPD fordert, die zentralen Prüfungen am Ende der 10. Klasse durch "dezentrale Lösungen" zu ersetzen. Sitzenbleiben dürfe es in diesem Jahr nicht geben.
Tests nicht kindgerecht
Die Gewerkschaft Lehrer NRW fürchte "ein erhebliches Risiko" durch die geplante Schulöffnung am Montag bei gleichzeitig rasant steigenden Infektionszahlen und "unzureichender Test- und Impfstrategie", sagte der Vorsitzende Sven Christoffer. Die vom Land georderten Selbsttests seien "zu aufwändig, zu fehleranfällig und absolut nicht kindgerecht".
Nach wie vor seien keine Impfungen für die Lehrkräfte an weiterführenden Schulen in Sicht. Derzeit gilt eine höhere Priorisierung nur für die Lehrer an Grund- und Förderschulen. Wie hoch hier mittlerweile die Durchimpfungsquote ist, konnte Gebauer nicht sagen. Auch sei noch nicht absehbar, wann etwa Gymnasialkräfte in NRW geimpft werden könnten.
Schüler fordern Mobile Teststationen
Auch Maike Finnern, Vorsitzende der Lehrergewerkschaft GEW NRW, hatte das bisherige Testmanagement zuvor "ein Desaster" genannt: Dass Lehrpersonal, "nur mit Maske geschützt die Tests abnehmen soll, geht gar nicht". Es brauche "geschultes Personal" dafür.
Gleiches fordert die Landesschülervertretung NRW. "Wenn man sieht, wie Testungen in manchen Schulen ablaufen, ist es nachvollziehbar, wieso manche Schüler und Schülerinnen sich nicht vor dem Unterricht testen lassen möchten", sagte Vorstandsmitglied Julius van der Burg. An vielen Schulen gebe es kein erkennbares Konzept für die Durchführung der Tests, es fehle an Sicherheit und Diskretion.
Mobbing nach positiven Testergebnissen und Diskriminierungen, "psychischer Stress und auch das Gefühl von falscher Sicherheit wegen falschen Testergebnissen" seien daher "handfeste Gründe gegen eine Testpflicht". Die LSV fordert, die Schnelltests an Schulen müssten von Mobilen Teams und "medizinisch geschultem Personal" durchgeführt werden.