Eine Wohnsiedlung im Westfälischen. Hier wohnen einige der Menschen, die zu Tausenden aus Osteuropa gekommen sind, um in einem Schlachtbetrieb des Tönnies-Unternehmens zu arbeiten. Alle stehen unter Quarantäne, weil einer der Mitbewohner positiv auf das Corona-Virus getestet wurde.
Die Arbeit bei Tönnies sei hart, aber gut, erzählt einer, der draußen steht. Nur das Subunternehmen zahle nicht gut. Dass Tönnies die Mitarbeiter nicht selbst bezahlt, sondern Anwerbung und Verträge einem solchen Subunternehmen überlässt, ist ein gängiges Geschäftsmodell in der deutschen Fleischindustrie.
Kranksein kostet extra
Dass diese Subunternehmen die Wohnungen stellen, ist auch üblich. Eher ungewöhnlich sind aber die Mietverträge. So heißt es in einem Vertrag, der dem WDR vorliegt: "Im Falle eines Fernbleibens von der Arbeit wird dem Arbeitnehmer zusätzlich eine Nutzungspauschale von 10 Euro pro Tag für die Nutzung der Wohnung berechnet." Wer sich krank fühlt, könnte da lieber zur Arbeit gehen - in Zeiten von Corona ein fatales Signal.
Acht Menschen in einer Wohnung
Der Verein "Aktion Arbeitsunrecht" aus Köln hat rumänische Tönnies-Mitarbeiter über das Internet aufgefordert, ihre Wohnsituation zu schildern. Die Resonanz war groß, sagt Vereinsmitarbeiterin Jessica Reisner. Viele hätten von Wohnungen berichtet, die mit acht Personen belegt waren, andere erzählten von Ehepaaren, deren Zimmer "so groß war wie das Doppelbett und wo sie kaum noch etwas anderes unterbringen konnten".
Dicht an dicht am Fließband und in der Kantine
Es ist nicht nur die beengte Wohnsituation, die Kritikern aufstößt. Die Corona-Ausbrüche in fleischverarbeitenden Betrieben - erst bei Westfleisch, jetzt bei Tönnies - haben wieder ein Schlaglicht auf die Zustände im Unternehmen selbst geworfen. Dort stehen die Arbeiter dichtgedrängt am Fließband, dichtgedrängt sitzen sie auch beim Essen in der Kantine, wie ein Video nahelegt - und das, obwohl das Land genaue Vorschriften erlassen hat, wie die Arbeit geregelt werden muss.
Strafanzeigen gegen Unbekannt
"Skandalöse Zustände", findet Grünen-Chef Robert Habeck in der "Aktuellen Stunde". Seine Parteifreundin Britta Haßelmann, die ihren Wahlkreis in Bielefeld hat, hat deswegen jetzt Strafanzeige gegen Tönnies gestellt: Der große Ausbruch dort lasse "sich nur durch eine massive Nicht-Einhaltung von Arbeitsschutzstandards, Arbeitsbedingungen sowie einer unverantwortlichen Wohn-, Unterbringungs- und Transportsituation" erklären.
Insgesamt sind fünf Strafanzeigen bei der Staatsanwaltschaft Bielefeld eingegangen. Die ermittelt nun wegen des Anfangsverdachts auf gefährliche Körperverletzung und Verstoßes gegen das Infektionsschutzgesetz - vorläufig gegen Unbekannt.
Werkverträge sollen verboten werden
Gleichzeitig macht die Bundesregierung Druck: Sie will das geplante Verbot von Werkverträgen möglichst schnell umsetzen. Denn, so Arbeitsminister Hubertus Heil: In Rheda-Wiedenbrück sei zu erleben, was passiere, "wenn mit Arbeitnehmern aus Mittel- und Osteuropa nicht fair umgegangen wird".