Mehr Balance zwischen Leben und Beruf durch Vier-Tage-Woche?
Aktuelle Stunde. 13.11.2023. UT. Verfügbar bis 13.11.2025. WDR. Von Meike Hendriksen.
Vier-Tage-Woche gefordert: Kann das wirklich klappen?
Stand: 13.11.2023, 18:20 Uhr
Die Gewerkschaft IG-Metall fordert in den Tarifverhandlungen die Vier-Tage-Woche. Einige Unternehmen in NRW setzen bereits darauf. Ein Arbeitszeitmodell für die Zukunft?
Von Julian Nothen
Vier Tage arbeiten und jede Woche quasi ein langes Wochenende. Für viele Angestellte klingt das nach attraktiven Arbeitsbedingungen. In etlichen Betrieben in NRW ist das bereits gelebter Alltag. Zum Beispiel in einem Krankenhaus in Soest, bei einem Elektriker in Solingen und bei einem metallverarbeitenden Betrieb in Wenden bei Siegen.
Volker Kaluza (links)
Bei Letzterem bleibt die Firma mittlerweile seit über einem Jahr freitags leer. Die Mitarbeiter arbeiten stattdessen montags bis donnerstags jeweils neun Stunden täglich. Das habe für alle Vorteile, sagt Geschäftsführer Volker Kaluza. "Wir haben nach einem Jahr jetzt festgestellt, dass wir 20 Prozent Energie eingespart haben, wir konnten acht Fachkräfte gewinnen, wir konnten die Produktivität steigern - das heißt, wir haben mehr Umsatz erzielt, obwohl wir weniger Stunden in Summe geleistet haben - und die Mitarbeiterzufriedenheit ist auch gestiegen."
Studien legen Erfolg von Vier-Tage-Woche nahe
Zu ähnlichen Ergebnissen kommen auch mehrere Studien, an der eine Vielzahl von Unternehmen mitgewirkt haben, sagt der Arbeitsforscher Eike Windscheid-Profeta von der Hans-Böckler-Stiftung: "Wenn man da rein schaut, dann sieht man relativ schnell, dass kürzere Arbeitszeiten dazu führen, dass Menschen ausgeruhter sind, dass sie erholter sind, dass sie auch mal Zeit für sich haben."
Er spricht sich deswegen auch für eine effektive Verkürzung der Arbeitszeit aus. Also dafür, dass bei der Vier-Tage-Woche die Arbeitnehmer tatsächlich weniger arbeiten. Je nach Modell kann nämlich entweder jeweils acht oder zehn Stunden täglich gearbeitet werden.
Kritik an den Studien und auch an der Vier-Tage-Woche gibt es hingegen von Holger Schäfer vom Institut der Wirtschaft. Er sagt, dass diese positiven Effekte nicht ausreichend belegt seien. So hätten an den Studien vor allem Firmen teilgenommen, die der Arbeitszeitverkürzung positiv gegenüber stehen.
Kürzere Arbeitszeit in allen Branchen machbar?
Kritisch sieht er die Verkürzung der Arbeitszeit auch mit Blick auf die unterschiedlichen Branchen. Während im Büro etwa eine Verkürzung grundsätzlich denkbar sei, gebe es auch Bereiche, in denen das anders aussehe, so Schäfer weiter: "Wo es sehr schwer vorstellbar ist, dass so etwas funktioniert, sind Bereiche, die sich schwer noch effizienter gestalten lassen. Oder wo dann der Versuch, das zu tun - schneller zu arbeiten also - zu einem Qualitätsverlust führt."
Als Beispiel dafür nennt Schäfer den Bereich der Krankenpflege oder Altenpflege. "Die Kräfte, die dort in der Branche sind, die können nicht schneller arbeiten. Das geht nicht."
Arbeitsforscher Windscheid-Profeta sieht das anders. Aus seiner Sicht könnte die Vier-Tage-Woche bei richtiger Organisation überall funktionieren: "Tatsächlich liegen uns bisher keine Hinweise darauf vor, dass es in irgendeiner Branche nicht funktionieren würde."
Weniger Arbeitszeit als Anreiz für Fachkräfte
Die Firmen in NRW, die bereits auf die Vier-Tage-Woche setzen, berichten davon meist positiv. Vor allem sei es so einfacher, neue Fachkräfte zu gewinnen. Für viele sei die reduzierte Arbeitszeit ein entscheidendes Kriterium, heißt es etwa von Daub-CNC-Geschäftsführer Volker Kaluza.
Aus Sicht des Arbeitsforschers Windscheid-Profeta von der Hans-Böckler-Stiftung könne dieser Anreiz sogar Menschen in den Arbeitsmarkt holen, die sonst etwa familiär zu sehr gebunden sind.