Fachwerkhäuser in Warburger Altstadt

Kleine Stadt, großer Bedarf: Warburg plant Wohnraum der Zukunft

Stand: 30.09.2024, 06:00 Uhr

Nicht nur in NRW-Großstädten werden Wohnungen gebraucht, auch in der Hansestadt Warburg im Kreis Höxter. Die Stadt hat Großes vor, steht aber auch vor Herausforderungen.

Von Felix Wessel

Unter anderem ein Blick in die Facebook-Gruppe "Wohnungssuche und Vermietung in Warburg" zeigt, dass die Wohnungssuche dort schwierig sein kann. Eine Nutzerin erzählt etwa, dass sie mehrere Jahre auf der Suche war.

Bei Sebastian Kraus hat es nicht ganz so lange gedauert - aber einige Monate war auch der 32-jährige Softwareentwickler auf der Suche. "An sich waren wir in einer recht vorteilhaften Position, weil sowohl meine Frau als auch ich arbeiten und noch keine Kinder haben", berichtet er dem WDR. "Dafür haben wir aber zwei Katzen und die haben viele Vermieter schon im Vorhinein kategorisch abgelehnt." Nun haben sie aber eine neue Wohnung in der Kernstadt von Warburg gefunden.

Neues Wohnen in der alten Zuckerfabrik?

In Warburg gebe es eine große Nachfrage nach Wohnraum, aber auch nach Gewerbeflächen, bestätigt Bürgermeister Scherf im Gespräch mit dem WDR. Und neue Flächen seien knapp. Das könnte sich aber in Zukunft ändern - unter anderem, indem einem brachliegenden Fabrikgelände neues Leben eingehaucht wird.

Zuckerfabrik Südzucker in Warburg

Hier war die Zuckerfabrik in Warburg noch im Betrieb.

Mehr als 130 Jahre lang wurden dort Rüben zu Zucker verarbeitet. Im Jahr 2019 war dann trotz Protesten Schluss, die Fabrik wurde stillgelegt. Nun könnte hier, ganz in der Nähe des Warburger Bahnhofs, etwas Neues entstehen: ein Wohn- und Gewerbegebiet.

Ein Jahr nach der Schließung der Zuckerfabrik ist Tobias Scherf als Bürgermeister in Warburg ins Amt gekommen. "Ich habe mir gleich gedacht: Das ist eine Chance", sagt der CDU-Politiker.

Bei "WDR aktuell auf Tour - Nachrichten live erleben" besuchen Online-Reporterinnen, Radio-Moderatoren und TV-Redakteurinnen aus dem WDR-Newsroom Städte in NRW. Am 1. Oktober sind wir in Warburg:

Warburg: attraktive Lage zwischen Paderborn und Kassel

Unter anderem die Lage der Kleinstadt mit rund 23.000 Einwohnerinnen und Einwohnern zwischen den Großstädten Paderborn in NRW und Kassel in Hessen macht Warburg für viele Menschen attraktiv. Bürgermeister Scherf erzählt von Paaren, die nach Warburg gezogen sind, bei denen ein Partner in Paderborn arbeitet und der andere in Kassel. Sie könnten vielleicht in Zukunft auf dem Gelände der ehemaligen Fabrik wohnen und von dort zur Arbeit pendeln.

Mit Blick auf die mögliche Entwicklung der Zuckerfabrik betont Bürgermeister Scherf aber: "Es ist auch eine große Herausforderung". Hier stellen sich viele Fragen: Gibt es Altlasten auf dem alten Industriegelände? Wie lassen sich Verkehr und Lärm bewältigen? Was ließe sich überhaupt realistisch an Wohnraum entwickeln? Und woher soll am Ende das Geld kommen?

Das sind Fragen, die jetzt geklärt werden müssen. Dabei hilft auch das Land NRW: mit dem Programm "Bau.Land.Partner+" und Fördermitteln. Im nächsten Jahr soll dann der Stadtrat eine Entscheidung fällen, ob es für die Stadtentwicklung und aus wirtschaftlicher Sicht sinnvoll ist, das Gelände zu übernehmen.

Laurentiushöhe: Inklusives Quartier in Warburg geplant

Schon deutlich weiter als bei der alten Zuckerfabrik sind die Planungen in Warburg an anderer Stelle. In den kommenden Jahren soll am Heilpädagogischen Therapie- und Förderzentrum St. Laurentius-Warburg (HPZ) ein inklusives Quartier entstehen. Das HPZ unterstützt Menschen mit unterschiedlichem Hilfebedarf, etwa mit geistigen Behinderungen oder Mehrfachbehinderungen, in verschiedenen Einrichtungen.

Hier soll in Warburg das inklusive Wohnquartier Laurentiushöhe entstehen.

Hier soll in Warburg das inklusive Wohnquartier Laurentiushöhe entstehen.

Geplant sind in dem neuen Quartier unterschiedliche Angebote wie betreutes Wohnen oder Mehrgenerationenwohnen - aber zum Beispiel auch Einfamilienhäuser für junge Familien. Es soll barrierefreie und kurze Wege geben. Außerdem Grünflächen, auf denen unter anderem Sport getrieben oder gespielt werden kann. Und es soll "Orte der inklusiven Begegnung" geben, etwa einen Stadtteiltreff oder ein Quartierscafé.

"Warburg hat damit in NRW ein Alleinstellungsmerkmal", sagt Regina Höbel vom Institut für Wohnungswesen, Immobilienwirtschaft, Stadt- und Regionalentwicklung in Bochum. Das InWIS hat für die Stadt eine Analyse erstellt, wie sich die Bevölkerung in Zukunft entwickeln könnte und wie viel Wohnraum dafür gebraucht wird.

Diese inklusive Quartiersentwicklung finden Sie im ländlichen Raum von Nordrhein-Westfalen in dieser Größenordnung nicht noch einmal. Regina Höbel (InWIS)

Aber auch die Themen Umwelt und Klimaschutz sollen eine wichtige Rolle spielen - etwa mit begrünten Dächern und Solarmodulen auf den Gebäuden. Es soll verkehrsberuhigte Straßen geben, eine Fahrradstraße und eine Buslinie, um schnell in Richtung Innenstadt zu kommen.

Grüne in Warburg: Worten Taten folgen lassen

Die Grünen in Warburg loben, wie Menschen mit und ohne Behinderung eingebunden wurden, um den neuen Stadtteil zu planen. Hilla Zavelberg-Simon, Sprecherin für die Fraktion im Warburger Stadtrat, macht aber deutlich: "Nun ist die Stadtverwaltung aber gefordert, den Worten Taten folgen zu lassen" und die Ziele dann auch in innovatives Leben und Wohnen umzusetzen.

Auch Softwareentwickler Sebastian Kraus hat die Pläne zur Laurentiushöhe verfolgt und schaut positiv auf die Idee des inklusiven Wohnens dort. "Ich bin aber auch gespannt wie dort letztlich die Kauf- und Mietpreise ausfallen werden", sagt der Warburger.

Deutlicher Bevölkerungsrückgang im Kreis Höxter erwartet

Im April hatte die Bertelsmann Stiftung Zahlen für eine mögliche Entwicklung der Bevölkerung in NRW vorgelegt. Warburg liegt im Kreis Höxter. Und dort liegt der erwartete Rückgang bis zum Jahr 2040 mit fast zehn Prozent besonders hoch. In die Vorausberechnungen wurden Daten wie Geburten, Sterbefälle und Zu- und Fortzüge einbezogen. 

Nach einer Modellrechnung für das Jahr 2050 geht auch das Statistische Landesamt IT.NRW davon aus, dass im Kreis Höxter die Bevölkerung schrumpfen wird - um gut 13 Prozent. Und auch für Warburg selbst wird von einem Rückgang ausgegangen: Nur noch gut 20.000 Einwohnerinnen und Einwohner könnten es demnach sein - ein Minus von knapp 12 Prozent.

Schrumpft Warburg oder nicht?

In der Analyse des Bochumer Instituts InWIS heißt es dagegen: Warburg sei "als eine leicht wachsende Stadt einzustufen". Sie hebe sich damit "von den Schrumpfungstendenzen im Kreis Höxter ab". Warburg sei ein Wohnstandort mit hoher Anziehungskraft auf Familien und Menschen über 50 Jahren. Zu den Gründen gehörten eine gute Infrastruktur, das Freizeit- und Kulturangebot und die barrierefreie Innenstadt.

Die Stadt- und Regionalentwicklungsxperten haben zwei Prognosen für die Entwicklung in Warburg berechnet. In der optimistischeren Variante bleibt die Bevölkerungsentwicklung bis 2040 relativ stabil. Es würden in den kommenden Jahren hunderte neue Wohnungen benötigt - zusätzlich zu denen, die bereits fehlen. Grünen-Stadträtin Hilla Zavelberg-Simon findet: Wovon es in Warburg jetzt schon zu wenig gebe, das seien Sozialwohnungen.

So wie überall ist hier auch vieles vernachlässigt worden, so dass Wohnraum für Menschen in sozial schwächeren Lebenslagen fehlt. Dies wird in den zukünftigen Jahren auch die Generation der SeniorInnen treffen. Hilla Zavelberg-Simon (Grüne Warburg)

Viele neue Wohnungen in Warburg benötigt

Da könnte ein neues Wohnquartier auf dem Gelände der alten Zuckerfabrik in Warburg recht kommen. Bürgermeister Scherf stellt aber klar, dass es noch lange dauern würde, bis dort Menschen wohnen können, wo früher Rüben verarbeitet wurden.

Unterzeichnung zum Vorverkaufsrecht für das Gelände der ehemaligen Zuckerfabrik Warburg

Im Jahr 2023 wurde eine Entwicklungsvereinbarung für die Zuckerfabrik unterzeichnet.

Zwar hat die Stadt gegenüber dem Südzucker-Konzern ein Vorkaufsrecht für das Gelände. Aber dass dort tatsächlich in einigen Jahren Wohnungen und Räume für Gewerbebetriebe gebaut werden, ist noch nicht endgültig ausgemacht.

Während die Entwicklung des inklusiven Wohnquartiers Laurentiushöhe in den kommenden drei bis fünf Jahren greifbar werden dürfte, ist es laut Bürgermeister Scherf bei der alten Zuckerfabrik anders: "Das ist wirklich ein Zukunftsprojekt für die nächsten zehn oder 15 - vielleicht sogar 20 - Jahre".

Sebastian Kraus plant, auch dann noch in Warburg zu wohnen. "Meine Frau und ich wollen hier eine Familie gründen und alt werden", sagt der 32-Jährige dem WDR. Die aktuellen Wohnbau-Projekte in seiner Stadt beobachtet er gerade mit Interesse. "Da sind das tatsächlich Entwicklungen, die mich hoffnungsvoll in die Zukunft blicken lassen".

Unsere Quellen:

  • WDR-Gespräche mit Warburgs Bürgermeister Tobias Scherf (CDU), Regina Höbel von der InWIS Forschung & Beratung GmbH, Hilla Zavelberg-Simon (Grüne Warburg)
  • Für die Stadt Warburg erstelltes "Handlungskonzept Wohnen", Präsentation "Wir schaffen die 'Laurentiushöhe Warburg'" und Informationen von NRW.URBAN sowie Daten von IT.NRW und der Bertelsmann Stiftung.
  • Recherche in der Facebook-Gruppe "Wohnungssuche und Vermietung in Warburg" und Austausch mit Nutzerinnen und Nutzern