WDR-Spendenaktion gegen den Hunger: Das ist mit dem Geld passiert
Stand: 20.06.2023, 06:00 Uhr
10,6 Millionen Euro sind bei der WDR-Spendenaktion "Der Westen hilft" im Dezember zusammengekommen. Das Geld wurde an "Aktion Deutschland Hilft" übergeben. In Kenia und Uganda hat sich unser Reporter angeschaut, was aus den Spenden geworden ist.
Von Frank Krieger
Von den insgesamt 48 Hilfsprojekten, die von den Spendengeldern unterstützt werden, arbeiten sechs in Kenia und Uganda. Sie setzen sich für den Kampf gegen Hunger und Armut ein. WDR-Reporter Frank Krieger war in den vergangenen Wochen unterwegs, um sich vor Ort ein Bild zu machen.
Für viele Kinder die einzige warme Mahlzeit am Tag
Zufriedene Gesichter im Kindergarten in Ahero, im Westen von Kenia. Die Kinder bekommen etwas zu essen: diesmal Reis, Bohnen und Brot. Weil die Dürre in den letzten Monaten so groß war, unterstützt die Hilfsorganisation TerraTech über 300 Kinder mit einer warmen Mahlzeit am Tag. Auch die der benachbarten staatlichen Schule.
Im Kindergarten in Ahero, im Westen von Kenia.
Es ist oft ihre einzige Mahlzeit am Tag: "Viele Menschen leben hier von einem Euro am Tag, viele Kinder gehen nicht in die Schule, weil sie ihren Familien helfen müssen", sagt Isabella Gaudlitz von Terra Tech. Ohne Essen keine Bildung, sagt sie. Daher der kostenlose Kindergarten. Und mit 30 Euro pro Monat wird ein Kind satt.
Viele Kinder werden mit kaputten und teils aufgetragenen Socken der Eltern in den Kindergarten geschickt.
Einige Kinder tragen die Socken ihrer Eltern auf – links Größe 38, rechts 24. Ein Bild, das sich einbrennt als Symbol, wie wenig Geld die Familien haben. Im Kindergarten wird spielerisch Englisch unterrichtet. Und nebenan auf der Farm von TerraTech lernen die Bauern der Region, welche Pflanzen das Klima besser aushalten. Denn Essen verteilen ist nur eine Notmaßnahme. Wichtig ist es, den Menschen Möglichkeiten aufzuzeigen, wie sie zum Beispiel ihre Felder besser vor den Wetter-Extremen schützen können: Hightech-Netze halten zu viel Sonne und zu viel Wasser ab. Außerdem werden an Kleinbauern Pflanzensorten verteilt, die das Klima besser aushalten.
Wasser ist der Schlüssel gegen Hunger
In Kochogo South in West-Kenia gab es bislang keinen Wasserhahn, aus dem das Wasser kommt. Menschen haben bislang aus kleinen Brunnen mit Plastikeimern ihr Wasser geschöpft: "Das Wasser ist salzig, es schmeckt nicht gut und Menschen werden krank davon", sagt Dorfbewohnerin Anna. Die Hilfsorganisation Habitat for Humanity hat mit dem Geld der Spendenaktion tiefliegendes Grundwasser angebohrt –jetzt haben mehr als 4.000 Menschen sauberes Wasser: zum Trinken, zum Nahrung anbauen und zubereiten.
Jeder vierte Mensch hat keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser, sagt die UN.
Außerdem werden jetzt im Sommer noch Kanäle in den Feldern erstellt. Damit in der Regenzeit das Wasser nicht die Nahrungsgrundlage vernichtet. Denn das Wasser "zerstört die Felder, dann haben wir keine Nahrung mehr. Auch unsere Häuser werden überflutet", sagt Ajub, der Mais, Hirse und Bohnen anpflanzt. Er ist überzeugt, dass sich durch die Hilfe jetzt viel ändert!
Lebensmittelpreise verdoppelt, Leidtragende sind die Kinder
Besonders extrem ist die Schere zwischen Arm und Reich in Nairobi: Einerseits der schicke Präsidentenpalast, umzäunte und bewachte Hotels. Andererseits lebt etwa jeder zweite Einwohner in Armut, in Wellblechhütten in einem der vielen Slums. Lilly hat vier Kinder, bezahlt umgerechnet 14 Euro für zehn Quadratmeter. Ohne Strom. Ohne Toilette. Im Monat verdient sie gerade mal 20 Euro. Davon muss sie auch Schulgebühren zahlen. Und die Lebensmittelpreise haben sich in den vergangenen Monaten verdoppelt: 1 Kilo Mehl kostet inzwischen 1,30 Euro, sagt sie.
In einem der etwa zwölf Slums in Nairobi leben viele Tausend Menschen – in kleinen Wellblechhütten, ohne Strom, ohne Toilette. Und zahlen als Miete teils mehr als die Hälfte ihres Monatslohns.
Die Malteser helfen im Slum von Nairobi daher mehreren Tausend Menschen mit Lebensmittelpaketen. Außerdem gibt es Hilfe, wenn Menschen sich selbstständig machen wollen, um ihr eigenes kleines Business aufzubauen. Die Kinder leiden hier am meisten: manche können nicht richtig gehen, sind zu klein und zu dünn für ihr Alter. Daher unterstützen die Malteser ein kleines Krankenhaus im Slum. Dort werden unterernährte Kinder und ihre Mütter behandelt.
Zwei Projekte im Flüchtlingscamp Kakuma – einem der größten Camps der Welt
Im Norden Kenias befindet sich eines der größten Flüchtlingscamps der Welt: In Kakuma leben mittlerweile über 200.000 Menschen, wöchentlich werden es mehr. Manche leben dort schon seit 20 Jahren. Sie sind aus den umliegenden Ländern vor Krieg und Gewalt geflohen. Aber die Politik hat keinen Plan, was mit ihnen geschehen soll. So leben sie in einer Art Stadt der Hoffnungslosigkeit, unter Verwaltung der UN. Und sie leiden an Hunger und Krankheiten.
In dem kleinen Krankenhaus im Flüchtlingscamp helfen die Johanniter Müttern und ihren unterernährten Kindern.
Hier helfen die beiden Organisationen World Vision und die Johanniter. Mit dem Geld der Spendenaktion verteilen sie Lebensmittel und bieten medizinische Hilfe. Beispielsweise einem 14 Monate altem Baby: Es wiegt fünf Kilo und sollte eigentlich doppelt so schwer sein. Mit Notfallnahrung wird es aufgepäppelt. Die Hilfsorganisationen helfen nicht nur den Menschen im Flüchtlingscamp - auch die Bewohner der benachbarten Kleinstadt bekommen Unterstützung. Sonst würde die Lage eskalieren. Eine Malariaepidemie in diesem Sommer hat die Helfer nochmal vor eine große Herausforderung gestellt.
„Ich habe Träume: Ich möchte Pilotin werden, aber ich muss hierbleiben und Kinder kriegen.“ Maria, 21 Jahre alt. Lebt in einem der größten Flüchtlingscamp der Welt, in Kakuma, Kenia.
Fischer am Viktoriasee – die beliebten Viktoriabarsche werden rar
Mit 40.000 Euro unterstützt die Spendenaktion Fischer-Familien am Viktoriasee in Uganda. Die Hilfsorganisation "Arche Nova" hat für 15.000 Menschen dort Trinkwasser und Toiletten bereitgestellt. Die Fischerfamilien leben in einfachen Hütten, früher waren die Boote voller Fische. Heute sind es teils nur fünf Fische – das Ergebnis eines ganzen Tages.
Der Viktoriabarsch ist weltweit bekannt – rund um den Viktoriasee leben viele Fischerfamilien in bescheidenen Verhältnissen. Sie fangen kaum noch Fische. Diese fünf Fische sind die Ausbeutung eines Bootes, das den ganzen Tag auf dem See war.
Der Viktoriasee, so groß wie Bayern, leidet unter Umweltverschmutzung und illegaler Fischerei. Die Helfer unterstützen die Fischer mit legalen Fangmethoden, informieren sie über Umweltschutz und bieten Business-Trainings an: wie sie besser haushalten und mehr verdienen können. Auch, indem sie sich einen Zweitjob suchen. Denn von der Fischerei alleine können viele nicht mehr leben. Dabei ist Fischen Familientradition, seit vielen Jahren.
WDR-Reporter Frank Krieger im Gespräch mit Fischerfamilien am Viktoriasee. Sie haben jetzt sauberes Trinkwasser, Toiletten und bekommen Business-Trainings.
Fragen zur WDR-Spendenaktion? Hier Antworten im Überblick:
Wer hat gespendet?
Ende 2022 haben Menschen aus NRW im WDR berichtet, wie sie sich gegen den Hunger in der Welt engagieren: Mitarbeitende von Hilfsorganisationen und Ehrenamtliche im Radio, Fernsehen und Online. Sie haben damit viele inspiriert, diese Projekte zu unterstützen.
Menschen aus dem Westen haben gespendet: Schulklassen haben zur Weihnachtszeit Kekse verkauft, Bürogemeinschaften und Unternehmen haben gesammelt und ganz viele Menschen haben einen Teil ihres Einkommens für Menschen abgezweigt, die dringend Hilfe benötigen.
Bei der gemeinsamen Spendenaktion von WDR und "Aktion Deutschland Hilft" sind bis zum 31. Januar genau 10.684.554,95 Euro zusammengekommen. Dank der Hilfe aus dem Westen wurden 48 Hilfsprojekte gegen den Hunger unterstützt.
Welche Projekte werden unterstützt?
48 verschiedene Projekte etwa in Indien, Thailand, Lima, Ecuador, Afrika, Indien und Thailand. Eine Übersicht von Aktion Deutschland Hilft gibt es hier:
Kommt der WDR mit Spendengeldern in Berührung?
Nein, die Spenden wurden über "Aktion Deutschland Hilft" getätigt.
Verteilen die Hilfsorganisationen nur Nahrung?
Nein, Essensverteilungen sind immer nur eine Notmaßnahme, sagt Isabella Gaudlitz von Terra Tech. In Dürrezeiten haben Menschen in Kenia teilweise fünf Tage lang nichts zu essen. Mittagessen an Schüler zu verteilen ist wichtig, weil dadurch Kinder in die Schule geschickt werden. Dann wissen die Eltern, dass ihre Kinder etwas zu essen bekommen. Die Hilfsorganisationen sehen sich vor allem als "Ermöglicher": sie bieten zum Beispiel finanzielle Trainings an, bieten Workshops für Kleinbauern, um ihnen beim Klimawandel zu helfen und verbreiten neue Technologien.
Was bringt meine Spende?
Da nennen die Hilfsorganisationen folgende Faustformel: 30 Euro im Monat helfen, damit ein Kind jeden Tag eine warme Mahlzeit bekommt. 30 Euro im Monat helfen einer sechsköpfigen Familie mit zusätzlichen Lebensmitteln, um Unterernährung zu verhindern.
Was kostet die Hilfe vor Ort?
Ein Bohrloch für sauberes Trinkwasser kostet etwa 50.000 Euro, sagt "Habitat for Humanity". Ein Hightech-Netz zum Schutz der Felder vor zu viel Sonne und zu viel Regen kostet 2.000 Euro (8 mal 24 Meter) Terra Tech.
Heißt Hunger, dass die Menschen gar nichts zu essen haben?
Hunger ist vielfältig. Martin Schönburg von den Maltesern sagt, dass manche Menschen in Kenia morgens eine Tasse Tee mit Milch trinken und abends dann eine warme Mahlzeit bekommen, die aus Reis mit Bohnen oder aus ein paar Maisfladen besteht. Das Problem ist Mangelernährung: Viele sind nicht in der Lage, sich ausgewogen zu ernähren. Hier helfen die zusätzlichen Lebensmittelpakete, die etwa die Malteser im Slum von Nairobi verteilen.
Kann ich weiter spenden?
Ja, direkt an die einzelnen Organisationen oder an "Aktion Deutschland Hilft".