Sozialer Wohnraum fehlt
Aktuelle Stunde. 01.08.2023. 33:30 Min.. UT. Verfügbar bis 01.08.2025. WDR. Von Beate Becker; Per Quast.
Immer weniger Sozialwohnungen in NRW
Stand: 01.08.2023, 17:25 Uhr
In Nordrhein-Westfalen gibt es immer weniger Sozialwohnungen. Der Bestand ist von Ende 2021 bis Ende 2022 um knapp 7.000 auf etwa 435.000 gesunken. Die Gründe sind vielfältig.
Die Zahl ist seit Jahren rückläufig: Neu bewilligt wurden 2022 in NRW 3.631 Sozialwohnungen. Das sind 853 weniger als ein Jahr davor. Das geht aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Bundestagsabgeordneten Caren Lay (Linke) hervor. Der Grund für den Rückgang ist vor allem, dass mehr Wohnungen aus der Preisbindung herausfallen, als neu gebaut werden. Bundesweit wurden im vergangenen Jahr etwa 22.500 Sozialwohnungen gebaut - deutlich weniger als die von der Bundesregierung versprochenen 100.000.
Caren Lay, die wohnungspolitische Fraktionssprecherin der Linken, sprach von einem Scheitern der Wohnungspolitik der Bundesregierung. "Der Tiefstand beim sozialen Wohnungsbau bei Neubau und Bestand ist angesichts ungebremst steigender Mieten und zunehmender Wohnungsnot höchst alarmierend", sagte sie laut einer Mitteilung.
Rietenberg: "Wohnen ist soziale Frage."
"Wohnen ist auch immer eine soziale Frage. Wenn es für Menschen, die weniger Einkommen haben, immer schwieriger wird, Wohnungen zu finden, dann schafft das auch immer gesellschaftliche Unruhe", erklärt Sylvia Rietenberg, Fachreferentin Wohnungspolitik beim Paritätischen Wohlfahrtsverband NRW. Dann falle ein Teil raus aus der gesellschaftlichen Teilhabe. "Und das ist wohnungs- wie sozialpolitisch ein Problem für die gesamte Gesellschaft."
NRW-Bauministerin kritisiert Berlin
Im bevölkerungsreichsten Bundesland NRW befinden sich nach Angaben des Landesbauministeriums 40 Prozent aller bundesweit verfügbaren Sozialwohnungen. "Angesichts der Bevölkerungszunahme in Deutschland braucht es Fläche - und zwar neue Fläche - für den Wohnungsbau", betonte NRW-Bauministerin Ina Scharrenbach (CDU).
Scharrenbach: "Brauchen neue Fläche für Wohnungsbau."
Dabei kritisierte sie vor allem die Politik der Ampel in Berlin: "In der Bundesregierung sitzt die Schnecke auf der Schildkröte und freut sich, dass sie so schnell vorankommt. Die Bauwirtschaft gehört zur Schlüsselindustrie in Deutschland - aber auch hier wird immer mehr der Schlüssel umgedreht und abgeschlossen." Mit ihren Wohnungsbau-Zielen wäre die SPD "krachend gescheitert", so Scharrenbach: "Weder die 400.000 Wohnungen für Deutschland, noch die 100.000 Sozialwohnungen waren realistisch."
Allerdings habe es auch die Landesregierung zu lange versäumt, hier gegenzusteuern, kritisiert die SPD: "Weder die schwarz-gelbe noch die schwarz-grüne Landesregierung haben trotz deutlich besserer finanzieller Rahmenbedingen genug Geld in die Hand genommen, um neue Sozialwohnungen auf den Weg zu bringen", so der SPD-Landtagsabgeordnete Sebastian Watermeier. "Jetzt mit den gestiegenen Baukosten wird es deutlich schwieriger, Neubauten zu realisieren."
Da die Landesregierung selber keine Wohnungen baut, versucht sie, mit verschiedenen Förderprogrammen mehr bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. "Die öffentliche Wohnraumförderung des Landes NRW ist bis 2027 mit 9 Milliarden Euro ausgestattet", erklärt Landesbauministerin Ina Scharrenbach. Allein in diesem Jahr stünden 1,6 Milliarden Euro zur Verfügung. "Und wir erleben gerade einen 'Run' auf diese Mittel - ob es Mietwohnungsneubau ist, Modernisierung oder im Eigentum. Es gibt eine ungeheuerlich hohe Nachfrage", so Scharrenbach. Das habe unter anderem mit den gestiegenen Zinsen am Kapitalmarkt zu tun. "Dann sind Förderkonditionen immer sehr nachgefragt", erklärt die Landesbauministerin.
Aus Brachflächen werden Bauflächen
Neben speziellen Förderdarlehen nutzt das Land auch die Möglichkeit, aus Brachflächen Bauflächen zu machen, wie etwa bei den Programmen "Bauland an der Schiene" oder die Initiative "Bau.Land.Leben". Allein dadurch hätte die Landesregierung rund 16 Millionen Quadratmeter für neuen Wohnraum geschaffen, erklärte ein Sprecher des Bauministeriums.
Erwerb von Belegungsrechten
Zudem hat das Bauministerium in 67 Städten NRWs die Möglichkeit geschaffen, Belegungsrechte für bestehende Wohnungen zu kaufen. Bochum war eine der ersten Kommunen, die davon Gebrauch gemacht haben. Dort konnten etwa Belegungsrechte für 474 Wohnungen erworben werden, für die nun auch Mietpreisbindungen gelten. Dadurch habe sich die Zahl der Wohnungen in öffentlicher Bindung in Bochum um vier Prozent erhöht, teilte das Wohnungsunternehmen VBW mit.
Paritätischer: "Fördermittel alleine reichen nicht"
"Die Landesregierung tut eine ganze Menge, um den bezahlbaren Wohnraum nach vorne zu bringen", findet zwar auch Sylvia Rietenberg vom Paritätischen Wohlfahrtsverband NRW. Die Fördermittel wären durchaus attraktiv. "Aber zum Problem des Wohnungsbaus gehört ja nicht nur die Förderung, wir haben's ja mit komplexen Problemen zu tun", so Rietenberg. So gäbe es in vielen Kommunen kaum noch Fläche, die entwickelt werden könne. Hinzu komme aktuell der Fachkräftemangel. "Mit Fördermitteln alleine ist es nicht getan."
Was sind Sozialwohnungen?
Bei Sozialwohnungen sind die Mieten staatlich reguliert. Nur Menschen, bei denen die Behörden einen besonderen Bedarf sehen, dürfen dort wohnen. Das gilt allerdings nur für eine bestimmte Zeit, danach können die Wohnungen normal am Markt vermietet werden. Die Dauer dieser Bindung ist in den Ländern unterschiedlich geregelt. In NRW gibt es auch ein Förderangebot der Landesregierung, das die Verlängerung von Bindungen vorsieht. Weil aber in der Vergangenheit zu wenig neu gebaut wurde, schrumpft die Zahl der Sozialwohnungen seit Jahren.
NRW benötigt aktuell 51.000 neue Wohznungen pro Jahr
Ein von der Landesregierung in Auftrag gegebenes Gutachten kommt zu dem Ergebnis, dass bis zum Jahr 2040 durchschnittlich 46.000 neue Wohnungen pro Jahr benötigt werden. Wegen des hohen Nachholbedarfs liegt das Ziel bis 2025 sogar bei 51.000 Wohnungen. Gebaut wurden von 2019 bis 2021 im Durchschnitt 49.000 Wohnungen, 2022 etwas weniger.
Über dieses Thema berichtet der WDR u.a. in der Aktuellen Stunde sowie im WDR 5-Westblick.