Ayoub Bouftala steht in der Küche des Restaurants in der Soester Altstadt. Vor ihm liegen Wolfsbarsche. Er soll die Fische gleich ausnehmen und die Schuppen entfernen. "Das habe ich in Marokko schon gemacht", sagt der 26-Jährige. Sehr viel spricht er nicht. Deutsch fällt ihm noch schwer, obwohl er schon sehr gut zu verstehen ist.
Bouftala ist nicht der einzige Auszubildende aus Marokko. "Das macht es den jungen Leuten deutlich einfacher, hier klar zu kommen. Man tauscht sich aus, gibt sich wertvolle Tipps, um sich fern der Heimat zu orientieren", erklärt Jens Wieners, Wirt im Brauhaus Zwiebel in Soest.
Tageszeitung prämiert Soester Traditionshaus
Die Frankfurter Allgemeine Zeitung hat deutschlandweit 12.400 Ausbildungsbetriebe untersucht. Im Bereich "Gastronomie" konnte sich das traditionelle "Brauhaus Zwiebel" in Soest durchsetzen. Weitere Spitzenbewertungen bekamen Star-Koch Tim Raue aus Berlin und das Restaurant Rosin aus Dorsten im Kreis Recklinghausen.
Wieners hatte mit seinem Team vor gut drei Jahren eine Idee, die seine Küche und drei benachbarte Restaurants weit nach vorn brachte. Bei ihrer Ausbildung setzen sie besonders aus Bewerber aus dem Ausland, aktuell vor allem aus Vietnam und Marokko. "Wir haben natürlich auch den Fachkräftemangel stark gespürt. Heute können wir sagen, das ist für uns kein Thema mehr".
Es fehlen immer mehr Fachkräfte
Damit ist das "Brauhaus Zwiebel" in der Branche eine große Ausnahme. Überall an in der Gastronomie werden Kräfte gesucht: im Service, in der Küche, im Hintergrund. Die Corona-Pandemie hat das Abwandern aus den Gaststätten, Restaurants und Hotels nochmal deutlich verstärkt.
Das Arbeitgeber Institut der deutschen Wirtschaft (IW) spricht von zehntausend fehlenden Bewerbern. Im Jahr 2023 waren demnach knapp 44.000 Stellen im Gastgewerbe nicht besetzt.
Wohnungssuche und Hilfe beim Arztbesuch
"Wir bekamen aus Deutschland immer weniger Bewerbungen: So ist die Idee entstanden, uns im Ausland umzusehen", sagt Zwiebelwirt Wieners. Über Agenturen bekamen sie Kontakt zu Bewerbern aus aller Welt. Zur Zeit ist eine größere Gruppe Vietnamesen in Soest.
Damit alle beteiligten Seiten von dem Projekt profitieren, haben sich die Soester breit aufgestellt: Zehn Ausbilder kümmern sich nicht nur um das fachliche Wissen, sie organisieren einen Platz in einer Wohngemeinschaft, helfen bei Behördengängen, geben Tipps, wo es einen passenden Arzt gibt. "Das war gerade am Anfang enorm wichtig", so Gastwirt Wieners.
Jetzt nach drei Jahren, läuft vieles fast von allein. Nicht zuletzt, weil sich die Azubis untereinander gut helfen können.
"Es ist doch spannend, von anderen zu lernen"
In der Ausbildung geht es an diesem Nachmittag um Fisch. Ayoub Bouftala, der junge Koch-Auszubildende aus Marokko, stellt sich geschickt an. Sein Ausbilder Yannes Hartkämper steht neben ihm. "Das Ganze ist eine große Bereicherung. Die Auszubildenen sind sehr engagiert und wollen etwas lernen. Ausserdem ist der Austausch spannend: Gerade Koch ist ein sehr kreativer Beruf- da ist es doch spannend, von anderen zu lernen."
Schnitzel statt Stäbchen
Nebenan ist Dinh Van Cuond damit beschäftigt, den Fisch zu filetieren. Das soll er demnächst vor den Gästen machen: Da muss jeder Handgriff sitzen. "Da bin ich schon nervös", sagt der freundliche, junge Mann. Als er nach Deutschland kam, musste er zunächst viel lernen. "Schon das mit Messer und Gabel war schwierig für mich" lacht er.
Heute serviert er gekonnt Schnitzel und Pommes. "Mittlerweile mag ich das auch. Aber jeden Tag könnte ich das nicht essen," sagt er – wieder mit einem Lachen.
Weltweite Kontakte in der Branche gefragt
Deutsch-Kenntnisse sind eine wichtige Voraussetzung, um für die Ausbildung nach Deutschland reisen zu dürfen. Im "Brauhaus Zwiebel" laufen Small-Talk mit Gästen oder Abstimmungen in der Küche schon ganz gut, für Details wird nachgebüffelt. Begriffe wie Schwanzflosse, Schuppen entfernen oder Gräte fließen in der Schule, im internen Unterricht der Gaststätte und im Arbeitsalltag mit ein.
Der erfolgreiche Weg im Kampf gegen den Fachkräftemangel hat sich in der Branche herumgesprochen. Immer mal wieder fragen Kollegen aus der Branche nach, wie sie die Idee kopieren können. Gern geben die Soester dann ihre weltweiten Kontakte weiter. "Wir sind sehr froh, das genau so gemacht zu haben", sagt Zwiebelwirt Wieners – und Dinh Van Cuond stimmt ihm mit einem breiten Lächeln gerne zu.
Unsere Quellen:
- Beschäftigte des "Brauhaus Zwiebel"
- WDR-Reporter vor Ort
- Frankfurter Allgemeine Zeitung
- Institut der Deutschen Wirtschaft